Nun zurück zu Ihrem Antrag. Herr Helberg, Sie fordern auch eine Stärkung zeitlich befristeter vorläufiger Betreuung, weil Sie befürchten, dass mit der Verlängerung der Überprüfungsfrist auf sieben Jahre mögliche Betreuerwechsel nur in den seltensten Fällen zum Tragen kämen. Ich möchte für uns betonen, dass Betreuungsanordnungen jederzeit überprüfbar sind und wir deshalb keinen Sinn darin sehen, die als Ausnahme vorgesehene zeitlich befristete vorläufige Betreuung zur Regel zu machen.
Auf Ihre Forderung, Herr Helberg, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes verstärkt auf Vorsorgevollmachten hinzuweisen, bin ich hier im Plenum schon im Mai umfassend eingegangen. Dass Sie das heute nicht mehr erwähnt haben, zeigt, dass wir vernünftige Antworten gegeben haben. Wir sind der festen Überzeugung, dass in diesem Bereich auch schon im vorpolitischen Raum sehr viel getan wird. Insofern bedarf es dazu keines Entschließungsantrages.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Wer Kosten sparen möchte, muss im Sinne einer einheitlichen und zugleich zweckmäßigen Wahrnehmung der Betreuungsaufgaben an der bisherigen Aufgabenverteilung festhalten. Wer Reformen umsetzen möchte, der muss am Sonntag dafür sorgen, dass Union und FDP in Berlin eine Mehrheit bekommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Ich sage nichts zur Wahl am Sonntag. Ich sage auch nichts zur Justizreform und vor allem nichts zu Verfassungsstreitigkeiten. Ich muss damit nicht meine Redezeit füllen, weil ich etwa keine anderen Argumente hätte. Ich spreche vielmehr zur Sache. Das tut dem Thema insgesamt sicherlich ganz gut.
Wir reden hier über die Umorganisation im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Betreuungsangelegenheiten. Wenn man eine Umorgani
sation vornehmen will, macht es immer Sinn, zunächst einmal die Frage zu stellen, ob überhaupt die Notwendigkeit zu einer Umorganisation besteht. Müssen wir tatsächlich Aufgaben verlagern? Daran knüpft sich sofort die Frage an: Läuft es zurzeit schlecht, läuft es nicht ganz so gut? Müssen wir zwingend etwas verbessern? Dazu habe ich bisher von Herrn Helberg nichts gehört. Er hat zwar gesagt, man könne das anders machen, das sei auch anders zu organisieren, aber Aussagen zu der zwingenden Notwendigkeit, die Dinge auf den Kopf zu stellen, etwas anders zu machen, fehlen.
Wir sind uns darin einig, dass die Rechtspfleger höchst qualifiziert sind, um auch Aufgaben im Bereich der Betreuungsangelegenheiten wahrzunehmen. Das ist keine Frage. Aber die Richter sind aufgrund ihrer Ausbildung diejenigen, die insbesondere in den ganz wichtigen Dingen, nämlich bei der Bestellung des Betreuers, bei der Bestimmung des Umfangs der Betreuungsangelegenheiten und des Aufgabenbereichs des Betreuers, die Entscheidung zu treffen haben. Der Richter ist - das ist unstreitig - auf jeden Fall in das Verfahren eingebunden und muss wesentliche, also essentielle, Entscheidungen in dem Verfahren treffen. Das heißt, der Richter ist ohnehin immer eingebunden. Würden wir das so machen, wie Herr Helberg dies dargestellt hat, hätten wir immer die Parallelität von Richtern auf der einen Seite und Rechtspflegern auf der anderen Seite. Das ginge gar nicht anders.
- Herr Helberg, es bleiben doch beide. Sie wollen doch den Richter nicht völlig ausblenden. Es geht hier um grundrechtsintensive Eingriffe. Seitens Ihrer Fraktion ist heute schon in anderem Zusammenhang auf die Bedeutung des Schutzes der Grundrechte hingewiesen worden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist es auf jeden Fall geboten, die Beteiligung der Richter beizubehalten. Ein Nebeneinander von Richtern und Rechtspflegern brauchen wir aus unserer Sicht nicht. Wir hätten - das haben wir bereits während der ersten Beratung und auch im Ausschuss ausgeführt - eine doppelte Befassung durch Richter und Rechtspfleger.
- Herr Helberg, Sie können das ja gleich noch einmal darstellen. - Eine solche Doppelarbeit ist nicht zwingend notwendig. Wir brauchen sie insbesondere jetzt nicht, zumal die Rechtspfleger und auch die Richter schon so stark belastet sind. Würden wir so verfahren, wie Sie dies vorschlagen, müssten die Rechtspfleger auf jeden Fall mehr tun als bisher. Die Belastung der Rechtspfleger würde steigen. Da die Rechtspfleger aber bereits überproportional belastet sind - darüber haben wir uns bereits ausgetauscht -, müssten wir entweder die Zahl der Rechtspflegerstellen anheben, oder wir müssten Aufgaben, die bislang von den Rechtspflegern wahrgenommen werden, auf andere übertragen. Das geht nicht. Gleichzeitig können wir aber auch keine Richterstellen streichen, da auch die Richter schon stark belastet sind. Selbst wenn wir den Richtern einige Aufgaben nähmen, hätten sie nach wie vor viel zu tun. Nach Ihrem Modell bräuchten wir also mehr Rechtspfleger, die Richter würden bleiben, und wir hätten mehr Kosten in der Justiz. Das kann wirklich nicht in unserem Interesse sein. Deshalb sehen wir keinen Sinn in Ihrem Antrag und werden ihn ablehnen. - Vielen Dank.
- Herr Kollege Helberg, Sie haben leider keine Redezeit mehr. Ihre Redezeit war bereits überschritten. Das tut mir Leid.
Wir kommen damit zur Abstimmung. Ich frage, wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will. Ich bitte um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das Erste war die Mehrheit. Der Antrag der SPD-Fraktion ist abgelehnt worden.
Tagesordnungspunkt 15: Einzige (abschließende) Beratung: Volksinitiative gemäß Artikel 47 der Niedersächsischen Verfassung; hier: „Volksinitiative für Lernmittelfreiheit und freie Schülerbeförderung“ - Unterrichtung - Drs. 15/1995 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen Drs. 15/2093
Wir müssen zunächst über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen in der Drucksache 2093 entscheiden, bevor sich dann die erste Beratung über die Volksinitiative anschließt.
Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Ich gehe davon aus, dass alle Fraktionen der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit beschließen, dass sich der Landtag jetzt mit der Volksinitiative befasst. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Damit wird so verfahren.
Die erste Wortmeldung, die mir vorliegt, stammt von Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Korter!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Weit über 130 000 Unterschriften gegen die totale Abschaffung der Lernmittelfreiheit in Niedersachsen - das ist der eindrucksvolle Beweis dafür, dass die Menschen diese Politik der Landesregierung nicht akzeptieren. Herr Busemann, die Eltern in Niedersachsen haben sich von Ihrem Schönreden und Ihren Rechentricks nicht täuschen lassen. Ihr Mietmodell, das Sie als Ersatz eingeführt haben, ist verwaltungsaufwändig und kostet die Eltern zu viel Geld. Sie müssen 30, häufig sogar 40 % des Neupreises für veraltete, dicke und häufig mehrfach gebrauchte Bücher zahlen, die ihre Kinder nicht behalten dürfen, in denen sie nicht arbeiten können.
Besonders dreist ist es, Herr Busemann, dass Sie den Eltern andauernd erzählt haben, wie viel sie gegenüber dem Neupreis sparen. Tatsächlich werden sie doch deutlich stärker belastet, denn vorher gab es die Bücher als Leihbücher kostenlos.
Herr Busemann, meine Damen und Herren von CDU und FDP, mit Ihrer Entscheidung für die völlige Abschaffung der Lernmittelfreiheit zulasten der Eltern zeigen Sie deutlich, wie wichtig Ihnen in Wirklichkeit die Entlastung der Familien ist, von der Sie jetzt im Bundestagswahlkampf immer wieder so gern reden. Sie haben sich aus der Verantwortung gestohlen, auch nur einen kleinen Teil der Lernmittelkosten durch das Land, also durch alle Steuerzahler, mitfinanzieren zu lassen, wie es die Mehrzahl der anderen Bundesländer anständigerweise wenigstens noch tut. Nein, in Niedersachsen sieht man ganz genau, was Union und FDP unter sozialer Politik verstehen. Da kürzen, und da streichen, wo sich die Menschen am wenigsten wehren können. Das haben wir bei der Abschaffung der Hausaufgabenhilfe gesehen, bei der totalen Streichung der Lernmittelfreiheit, die Sie jetzt vorgenommen haben, bei der Streichung des Landesblindengeldes, den Kürzungen bei der Sprachförderung in den Kitas usw. usw. Überall dort, wo die Schwächsten unserer Gesellschaft betroffen sind, langen Sie voll zu.
Ihre Politik steht unter dem Motto: Wenn jeder nur an sich selbst denkt, dann ist ja an alle gedacht.
Herr Busemann, wir haben Ihnen im Laufe der Debatte mehrfach angeboten, die Lernmittelfreiheit mit Ihnen gemeinsam in Niedersachsen auf neue Füße zu stellen. Wir haben Ihnen angeboten, gemeinsam ein Modell zu erarbeiten, bei dem die Kinder die wichtigsten Bücher selbst besitzen und bei dem sich gleichzeitig das Land nicht völlig aus der Verantwortung zieht, wie Sie es jetzt getan haben.
Wichtig ist uns, dass Familien mit geringem Einkommen und deren Kinder nicht schlechter gestellt sind als besser verdienende Familien. Sie haben sich im Alleingang für ein Mietmodell entschieden, das pädagogisch nichts bringt. Pädagogische Fragen sollten aber für einen Kultusminister nicht völlig nachrangig sein, Herr Busemann. Für einen Fachminister ist das, was Sie vorgelegt haben, ein bisschen wenig. Die Eltern erwarten mehr von Ih
Kommen Sie endlich mit eigenen Ideen, wie Sie Bildungsgerechtigkeit und pädagogische Belange kombinieren und die Kosten nicht allein auf die Eltern abwälzen. Ich schätze, Herr Ministerpräsident Wulff - er ist leider nicht anwesend -,
dies wird nicht die einzige erfolgreiche Volksinitiative gegen Ihre unsoziale und einfallslose Politik bleiben. Diese Ohrfeige von den niedersächsischen Eltern haben Sie sich jedenfalls verdient.
Karl-Heinz, ich komme doch noch! - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Volksinitiative für Lernmittelfreiheit und freie Schülerbeförderung war erfolgreich. Wir haben soeben der Befassung zugestimmt. Im öffentlichen Bewusstsein ist sie allerdings als Volksinitiative für Lernmittelfreiheit wahrgenommen worden, denn die freie Schülerbeförderung ist ja nie abgeschafft worden.
Ich möchte gerade mit Blick auf die Initiatoren der Volksinitiative sagen: Ich empfinde die Möglichkeit der Volksinitiative, die durch unsere Verfassung gegeben ist, als ausgesprochene Bereicherung unserer Demokratie.
Unsere Form der Demokratie, die repräsentative Demokratie, funktioniert ja so, dass das Volk seine Repräsentanten, die Abgeordneten - also auch
uns -, direkt wählt, dann aber nicht mehr an den konkreten Einzelentscheidungen, z. B. über Lernmittelfreiheit, beteiligt ist. Diese Entscheidungen fallen im Parlament. Ich finde es richtig, dass größere Gruppen, wenn sie mit diesen Entscheidungen nicht einverstanden sind, über eine Volksinitiative die Möglichkeit haben, eine erneute Befassung im Parlament herbeizuführen. Für das Wesen unserer lebendigen Demokratie ist es ausgesprochen gut, dass sie ihre Position dann in der folgenden Anhörung unmittelbar in den politischen Willensbildungsprozess einbringen können.
Ich freue mich auf die Spannung, die im erneuten parlamentarischen Entscheidungsprozess zustande kommen wird; denn das bisherige Ergebnis kann ja revidiert werden.