Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Von dieser gesetzlichen Regelung sind erstens die Parteien - aber auch Wählergruppen und Einzelbewerberinnen und -bewerber - und zweitens die amtlichen Wahlleiter und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen.

Meine Damen und Herren, ich komme nun zu den wesentlichen Änderungen. Erstens: die Fristen und Termine für die Wahlbekanntmachung, für die Wahlleitung, für die Einreichung und Zulassung der Wahlvorschläge, für die Wahlanzeige und für die Anerkennung der Parteieigenschaften. Diese werden so verändert, dass zwischen ihnen und dem Wahltag ein größerer zeitlicher Abstand besteht. Diese Vorschläge gehen im Übrigen auf Forderungen kommunaler Praktiker aus den kommunalen Spitzenverbänden zurück. Ich denke, es ist richtig, ihnen zu folgen.

Zweitens: die Abschaffung von Wahlvorschlagsverbindungen. Ich denke, dass der Hinweis auf die seinerzeitigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts bzw. des Bundesverwaltungsgerichts hier durchaus von Bedeutung sind. Meine Damen und Herren, die Wahlbekanntmachungen haben nach dem Gesetzentwurf spätestens 120 Tage vor der Wahl zu erfolgen. Ich glaube, dass diese zeitliche Entzerrung für alle Beteiligten einen Vorteil bringt, weil deutlich wird, dass Sorgfalt vor Geschwindigkeit geht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Drittens: Wahlgeräte werden grundsätzlich zugelassen, ihre Einführung wird aber nicht vorgeschrieben; das möchte ich deutlich machen. Das

technische Gerät kann die Arbeit möglicherweise erleichtern, aber daraus darf kein Zwang werden. Ich darf aus Sicht der Kommunen auch sagen, dass wir uns wünschen würden, dass sich das Land beteiligt. Ich denke aber, dass es das nicht kann, und der Bund wird es wahrscheinlich auch nicht machen. Darum darf ich noch einmal deutlich machen, dass die Freiwilligkeit hier erhalten bleiben muss.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, die Feststellung des Wahlergebnisses für das jeweilige Wahlgebiet erfolgt in Zukunft nach dem Proportionalverfahren Hare-Niemeyer. Dazu möchte ich gerne noch etwas sagen: Bereits im Rahmen der Beratung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Kommunalverfassung haben wir uns mit der Ablösung des Auszählverfahrens nach d’Hondt befasst. Damals ging es um die Besetzung der Ausschusssitze. Die Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts ist zum 30. April dieses Jahres in Kraft getreten und enthält nun eine Regelung, wonach die Ausschüsse in den kommunalen Parlamenten nach dem Auszählverfahren Hare-Niemeyer zu besetzen sind. Die Koalitionsfraktionen und auch die Landesregierung waren und sind sich einig, dass diese Regelung erst nach der nächsten Kommunalwahl im Jahre 2006 gelten soll. Das möchte ich hier noch einmal deutlich machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Stadt Winsen sah dies anders. Sie hatte im Rat einen Antrag auf Änderung der Ausschussbesetzung gestellt. Die Begründung war der Verweis auf die Änderung des § 51 NGO und damit das Auszählungsverfahren zugunsten von Hare-Niemeyer. Wie Sie wissen, lehnte der Rat den Antrag ab. Daraufhin stellte die Fraktion einen Antrag vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg, das diesem dann stattgab.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Ja!)

Nachdem nun der Rat der Stadt Winsen Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts eingelegt hat, steht die Entscheidung im Hauptsacheverfahren noch aus.

Meine Damen und Herren, um schon vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Rechtssicherheit zu schaffen, sind wir mit unserem Koalitions

partner übereingekommen, eine Übergangsvorschrift für die Niedersächsische Gemeindeordnung, die Niedersächsische Landkreisordnung und das Regionsgesetz in die Beratung im Ausschuss für Inneres und Sport einzubringen. Diese soll abschließend klarstellen, dass das Auszählverfahren für die Besetzung der Ausschusssitze erst für die Zeit nach dem 1. November 2006 gelten soll.

Die klare Botschaft lautet also: Bis zum Ende dieser Kommunalwahlperiode gilt d’Hondt, ab dem Beginn der Kommunalwahlperiode 2006 HareNiemeyer, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.

Frau Wörmer-Zimmermann, wenn Sie diese vorgesehenen Änderungen beklagen, dann möchte ich Sie an die Zeit erinnern, als Sie zusammen mit den Grünen regiert haben: Damals haben Sie es, glaube ich, es sogar sehr schnell so gemacht, wie wir es jetzt tun.

(Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, das schafft meiner Meinung nach Klarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Das ist wichtig, und darum werden wir es so machen. Das ist, denke ich, zügig umzusetzen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion Herr Kollege Bode, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, ich werde es auch kurz machen, da bei einigen schon der Wunsch nach der Mittagspause besteht.

Wir als FDP-Fraktion begrüßen den von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Er bringt eine deutliche Modernität in das Kommunalwahlgesetz: was die Änderung der Fristen und was die Möglichkeit angeht, künftig Automaten einzusetzen, also den Wahlvorgang technisch zu vereinfachen, damit die vielen ehrenamtlich engagierten Bürger, die sich als Wahlvorstände vor Ort zur Verfügung stellen, entlastet werden. Die von Frau Wörmer-Zimmermann als zentraler Punkt formulierte Änderung des Auszählverfahrens in HareNiemeyer ist von meiner Fraktion sehr begrüßt worden - das wird Sie nicht wundern -,

(David McAllister [CDU]: Abwarten!)

allerdings nicht aus den Gründen, die Sie genannt haben. Es würde schließlich von einem etwas eigenartigen Demokratieverständnis zeugen, wenn man sagen würde, wir wollen ein anderes Zählverfahren, damit wir mehr Sitze bekommen. - Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass jede Stimme gleich viel wert sein soll. Von daher leuchtet es mir nicht ein, warum jemand von der SPD deutlich weniger Wählerstimmen braucht, um ein Mandat zu erreichen, als beispielsweise jemand von den Grünen. Der Wählerwillen muss sich demokratisch wiederspiegeln, und das geht am besten mit Hare-Niemeyer.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte auch gerne auf die eben von der CDU angesprochenen Probleme mit dem Auszählverfahren bei der Ausschussbesetzung eingehen. Als Rechtsstaatspartei halten wir uns natürlich an die Vereinbarung, die wir geschlossen haben. Unserem Koalitionsvertrag war ja deutlich zu entnehmen, dass die Einführung zur nächsten Kommunalwahlperiode gelten sollte. Von daher ist es ganz selbstverständlich, dass wir, wenn unser großer Partner einen kleinen Fehler im Verfahren gemacht hat und es zu Missverständnissen kommt, das gemeinsam wieder gerade ziehen, damit überall Klarheit herrscht und nicht unendlich lange vor Ort gerätselt wird, was noch gilt und was hin und her geändert werden muss. Meiner Meinung nach ist es vernünftig, eine Klarstellung vorzunehmen, damit vor Ort nicht die obskursten Dinge passieren.

Wir begrüßen den Gesetzentwurf und werden den Vorschlag der Grünen zu den Listenverbindungen gerne prüfen. Ich sage Ihnen aber auch: Den ganz großen Optimismus habe ich dabei nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat - ich erinnere an die vorhergehende Beratung - in seinen Urteilen sehr eindeutig gesagt, dass derartige Listenkombinationen verfassungswidrig sind. Meine Damen und Herren, wir haben nicht die Absicht, einen verfassungswidrigen Bestandteil in den Gesetzesentwurf aufzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Der Gesetzentwurf soll zur federführenden Beratung an

den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Das ist so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Landwirtschaftskammern und anderer Gesetze - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 15/2156

Sie haben vereinbart, dass heute keine Beratung stattfinden soll, sondern dass Sie den Gesetzentwurf direkt an die Ausschüsse überweisen wollen: federführend an den Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und mitberatend sowohl an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen als auch an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Zum Tagesordnungspunkt 14 habe ich gehört, dass sich die Fraktionen entgegen meiner Ankündigung eben darauf verständigt haben, ihn erst nach der Mittagspause zu beraten. Gibt es Einwände? - Das ist nicht der Fall.

Dann treten wir jetzt in die Mittagspause ein. Ich bitte Sie alle, pünktlich um 14.30 Uhr wieder hier zu sein. Ich wünsche einen guten Appetit!

Unterbrechung: 12.44 Uhr.

Wiederbeginn: 14.31 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 14: Zweite Beratung: Für eine strukturelle Binnenreform der Justiz - Richteraufgaben in Betreuungsangelegenheiten auf den Rechtspfleger übertragen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1903 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen Drs. 15/1988

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Ich erteile Herrn Helberg das Wort. Bitte schön, Herr Helberg!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Arbeitsstrukturen in den Gerichten haben sich in Niedersachsen in den letzten zwanzig Jahren grundlegend verändert. Die wirksamsten Reformen gab es dabei in den 90er-Jahren. Damit meine ich nicht nur Änderungen der Prozessordnungen, sondern insbesondere die verstärkte Nutzung elektronischer Medien und die Übertragung von Aufgaben auf die Folgedienste.

Bedauerlicherweise hat die jetzige Landesregierung diesen Reformweg nicht weiter verfolgt. Es bleibt völlig unverständlich, dass Sie z. B. die von uns vorgeschlagene Übertragung der Nachlasssachen vom Richter auf die Rechtspfleger abgelehnt haben, und zwar aus sehr durchsichtigen Motiven.

Mit unserem Antrag, den wir hier heute beraten, schlagen wir vor, auch in Betreuungssachen einige der bisher vom Richter bearbeiteten Aufgaben den Rechtspflegern zu überantworten. Wir werben dafür, insbesondere die Auswahl, die Bestellung und die Entlassung der Betreuer den Rechtspflegern anzuvertrauen. Das Ziel unseres Antrages ist eine verschlankte und effektive Binnenstruktur in den Betreuungsabteilungen. Dass dadurch zugleich der Justizhaushalt entlastet wird, ist ein zusätzliches positives Moment.

Sie haben sich wie schon bei den Nachlasssachen in der ersten Beratung geweigert, diesen Reformweg mitzugehen. Ihre ablehnenden Begründungen waren wirklich nicht überzeugend. Sie, Herr Bäumer, meinten dabei, bei der Einrichtung der Betreuung würden Einheitsentscheidungen des Richters auseinander gerissen. Das zeigt, dass Sie die Möglichkeiten des Rechtspflegergesetzes ganz

offensichtlich verkennen. Der Grund: Sie gehen fälschlich davon aus, mit einer Übertragung auf den Rechtspfleger werde dem Richter jegliche Zuständigkeit entzogen mit der Folge, dass der Richter die Grundentscheidung treffe und die Bestellung allein der Rechtspfleger besorge.

Diese Annahme ist natürlich falsch. Wenn es sachdienlich ist, bearbeitet selbstverständlich auch in Zukunft der Richter den kompletten Vorgang. Er kann die Sache an sich ziehen. Das sieht das Gesetz ausdrücklich vor. In den Fällen, in denen z. B. ein Betreuer noch nicht vorgeschlagen oder einer mit Spezialkenntnissen benötigt wird, aber noch nicht gefunden worden ist oder nicht sofort verfügbar ist, übernimmt der Rechtspfleger den Vorgang. Ohne die von uns vorgeschlagene Übertragung geht das nicht.

Frau Ministerin Heister-Neumann brachte den Einwand, beim Betreuerwechsel könne der Richter gleich die Prüfung der Aufgabenbereiche und der Laufzeit der Betreuung mit erledigen, und das sei effektiv. Das ist es in der Regel natürlich nicht! Dabei verkennen Sie nämlich, dass Verlängerungen bei der jetzt erweiterten Laufzeit der Betreuung auf sieben Jahre nur noch bei jungen Betreuten zu erwarten sind. Ganz überwiegend aber werden Betreuungen für ältere Menschen eingerichtet. Die Dauer dieser Betreuungen bleibt regelmäßig deutlich unter den sieben Jahren. Also auch kein überzeugendes Argument.

Für unseren Vorschlag gibt es dagegen eine Reihe guter Gründe: