Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es wird empfohlen, diesen Antrag federführend dem Ausschuss für Inneres und Sport zuzuleiten; mitberatend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 12 aufrufe, möchte ich darauf aufmerksam machen - nur, damit Sie informiert sind -, dass sich die Fraktionen

darauf verständigt haben, vor der Mittagspause noch den Tagesordnungspunkt 14 zu beraten. Tagesordnungspunkt 13 wird ja ohne erste Beratung gleich an die Ausschüsse überwiesen.

Ich rufe nunmehr auf

Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung Drs. 15/2141

Zur Einbringung erteile ich Herrn Innenminister Schünemann das Wort. Bitte schön, Herr Innenminister!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf sieht Änderungen der kommunalen Wahlvorschriften vor. Er verändert eine große Anzahl von Regelungen. Der Grund dafür ist einfach: Es geht darum, die Vorschriften verständlicher zu machen. Viele sind von den Regelungen betroffen: Parteien, Wählergruppen, Bewerber und vor allem auch die zahlreichen Mitarbeiter in der Wahlorganisation, die für die rechtmäßige Vorbereitung und Durchführung der Kommunalwahlen verantwortlich sind.

Wahlen sind in einer Demokratie das wichtigste Mitwirkungsrecht. Das Wahlrecht ist ein äußerst sensibles Rechtsgebiet. Bei der Vorbereitung und Durchführung einer Wahl dürfen hinsichtlich ihrer rechtmäßigen Abwicklung keine Zweifel aufkommen. Da die Wahlen zu den kommunalen Vertretungen nur alle fünf Jahre und die Direktwahlen nur alle acht Jahre zu organisieren sind, sind klare und verständliche Vorgaben besonders bedeutsam. Nur so können Wahlfehler vermieden werden, die das Vertrauen der Wählerschaft in die demokratische Legitimation der gewählten Mandatsträger mindern.

Zur Verbesserung der Rechtssicherheit werden z. B. die Vorschriften für die Durchführung der Direktwahlen in einem eigenen Abschnitt des Kommunalwahlgesetzes zusammengefasst; denn diese Wahlen können in der Regel nicht mehr mit den Vertretungswahlen zusammen durchgeführt wer

den, da die Amtszeit der Hauptverwaltungsbeamten derzeit acht Jahre beträgt. Zukünftig werden die Regionswahl, die Stadtbezirks- und Ortsratswahl sowie die Wahlen zu den Einwohnervertretungen in den gemeindefreien Bezirken eigenständig im Gesetz geregelt, sodass jeder Anwender auf den ersten Blick die zu beachtenden Regelungen für diese Wahlen erkennen kann.

Des Weiteren nimmt der Gesetzentwurf im Interesse der Wahlorganisation Forderungen der Praxis zugunsten einer Entzerrung von Terminen auf, um den wahltechnischen Ablauf zu verbessern. Eine wichtige Regelung des Gesetzentwurfs ist die Vorverlegung der Termine für den Erlass der Wahlbekanntmachung, das Ende der Einreichungsfrist für Wahlvorschläge und das Fristende für die Zulassung von Wahlvorschlägen.

Diese Veränderungen werden von der kommunalen Seite besonders begrüßt. Zukünftig soll die Wahlbekanntmachung spätestens am 120. Tag statt bisher bereits am 64. Tag vor der Wahl erfolgen. Somit bleibt den Wahlvorschlagsträgern mehr Zeit für die Aufstellung ihrer Wahlvorschläge oder für die Beseitigung von Mängeln in ihren Wahlvorschlägen. Die Wahlleitungen erhalten einen größeren zeitlichen Spielraum für die gesetzlich vorgeschriebene Vorprüfung der Wahlvorschläge.

Letzten Endes kommt die Vorverlegung auch den Wahlberechtigten zugute. Die zeitliche Zulassung der Wahlvorschläge lässt einen frühen Stimmzetteldruck zu. Die Briefwahlunterlagen können den Wahlberechtigten früher zur Verfügung gestellt werden.

Beabsichtigt ist auch eine Harmonisierung mit anderen Wahlen. Zukünftig soll bei Kommunalwahlen wie bei Landtagswahlen der Einsatz von Wahlgeräten für die Stimmabgabe und Stimmzählung zulässig sein. Dies kann die Arbeit erheblich erleichtern. Dies gilt vor allem für die vielen Wahlberechtigten, die ehrenamtlich in Wahlvorständen mitarbeiten. Insbesondere kann der Einsatz der elektronischen Wahlgeräte den Wahlvorständen die umfängliche Auszählung bei den Kommunalwahlen abnehmen.

Eine wesentliche Änderung betrifft direkt die Wahlberechtigten. Nach der geltenden Rechtslage konnten Personen, die bei einer Direktwahl erst für die Stichwahl die Wahlberechtigung erhalten hatten, weil z. B. ihr Geburtstag zwischen den beiden Wahltagen lag, nur an der Stichwahl teilnehmen,

wenn sie zuvor einen selbstständigen Wahlschein beantragt hatten. Mit dem Gesetzentwurf soll es diesem Personenkreis ermöglicht werden, auch ohne die Beantragung eines Wahlscheins an der Wahl teilzunehmen. Sie werden zukünftig von Amts wegen in das Wahlverzeichnis eingetragen.

Ein weiterer wesentlicher Punkt des Gesetzentwurfes ist die Rückkehr zum modifizierten Proportionalverfahren Hare-Niemeyer, nach dem zukünftig die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber erfolgen soll.

Meine Damen und Herren, die vorgeschlagenen Änderungen sollen bereits für die allgemeine Kommunalwahl am 10. September 2006 gelten. Ich erhoffe mir eine zügige Beratung des Gesetzentwurfes, da die Parteien, Wählergruppen und die Wahlorganisationen eine ausreichende Vorlaufzeit zur Vorbereitung der Kommunalwahl benötigen. Insofern hoffe ich, dass wir diesen Gesetzentwurf im Parlament zügig beschließen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Kollegin Wörmer-Zimmermann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Minister hat sehr viele Punkte vorgetragen. Der Gesetzentwurf - dies kann ich sagen - enthält eine Reihe von Änderungen, die wir nicht beanstanden. Ich will sie nicht aufzählen; der Minister hat es schon getan.

Hervorheben möchte ich, dass unsere besondere Zustimmung die Zulassung von Wahlgeräten für die Stimmabgabe und Stimmauszählung findet. Die Kommunen können frei entscheiden, ob sie diese Geräte anschaffen wollen. Wir alle wissen, dass es immer schwerer wird, ehrenamtliche Wahlhelferinnen und Wahlhelfer zu finden, die am Wahlsonntag in den Lokalen sitzen und ab 18 Uhr die Stimmen auszählen müssen. Das Wahlergebnis wird auch schneller ermittelt; das ist alles sehr positiv.

Allerdings, meine Damen und Herren, will die Landesregierung die Kommunen bei den hierfür an

fallenden Kosten wieder einmal im Regen stehen lassen. Das finden wir nicht in Ordnung.

(Zustimmung von Heiner Bartling [SPD])

Der Anschaffungspreis für ein Wahlgerät liegt zurzeit bei rund 4 700 Euro. Das bedeutet bei einem flächendeckenden Einsatz von Wahlgeräten bei ca. 8 400 Wahlbezirken rund 39,5 Millionen Euro. Da diese Geräte auch für die Durchführung vom Bundestags-, Europa- und Landtagswahlen genutzt werden, sollte die Landesregierung, Herr Minister Schünemann, doch noch einmal darüber nachdenken, ob sie sich nicht doch - wie auch von den kommunalen Spitzenverbänden gefordert - an den Kosten beteiligt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, so weit, so gut. Der Hauptpunkt der Gesetzesänderung aber findet nicht unsere Zustimmung. Das haben Sie sich sicherlich auch schon gedacht. Sie wollen, dass die Verteilung der Sitze künftig nach dem System Hare-Niemeyer vorgenommen wird, und damit das bisher geltende d'Hondt'sche Höchstzahlverfahren abschaffen.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN - Jörg Bode [FDP]: Das ist doch in Ordnung!)

Wie wir alle wissen, wirkt sich dieses Verfahren außerordentlich günstig für die kleineren Parteien aus. Es wird Sie nicht verwundern, Herr Bode, dass wir als große Partei diese Verschlechterung unserer Position nicht mittragen werden.

(Roland Riese [FDP]: Aber Ratzek!)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der CDUFraktion, Sie sind jetzt ganz still; denn wir wissen natürlich, dass auch Sie hier nur zähneknirschend zustimmen. Sie haben es Ihrem Koalitionspartner, der FDP, versprochen. Nun müssen Sie da durch. Das wird Ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde in den Kommunen sicherlich nicht freuen. Welche gravierenden Verschlechterungen damit für die großen Parteien allein bei der Ausschussbesetzung verbunden sind, hat die FDP in der Region Hannover ja bereits aufgezeigt. Sie erinnern sich da an einiges.

Meine Damen und Herren, heute ist die erste Beratung. Ich will es kurz machen. Wir werden noch ausführlich im Ausschuss darüber debattieren.

Aber ich kann heute schon für die SPD-Fraktion deutlich sagen, dass wir der Änderung des Kommunalwahlgesetzes nicht zustimmen werden, weil wir - im Gegensatz zu Ihnen - der Meinung sind, dass sich das d'Hondt'sche Verfahren bewährt hat, und für uns keine Veranlassung besteht, es abzuschaffen.

(Beifall bei der SPD - Roland Riese [FDP]: Ich erzähle Ihnen einmal, wie es in Emden läuft!)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Meihsies, bitte!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schünemann hat gerade gesprochen. Sie haben es vielleicht nicht gehört: Jetzt bekommen wir das erste Mal Lob. Vielleicht kommt am Ende der Rede ein kleines Lob von uns.

Meine Damen und Herren, die Kollegin WörmerZimmermann hat heute ein sehr interessantes Demokratieverständnis zum Besten gegeben.

(Roland Riese [FDP]: So ist es!)

Dieses Demokratieverständnis haben wir als Grüne jedenfalls nicht. Wir haben vor der Konkurrenz auch kleiner Parteien in Kommunalparlamenten keine Angst. Wir wünschen uns einen Pluralismus auch in der Parteienlandschaft, der eine Meinungsvielfalt darstellt, die Parlamenten, insbesondere Kommunalparlamenten, gut tut. Das ist mit diesem Gesetzentwurf realisiert worden. Daher hat die FDP-Fraktion hier ein gutes Werk getan. Mit der Einführung des Hare-Niemeyer-Verfahrens, Herr Bode - jetzt darf ich auch Sie einmal loben -, werden die Kommunalparlamente wieder belebt. Was wir als Grüne nicht so gut finden, ist, dass dieses Verfahren immer davon abhängt, wer mit wem eine Koalition eingeht. Wir sollten uns um eine Kontinuität bemühen - für die Rechtssprechung, für die Kommunalparlamente und für die bei der Wahl antretenden Parteien -, damit dieses Hin und Her - mal rein in die Kartoffeln und mal wieder raus aus den Kartoffeln - nicht ständig stattfindet. Wir als Parteien sollten uns darauf verständigen, die Gesetze auf diesem Stand der Dinge - HareNiemeyer - zu belassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Schünemann, ich gieße ein bisschen Wasser in den Wein: Bei den Beratungen im Ausschuss werden wir zum einen das Thema „Pluralismus“ auf die Tagesordnung setzen. Sie wollen im § 21 - Sie wollen dort die Wahlvorschlagsverbindungen untersagen - im Gegensatz zu dem, was Sie, Herr Bode, wollen, nämlich Vielfalt in die Parlamente zu bringen und kleine Fraktionen und kleine Wählergemeinschaften zu stärken, uns Große - je nach dem, wie groß wir in den Kommunen sind - stützen; das ist eine Art von „Lex große Parteien“. Ich bitte darauf zu achten, dass Sie das mit Ihrer Regierungsbeteiligung korrigieren. Diese Regelung ginge zulasten der Kleinen, was Sie mit dem HareNiemeyer-Verfahren eigentlich ausschließen wollen. Da gibt es für uns einen Nachregelungsbedarf.

Zum anderen der § 24. Er verfehlt das Prinzip einer zeitnahen Nominierung, meine Damen und Herren. Die Kandidatinnen und Kandidaten für die Kommunalwahlen können nach dieser Regelung bis zu eindreiviertel Jahre vorher nominiert werden. Wir sind der Meinung, dass es besser wäre, die Nominierung nahe an die Kommunalwahl heranzubringen. Eindreiviertel Jahre - nach unseren Berechnungen - sind zu weit vom Wahltermin entfernt.

Abschließend, Frau Präsidentin: Der § 30 b regelt die Einführung von Wahlgeräten in den Kommunen. Wir haben es gerade von der Kollegin Wörmer-Zimmermann gehört: Ich glaube, dass man diese Wahlgeräte nicht nur für die Kommunalwahlen anschaffen sollte, sondern dass sie auch für Landtags- und Bundestagswahlen funktionsfähig sein sollten, aber auch für Bürgerbefragungen. Das ist uns wichtig. Wir sollten mit den Kommunen vielleicht über eine Vereinbarung zur Kostenbeteiligung - Stichwort „Konnexität“ - reden.

In dem Sinne, kurz und knapp: Wir sehen noch einen Nachdiskussionsbedarf in den Ausschussberatungen. Aber von der Tendenz her gibt es in diesem Falle ein kleines Lob für den Innenminister. Danke sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hiebing, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass die Kommunalwahlen zu den wichtigsten Wahlen gehören. Die kommunale Ebene ist die Ebene, auf der die Bürgerinnen und Bürger dem Staat unmittelbar gegenüberstehen. Es gehört zu den Prinzipien eines Rechtsstaates, dass die Bevölkerung eine Vertretung hat, die aus Wahlen hervorgeht.

Weil die Kommunalwahl für die Demokratie in der Kommune so wichtig ist, sollte der Gesetzgeber - hier der Landtag - dafür Regelungen und Vorschriften erlassen, die Rechtssicherheit, Klarheit und Verständlichkeit schaffen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von dieser gesetzlichen Regelung sind erstens die Parteien - aber auch Wählergruppen und Einzelbewerberinnen und -bewerber - und zweitens die amtlichen Wahlleiter und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen.