Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die gestellten Fragen wie folgt:

Zu 1: Die Studienbeiträge sollen zum Wintersemester 2006/2007 erstmals erhoben werden. Ich will auf die konkrete Frage insoweit antworten, was den Vertrauensschutz anbelangt: Jawohl, es ist richtig, dass uns Rechtsexperten sagen, aber auch bereits höchstrichterliche Rechtsprechung zum Gebührenrecht dazu existiert, dass wegen der unechten Rückwirkung - wie dies Juristen nennen wir etwa ein Jahr - rund 14 Monate - brauchen, um die Studierenden, die sich im System befinden, auf die Einführung vorzubereiten, weil sie den Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen können. Sie haben ihr Studium in dem Bewusstsein begonnen, dass es keine Studienbeiträge gibt. Jetzt führen wir sie ein. Deshalb sagt die Rechtsprechung und sagen Rechtsexperten: Es muss gut ein Jahr zwischen dem Gesetzesbeschluss und der Einführung liegen, um dem Vertrauensschutz Rechnung zu tragen. Das bedeutet: Wir werden im Wintersemester 2006/2007, wenn der Landtag die entsprechenden Entscheidungen trifft - unter diesen Vorbehalt muss ich das alles stellen -, mit den Studienanfängern beginnen können. Diejenigen, die sich im System befinden, werden mit dem Sommersemester 2007 Studienbeiträge zahlen müssen. Die entsprechende gesetzliche Regelung wird dem Kabinett in Kürze vorgelegt. Einem Kabinettsbeschluss kann ich verständlicherweise nicht vorgreifen und somit auch hier nicht weiter ins Detail gehen.

Ich kann Ihnen versichern, meine Damen und Herren, dass wir die Vertrauensschutzfrist und auch andere rechtliche Fragestellungen, wie beispiels

weise die Obergrenze von 500 Euro, angemessen berücksichtigen.

Ich wiederhole hier ein weiteres Mal: Sorgfalt geht mir vor Geschwindigkeit.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden keinerlei juristische Risiken eingehen, sondern werden einen Gesetzentwurf vorlegen, der allen juristischen Unwägbarkeiten Rechnung trägt.

Zu 2: Die B-Länder haben im März 2005 ein gemeinsames Eckpunktepapier zur Einführung von sozialverträglichen Studienbeiträgen beschlossen. Ich habe dieses Eckpunktepapier gestern bereits erwähnt, weil hier erneut die Unwahrheit behauptet wurde, in diesem Papier seien die BAföG-Empfänger ausgenommen. Dies ist nicht wahr. Ich weiß das, weil ich das Eckpunktepapier mitformuliert habe.

(Beifall bei der CDU)

In diesem Eckpunktepapier halten wir uns ebenso wie die Kollegen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen an die beschlossenen Eckpunkte. Wir gehen in Niedersachsen zum Teil, was die soziale Komponente anbelangt, sogar noch weiter als andere Länder. Die Eckpunkte beschreiben einen Rahmen.

Zu 3: Einnahmen aus Studienbeiträgen werden vollständig zur Verbesserung der Studienbedingungen verwendet. Zur Speisung des in Niedersachsen ebenfalls vorgesehenen Ausgleichsfonds der Hochschulen können zurzeit nur Vermutungen angestellt werden. Es wird angenommen, meine Damen und Herren, dass etwa 30 % der Studierenden Studiendarlehen nachfragen werden und dass etwa 20 % von diesen 30 % der Studierenden - das ist der schlechteste Fall, der eintreten kann - nicht zurückzahlen können, in diesen Fällen also diese Kredite notleidend sind. Somit wird mit einem Ausfall von ca. 6 % der Studienbeiträge gerechnet, der über den Ausgleichsfonds abgesichert werden muss. Ob dies aber bedeutet, dass tatsächlich ein Betrag in Höhe von 6 % der Studienbeiträge abzuführen ist, ist eine ganz andere Frage. Das ist eine Frage, die etwas mit Mathematik zu tun hat. Sie wissen, dass ein solcher Fonds auch Zinserträge abwirft, die verwendet werden können, um den Ausfall zu finanzieren, sodass ich davon ausgehe, dass es ein Betrag von weit weniger als 6 % der Studienbeiträge sein wird, der die

sem Ausgleichsfonds zugeführt werden muss. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Abgeordneten Wulf (Oldenburg) zu einer ersten Zusatzfrage das Wort erteile, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest. - Herr Wulf!

Sie, Herr Minister Stratmann, haben gerade ausgeführt, dass Sie damit rechnen, dass für die Studierenden rückwirkend für zwölf bis 14 Monate ein Vertrauensschutz gelten müsse, damit sie sich auf diese neuen Bedingungen einstellen können. Sie haben aber auch ausgeführt, dass Sie damit rechneten, dieses Gesetz im Wintersemester 2006/2007 zu realisieren. Sie haben noch nicht einmal einen Gesetzentwurf - -

Herr Wulf, ich bitte Sie, zu fragen. Sie haben jetzt schon zwei Sätze gehabt, mit denen sie die Frage einleiten konnten. Das ist schon mehr, als die Geschäftsordnung zulässt. Fragen Sie bitte!

Herr Präsident, ich versuche es. Danke schön. Sie haben gerade ausgeführt, dass Sie für das Wintersemester 2006/2007 damit rechnen, dass dies gelten solle.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Ich frage Sie: Wie wollen Sie denn diesen Vertrauensschutz rückwirkend für zwölf bis 14 Monate gewährleisten, wenn Sie bis jetzt noch keinen Gesetzentwurf eingebracht haben? Wenn ich mich nicht irre, dann haben wir jetzt Oktober. In zwölf Monaten haben wir Oktober 2006.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung und Lachen bei der CDU und bei der FDP - Dr. Harald Noack [CDU]: Das ist richtig! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Bei „Oktober“ hat er sich nicht geirrt!)

Herr Minister Stratmann!

Ich stelle immer wieder fest, dass das Thema Studienbeiträge ein sehr komplexes Thema ist.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das setzt voraus - ich formuliere es einmal etwas moderat -, dass man sehr genau zuhört.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist aber nicht deren Stärke!)

Wenn Sie, lieber Kollege Wulf, sehr genau zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass ich gesagt habe, dass der Vertrauensschutz nicht für diejenigen gilt, die sich immatrikulieren, also für Studienanfänger. Für Studienanfänger, die sich zum Semester 2006/2007 - also von heute an gerechnet etwa in einem Jahr - eintragen, gilt dieser Vertrauensschutz nicht. Das heißt, für diejenigen gilt die Jahresfrist nicht. Im Übrigen kann ich Ihnen versichern, dass diese Regierungskoalition und diese Landesregierung wie auch in den letzten zweieinhalb Jahren sehr sorgfältig, aber auch sehr schnell ihre Gesetze beraten und beschließen, sodass ich mir wegen derjenigen, die sich im System befinden, überhaupt keine Sorgen mache.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Dr. Andretta.

Herr Minister, ich habe vor dem Hintergrund Ihrer heutigen Darstellung eine Frage zu den Auswirkungen auf den Zukunftsvertrag, der am Dienstag unterschrieben werden soll. Im Zukunftsvertrag soll den Hochschulen garantiert werden, dass ihnen die Studiengebühren im vollen Umfange zur Verfügung stehen, und zwar ab dem Wintersemester 2006/2007. Sie haben ausgeführt, dass das verschoben werden wird. Das bedeutet Ausfälle in Millionenhöhe für die Hochschulen. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, soll gleichzeitig der Ausgleichsfonds von den Hochschulen aus den Studiengebühren gespeist werden.

(Zurufe von der CDU: Frage!)

Ich frage Sie: Kann unter diesen Bedingungen, weil die Hochschulen von völlig anderen Voraussetzungen ausgehen müssen, der Zukunftsvertrag überhaupt unterzeichnet werden?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir drei sitzen hier oben.

(Heiterkeit und Zustimmung bei allen Fraktionen)

Wir leiten die Sitzung hier. Sie brauchen nicht „Frage“ dazwischenzurufen. Wir werden darauf achten. Ich sage es Ihnen jetzt noch einmal: Die Fraktionen sind übereingekommen, dass es so streng, wie es in der Geschäftsordnung steht und wie ich in dem vorigen Plenarsitzungsabschnitt die Sitzung geleitet habe, nicht gehandhabt werden soll. Ich bitte aber alle darum, höchstens zwei Sätze, sofern man sie braucht, zur Erklärung vorauszuschicken und mehr nicht. Die Landesregierung bitte ich, so, wie es in der Geschäftsordnung steht, kurz und knapp zu antworten und auch Wertungen gegenüber Abgeordneten zu unterlassen. - Herr Minister Stratmann für die Landesregierung!

Liebe Frau Kollegin Dr. Andretta, erlauben Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Ich habe fast geahnt, dass dieser Vorwurf erhoben wird.

(Ah! bei der SPD)

Dieser Vorwurf macht zugleich deutlich, auf welchem Niveau Sie die Debatte über Studienbeiträge führen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben uns soeben vorgeworfen, wir würden sozusagen durch rechtliche, juristische Sorgfalt und die Unterteilung zwischen denjenigen, die sich erst noch einschreiben, und denjenigen, die bereits im System sind, dazu beitragen, dass die Hochschulen Einnahmeverluste in Millionenhöhe hätten.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Sie ha- ben es den Hochschulen doch ver- sprochen!)

Meine Damen und Herren, Sie lehnen Studienbeiträge und damit die Möglichkeit ab, dass sich die Hochschulen weiterer Finanzierungsquellen bedienen, und hier werfen Sie uns vor, dass wir durch juristisch sauberes Arbeiten den Hochschulen einige Millionen an Einnahmen nicht frühzeitig genug zukommen lassen. Das, was Sie hier betreiben, ist doch in jedem Falle heuchlerisch!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage es noch einmal.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Sie ha- ben doch den Zukunftsvertrag ge- schrieben! - Unruhe - Glocke des Prä- sidenten)

Herr Minister, Augenblick einmal! - Meine Damen und Herren, gestern war es vorbildlich, heute soll es vorbildlich sein und morgen und in Zukunft auch. Seien Sie ein bisschen ruhiger! Zwischenrufe würzen die Debatte, aber seien Sie ein bisschen ruhiger! - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Dieser Zukunftsvertrag hat vor allem eine Funktion.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja unver- schämt!)

- Ich weiß nicht, was daran unverschämt ist. Wenn man hier noch nicht einmal mehr den Sachverhalt zutreffend schildern darf, ohne dass einem zugerufen wird, dass man sich unverschämt verhalte, dann frage ich mich, was das für ein Niveau ist, auf dem wir hier miteinander reden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das Thema Studienbeiträge ist für die Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft unserer Hochschulen von so existenzieller Bedeutung - darum sind alle ernst zu nehmenden Experten dafür -, dass wir hier in aller Ruhe und Sorgfalt darüber diskutieren sollten. Das ist wirklich nichts, was ich mal so eben en passant - nebenbei - erledige. Dies ist ein unglaublich wichtiges Projekt, und deshalb versuchen wir, es mit aller Sorgfalt zu betreiben;