Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Hermann hat einen wichtigen Hinweis gegeben: Wenn ein komplexes Vorhaben wie der Neubau eines Kernkraftwerks, das man ja ablehnen oder befürworten kann, in Finnland innerhalb von zwei Jahren planungstechnisch verwirklicht wird, wir aber bei Großvorhaben mindestens zehn Jahre für die Planung brauchen, dann ist das nicht in Ordnung, dann bedeutet das eine Gefährdung von Arbeitsplätzen durch Planungsrecht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es geht heute nicht mehr darum, für irgendetwas Subventionen bereitzustellen, sondern es geht darum, uns so aufzustellen, dass wir die Probleme in unserer Gesellschaft schneller bewältigen. Das ist die eigentliche Aufgabe in diesem Zusammenhang.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dann sind die Dinge berechenbar, meine Damen und Herren, und dann haben die Bürger auch wieder Vertrauen in bestimmte Konzepte von Parteien. Wenn das, was wir uns vorgenommen haben,

auch innerhalb einer Legislaturperiode umgesetzt werden kann, dann hat es Sinn, wieder alternativ darüber zu streiten, ob dieser Ansatz oder jener Ansatz richtig ist, wenn in diesem gesamten Zusammenhang überhaupt eine Chance auf Umsetzung besteht.

Deswegen begrüßt die Landesregierung, was jetzt in Berlin vereinbart worden ist. Wir begrüßen die hessische Initiative, die auf eine Vorarbeit des früheren Hessischen Wirtschaftsministers Posch zurückgeht, und wir wollen als Niedersächsische Landesregierung - ich werde das jedenfalls vorschlagen, und der Ministerpräsident unterstützt das - die hessische Initiative im Bundesrat mit unterstützen. Dann kommen wir ein ganzes Stück weiter, meine Damen und Herren. Wir müssen Zeit gewinnen. Schnelles Recht in diesem Zusammenhang ist Recht für die Bürger und ist eine Chance auf mehr Arbeitsplätze in unserem Land. Das ist doch etwas, was wir für unsere Zukunft gemeinsam wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU) : Sehr gut!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt 2 a) ist damit beendet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2 b):

Immer neue Fleischskandale in Niedersachsen - Land versagt beim Verbraucherschutz - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2337

Das Wort hat Frau Kollegin Stief-Kreihe. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Irgendwas stinkt doch hier“ - so lautete eine Überschrift im Tagesspiegel vom 5. November. Irgendwas stinkt doch hier, und zwar nicht nur das vergammelte Fleisch, das man in einem Betrieb in Lastrup bei Cloppenburg gefunden hat. Irgendetwas stinkt doch hier, wenn das Ministerium seit einer Woche sprechunfähig ist und damit zur Verunsicherung der Verbraucher beiträgt.

(Beifall bei der SPD)

Die Verbraucher verlieren langsam aber sicher das Vertrauen in unser Kontrollsystem. Damit schaden Sie insbesondere den wirtschaftlichen Interessen in einem Agrarland wie Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD)

Es stinkt doch auch hier, wenn der Pressesprecher des Ministeriums in einer Pressemeldung sagt, dass die zuständigen Überwachungsbehörden korrekt gehandelt hätten. Ich empfinde das fast Hohn; denn nicht durch die Überwachungsbehörden ist das vergammelte Fleisch gefunden worden, sondern durch eine Mitarbeiterin des Betriebes, die sich nach Wochen oder Monaten endlich zur Polizei getraut hat, um Meldung zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Die erste untersuchte Probe aus dem Betrieb sei schon vom Geruch her durchgefallen, sagt eine LAVES-Sprecherin. Das reiche zur Beanstandung, ohne dass man weiter untersuchen müsse. Und was sagt der Pressesprecher des Ministeriums? Es könnte ja sein, dass ausgerechnet diese Probe aus einem Abfallcontainer stammt. - So trägt man zur Aufklärung des Vorfalls bei; so beruhigt man Verbraucher.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Unerhört!)

Es ist auch sehr fragwürdig, wenn jemand einen Tag, nachdem dieser Skandal aufgeflogen ist, erklärt, dass die Kontrollen in Ordnung waren. Woher weiß man das eigentlich, wenn man seit einer Woche kein einziges Wort zu irgendwelchen Untersuchungsergebnissen sagt? Da gibt es dubiose Pressemitteilungen über den Zerlegebetrieb. Es gibt zwei Betriebsstandorte, zum einen in Lindern, zum anderen in Lastrup. Der Betrieb in Lastrup hat für die Produktion gar keine Genehmigung mehr, sondern nur für Lager und Handel. An beiden Betriebsstandorten sollen Kontrolleure gewesen sein, aber niemand hat etwas gemerkt. Sind denn die Kontrolleure und Veterinäre des Landkreises Cloppenburg so leicht hinters Licht zu führen? Das wirft doch wirklich einen Schatten auf unser Kontrollsystem.

(Zustimmung bei der SPD)

Noch merkwürdiger wird der Fall, wenn wir erfahren, dass die NGG schon vor Monaten einem Veterinär des Landkreises Cloppenburg gemeldet hat, dass in dem Betrieb irgendetwas nicht stimmt. Leider Gottes ist es ja immer noch so - das ist

eines unserer Hauptprobleme -, dass sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieser Betriebe nicht zur Polizei trauen, weil sie Angst um ihren Arbeitsplatz haben, weil sie genau wissen, dass ihr Name nicht geheim bleibt, sondern dass der Betrieb innerhalb kürzester Zeit erfährt, wer geplaudert hat.

Meine Damen und Herren, es gibt viele offene Fragen, da wir unsere Informationen bisher lediglich aus der Presse erhalten haben. Auch das ist ein Skandal. Die Verbraucher wollen endlich wissen: Wie waren die Lieferwege? Welche Produkte sind betroffen? Welche Produkte dürfen sie nicht mehr kaufen? Wird eine Rückholaktion durchgeführt? Liegt eine Gesundheitsgefährdung vor? Zu all dem schweigt das Ministerium, obwohl laut Bericht des LAVES seit Montag bekannt ist, dass von den 20 Proben sieben eindeutig verdorben waren und bei vier Proben die Qualität des Fleisches fraglich gewesen sei. Neun Proben, also noch nicht einmal 50 % der Proben, waren in Ordnung. Gestern kamen die ersten Rückmeldungen aus den Bundesländern. Hagen meldete: Von fünf Proben sind drei verdorben, es wurde eine hohe Anzahl von Keimen gefunden. Wann endlich wollen Sie den Verbrauchern sagen, wie es in puncto Gesundheitsgefährdung mit diesem vergammelten Fleisch aussieht? Wann wollen Sie endlich handeln?

Außerdem müssen wir, meine Damen und Herren, dringend eine Antwort auf die Frage finden, wie unser Kontrollsystem zukünftig ausgestaltet werden soll. Ist es in einer Gemengelage, wo es um Arbeitsplätze und um Gewerbesteuer geht, richtig, die Kontrollfunktion bei den Landkreisen anzusiedeln? Auch über diese Fragen muss hier intensiv diskutiert werden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Das Wort hat der Kollege Biestmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Stief-Kreihe, die SPDFraktion - und Sie besonders - ist leider der Versuchung erlegen, aus einem sehr sensiblen Thema politisch Kapital schlagen zu wollen und es in Ihrem Sinne politisch zu instrumentalisieren.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich dachte, wir wollten hier eine andere Debattenkultur einführen.

(Werner Buß [SPD]: Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst! Aber nicht so was! Das ist doch nicht zu fassen!)

Diese Fragen sind viel zu sensibel, als dass wir sie durch oberflächliche Presseerklärungen und Nachrichten austragen sollten. Wir müssen uns schon sehr eng mit den vorliegenden Daten und Fakten auseinandersetzen.

Wir haben den Landesbehörden und der Landesregierung keinen Vorwurf zu machen, durch irgendein Fehlverhalten aufgefallen zu sein.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist aber ein großes Problem!)

Der Titel des Antrages stimmt demnach nicht. Die Landesregierung schweigt nicht, sondern die Landesregierung analysiert sorgfältig. Der Landkreis Cloppenburg, das LAVES, die Polizei, die zuständige Staatsanwaltschaft und das Verbraucherministerium haben schnell und umsichtig gehandelt. Flächendeckende und unangekündigte Kontrollen - Frau Stief-Kreihe, das haben Sie offenbar nicht gewusst - sind in Niedersachsen längst gängige Praxis; das gilt auch für die Zeit vor dem Bekanntwerden des Skandals. Weder der Landkreis Cloppenburg, der diesen Betrieb in engsten Intervallen überprüft hat, noch irgendeine andere Stelle haben sich vorzuwerfen, nicht ausreichend überprüft zu haben.

Wir haben EU-weite Regelungen und damit die gleichen Rechtsgrundlagen anzuwenden, meine Damen und Herren. Daher zieht auch nicht der Vorwurf, die Gesetze seien zu lasch. Hier muss die Beweislage eindeutig hergestellt werden. Für die CDU ist klar, dass Unternehmern oder Mitarbeitern, die bewusst, fahrlässig und vorsätzlich zum Zwecke der Gewinnmaximierung oder, wie in diesem Fall, um den Betrieb zu retten die Gesundheit der Verbraucher aufs Spiel setzen, schnellstmöglich das Handwerk gelegt werden muss.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Unternehmerisch verantwortliche Menschen, die Lebensmittel und die Lebensmittelsicherheit als beliebig handhabbare Masse sehen, müssen auf Dauer Berufsverbot bekommen, und ihre Betriebe müssen auf Dauer geschlossen werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Die Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass die Politik, unterstützt von der Fachebene und von der Wissenschaft, alles tut, um unsere Lebensmittel sicher und gesund zu halten. Es schreit zum Himmel, dass nach jeder Lebensmittelkrise das so wichtige Vertrauen zwischen Verbrauchern und Erzeugern, zwischen Verbrauchern und lebensmittelverarbeitenden Betrieben, aber auch das Vertrauen in die staatlichen Kontroll- und Aufsichtsbehörden Schaden leidet.

Das oberste Gebot in Niedersachsen bleibt die Qualität und die Sicherheit der Lebensmittel. Aus diesem Grunde haben wir trotz der Agrarverwaltungsreform dem LAVES, dem Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - dieser Hinweis für diejenigen, die die Abkürzung nicht kennen; wir wollen ja auch für die Zuhörer verständlich sein -, eine herausgehobene Position gegeben. Nach der BSE-Krise im Jahr 2000 - Frau Stief-Kreihe, vielleicht können Sie sich daran erinnern - haben wir uns hier gemeinsam für die Einrichtung dieses LAVES ausgesprochen. Ihre Regierung hat sich damals dafür eingesetzt, dieses Amt einzurichten und die Aufgaben dort zu bündeln, und wir haben das als die richtige Antwort auf eine gefährliche Lebensmittelkrise unterstützt.

Wir haben zum 1. Januar 2005 im Rahmen der Verwaltungsreform dem LAVES zusätzliche vielfältige Zuständigkeiten im Veterinär- und Lebensmittelbereich zugestanden. Wir haben alle Angelegenheiten des gesundheitlichen Verbraucherschutzes im LAVES koordiniert und gebündelt. Wir haben Vollzugs-, Überwachungs- und Untersuchungsaufgaben in einem Landesamt gebündelt. Erstmals ist eine risikoorientierte lückenlose Überwachung vom Stall bis auf den Tisch möglich. Das LAVES hat in seiner jetzigen Konstruktion Vorbildcharakter für andere Bundesländer. Diese besondere Aktivität Niedersachsens als Reaktion auf die Lebensmittelkrisen muss man einmal deutlich herausstellen.

Es ist unverantwortlich, wie diese Diskussion von Ihnen geführt wird, Frau Stief-Kreihe.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Sie sagen doch gar nichts! Sie können nicht nach dem Motto verfahren: Jetzt sind Sie in der Regierung, deshalb ist das jetzt Ihre Krise. - Ich denke, wir müssen in diesen Fragen gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um das Vertrauen in unsere Lebensmittel zu stärken. Dabei sollten wir auch die Erfahrungen aus Berlin berücksichtigen. Wir sollten gegenüber dem Verbraucher das Gefühl erzeugen, dass er sich auf die Nahrungsmittel verlassen kann. (Karin Stief-Kreihe [SPD]: Dann sagen Sie mal etwas zu diesem Fall!)

Die Zeiten, in denen Erzeuger gegen Verbraucher ausgespielt worden sind, müssen vorbei sein. Ich will auch sagen, dass sehr viele mittelständische Unternehmen im lebensmittelverarbeitenden Bereich korrekte Arbeit leisten und hervorragende Qualität liefern.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir dürfen in diesem Bereich nicht einfach pauschalieren. Fleisch ist ein hochwertiges Qualitätsprodukt, aber Fleischprodukte sind in vielen großen Lebensmittelmärkten zur Ramschware verkommen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Ich war schon sehr großzügig.

Mein letzter Satz: Fleisch wird dort als Billigware angeboten. Fleischqualität hat aber ihren Preis. Hier muss sicherlich eine Bewusstseinsänderung erfolgen. Wir müssen den Billigmachern und dem Schachern das Handwerk legen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)