Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort hat jetzt der Kollege Klein.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fleischmafia hat wieder zugeschlagen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Zu- rufe von der CDU)

- Ich höre Ihr Gemurmel, aber ich will gleich den Wahrheitsbeweis antreten. Ich glaube, dass man diese Begrifflichkeit verwenden kann. Ich verweise

auf die Häufung der Fälle. Ich verweise darauf, dass es offensichtlich ein Bereich ist, in dem man mit relativ wenig Risiko relativ hohen Gewinn machen kann. Ich verweise darauf, dass diese Dinge eigentlich nur erklärbar sind mit einem sehr hohen Maß an krimineller Energie, damit, dass viele mitmachen, dass wahrscheinlich ebenso viele wegschauen, dass aber alle schweigen. Das genau sind die Kennzeichen von organisierter Kriminalität, und deswegen werde ich diesen Begriff auch weiter in diesem Bereich gebrauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde, dass wir auch über entsprechende Maßnahmen nachdenken sollten. Das sollte z. B. von einer SOKO Fleisch über Spezialisten bei den Staatsanwaltschaften bis hin zu verdeckten Ermittlern in diesen Betrieben reichen, damit diesen Menschen endlich das Handwerk gelegt werden kann.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Auch die Landesregierung, meine Damen und Herren, hat viele Fragen zu beantworten. Im Mittelpunkt dieser Fragen steht das Thema Kontrolle. Dabei geht es zum einen um die Quantität. Wir müssen die Vorwürfe des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure prüfen, ob bei den Kommunen tatsächlich eine Fehlausstattung zu verzeichnen ist. Wir haben ja Anhaltspunkte dafür, dass bei den Kommunen aufgrund der Finanzknappheit der Hang, Dienst nach Vorschrift zu machen, sicherlich sehr ausgeprägt ist.

Zum anderen geht es - das ist viel wichtiger - aber auch um die Qualität der Kontrolle. Wird eigentlich richtig kontrolliert? Gibt es, Herr Minister, risikoorientierte Kontrollpläne, die Sie nach unten durchsetzen können? Wird öfter mal auch unangekündigt - ich sollte besser sagen: unerwartet - kontrolliert? Wird an der richtigen Stelle kontrolliert? Ist es sinnvoll, die Kontrollen auf die Beobachtung des Schlacht- und Zerlegevorgangs zu konzentrieren? Müssen wir nicht viel stärker die Vertriebswege unter die Lupe nehmen? Müssen wir nicht auch in die Bücher schauen? Müssen wir nicht auch die Mengenflüsse auf Ungereimtheiten hin kontrollieren? Ich spreche auch die vorgeschlagenen Meldepflichten für Beanstandungen an. Auch dies kann ein wirksames Instrument sein, um schwarze und graue Schafe stärker kontrollieren zu können.

Eine weitere Frage ist sicherlich die, ob die Kontrolle strukturell richtig verankert ist. Auch dieser Aspekt ist hier schon angesprochen worden. Die EU fordert bundeseinheitliche Kontrollstandards. Davon sind wir aber noch meilenweit entfernt, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil sich die Länder hier immer wieder quer gestellt haben. Ich glaube aber, dass die Menschen in Deutschland ein Anrecht auf gleichen Schutz haben. Es kann nicht eine Lebensmittelsicherheit auf niedersächsischem Niveau und eine auf bayrischem Niveau geben. Wir müssen an dieser Stelle über einheitliche Regelungen nachdenken.

Herr Minister, Schluss gemacht werden muss endlich mit der blauäugigen Annahme, dass mit der Eigenkontrolle der Wirtschaft in diesem Bereich langfristig staatliche Kontrollen ersetzen werden könnten. Das ist wirklich nicht zu akzeptieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Natürlich muss die Wirtschaft ihre Eigenkontrolle verstärken. Die staatliche Kontrolle vor Ort - ich bin geneigt zu sagen: am Tatort - kann dadurch nicht ersetzt werden.

Von Bedeutung ist in diesem Bereich weiterhin auch die öffentliche Transparenz. Sie verbessert eindeutig die Aufklärungsmöglichkeiten. Sie wirkt aber auch vorbeugend. Wenn Produzenten und Produkte problemlos und schnell erkannt und benannt werden können, wenn Vertriebswege schnell offen gelegt werden können, wenn die Verbraucher das Recht haben, bei Behörden und bei der Fleischwirtschaft selbst Auskunft zu bekommen, dann wird dies sicherlich dazu führen, dass die betreffenden Unternehmen sensibler werden und vermehrt darauf achten, dass sie einwandfreie Ware verarbeiten. Deshalb brauchen wir dringend ein Verbraucherinformationsgesetz, gegen das sich in der Vergangenheit insbesondere die Länder und Schwarz-Gelb immer wieder stark verwahrt haben. Das Ganze ist kein Fall für eine allgemeine Vertrauensduselei, wie wir sie hier eben erlebt haben, oder für das Hohelied von unternehmerischer Verantwortung, sondern hier muss der Staat und auch der Landwirtschaftsminister einmal Zähne zeigen. Legen Sie den Bünnemeyers das Handwerk, Herr Ehlen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Kollege Oetjen, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlass für die heutige Aktuelle Stunde ist alarmierend. Durch kriminelle Machenschaften ist verdorbenes Geflügelfleisch in den Verkehr gebracht, verarbeitet und möglicherweise verkauft worden. Das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage hier aber auch, Herr Kollege Klein: Wenn Sie von „Fleischmafia“ reden, werden damit eine ganze Branche und all diejenigen, die ordentlich nach Recht und Gesetz arbeiten, diskreditiert. Auch das ist nicht akzeptabel.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich füge hinzu: Ich weiß nicht, ob Sie heute Morgen die Frankfurter Rundschau gelesen haben. Der Name Thilo Bode sollte in Grünen-Kreise bekannt sein. Auch Thilo Bode von „Food Watch“ sagt: Von Fleischmafia kann man in diesem Zusammenhang nicht reden.

(Jörg Bode [FDP]: Aha!)

Wer für dieses Verbrechen letztendlich verantwortlich ist, muss die Staatsanwaltschaft ermitteln. Das ist deren Aufgabe. Ob es der Unternehmer aus dem viel zitierten Betrieb in Lastrup oder möglicherweise ein anderer, mit der Entsorgung beauftragter Betrieb ist, wie es das Unternehmen angegeben hat, ist letztendlich zweitrangig. Fakt ist, dass eklatante Fehler bei der Kontrolle und auch im Umgang mit ungenießbarem Fleisch aufgedeckt worden sind und dass diese Fehler schnellstmöglich beseitigt werden müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen alles uns Mögliche unternehmen, damit für den Verbraucher keine Gefahren entstehen und damit solche kriminellen Machenschaften nicht wieder vorkommen. Von daher ist es richtig, dass der besagte Betrieb in Lastrup seit Bekanntwerden der Vorfälle von den Veterinärämtern rund um die Uhr überwacht wird. Meiner Ansicht nach hätte er allerdings sofort geschlossen werden müssen.

(Zustimmung von Uwe Harden [SPD])

Wir sollten allerdings überprüfen - dazu sind wir alle vor Ort als Kommunalpolitiker aufgerufen; denn es handelt es sich dabei nach unserem Recht um eine Landkreisaufgabe -, ob die Landkreise in Zukunft häufiger kontrollieren sollten und in welcher Art und Weise sie diese Kontrollen durchführen sollten. Darüber sollten wird diskutieren; denn das, meine Damen und Herren, sind wir dem Verbraucher schuldig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bin froh darüber, dass in diesem Fall - so jedenfalls scheint es zum jetzigen Zeitpunkt - anders als in Bayern keine mit verdorbenem Fleisch produzierten Waren in den Handel gelangt sind. Es sind zumindest noch keine aufgetaucht. Hier muss aber noch weiter nachgehakt werden. Ich glaube, dass wir uns darüber völlig einig sind. Sollten weitere Fälle bekannt werden, müssen die Namen von Produkt und Hersteller sofort benannt werden. Ich glaube, dass wir uns darüber einig sind. Auch das sind wir dem Verbraucher schuldig.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist ein einfaches und beliebtes Muster, schnell nach schärferen Maßnahmen und weiteren Kontrollen zu rufen. Auch ich bin dafür, alle infrage kommenden Möglichkeiten nicht emotional, sondern sachlich zu diskutieren und gegeneinander abzuwägen. In der Öffentlichkeit jedenfalls bekommt meistens derjenige mit der weitestgehenden Forderung den größten Applaus. Wir sollten aber aufpassen, dass wir auch in Zukunft stets die Verhältnismäßigkeit wahren.

Vor kriminellen Machenschaften, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist kein System gefeit, auch wenn es noch so streng kontrolliert wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Unsere Veterinärämter und das Landesamt für Verbraucherschutz haben schnell gehandelt. Das ist für das Agrarland Nummer eins und insbesondere für eine Region wie Südoldenburg unerlässlich. Den Menschen vorzugaukeln - das tun Sie -, es gebe in irgendeinem Bereich eine absolute Sicherheit oder eine andere Regierung könnte diese absolute Sicherheit bringen, wäre unehrlich und schäbig. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Minister Ehlen hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, ich hätte Sie für etwas geschickter gehalten. Wenn Sie wenigstens den zweiten Teil des von Ihnen eingebrachten Antrages in Frageform formuliert hätten, dann wäre hier nicht so offenkundig zutage getreten, dass Sie genau das machen, was Oppositionsparteien für sich als vornehmste Aufgabe ansehen, nämlich der Landesregierung extreme Versäumnisse vorzuwerfen, um zunächst einmal die richtige Grundstimmung zu erzeugen, obgleich jeder weiß, dass die in den Raum gestellten Behauptungen ziemlich neben der Sache liegen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie setzen aktuell möglicherweise auf den Vorteil, dass der betreffende Vorgang in den Medien eine extreme Dynamik erzeugt, wobei ich mich allerdings frage, ob für Sie das Engagement für den Verbraucherschutz das Wichtigere ist oder nicht doch das offenbar gegebene parteipolitische Spiel mit Ängsten und Verunsicherung.

(Unruhe bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: So ist es!)

Umso mehr ist es erforderlich, dass ich hier einmal die tatsächlichen Gegebenheiten darstelle und die von Ihnen dargestellte Sichtweise korrigiere.

Schon die Einschätzung, dass kriminelle Vorgänge, die hier als „Fleischskandale“ bezeichnet werden, zwangsläufig mit einem Versagen der Behörden im Verbraucherschutz gekoppelt sind, meine Damen und Herren, trifft schlicht nicht zu.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann dazu nur das sagen, was jeder vernünftige Minister hier auch schon gesagt hat - damit zitiere ich auch SPD-Minister -: Mit hinreichender krimineller Energie und dazu mit einer gewissen Intelligenz ausgestattete Personen sind heutzutage wohl in der Lage, auch sachgerecht funktionierende Überwachungsmechanismen zu umgehen. Wenn Behörden nach einem externen Hinweis, wie in dem aktuellen Fall, oder aufgrund eigener Er

kenntnisse unverzüglich und konsequent tätig werden, dann kann es nicht angehen, ihnen Vorwürfe nach dem Motto zu machen: Ihr hättet verhindern müssen, dass dies geschieht.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das ist die Aufgabe!)

Meine Damen und Herren, würden wir das zugrunde legen, dann müssten, wenn wir mehr Polizisten einstellen würden, sämtliche kriminellen Dinge, im Straßenverkehr oder woanders, von heute auf morgen zu Ende sein.

Frau Stief-Kreihe, der Presse gegenüber meinen Sie, dass der aktuelle Skandal eklatante Lücken im niedersächsischen Kontrollsystem offenbare. Sie mahnen gleichzeitig eine massive Ausweitung der Kontrollen in den Fleisch verarbeitenden Betrieben an, die vor allem unangekündigt und flächendeckend erfolgen müssen.

(Beifall bei der SPD)