Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

Was macht der zuständige Kommunalminister? Er nimmt Jahr für Jahr 150 Millionen Euro aus dem kommunalen Finanzausgleich und verweist grinsend auf die Notwendigkeit einer Gemeindefinanzreform in Berlin.

(Zurufe von der CDU)

- Ich komme gerne auf das zurück, was wir gemacht haben. Dann werden Ihnen die Ohren rot.

Meine Damen und Herren, was nützt eine Gemeindefinanzreform in Berlin, die die kommunale Ebene nicht als gleichberechtigten Partner, sondern als Sparschwein des Landes begreift? Die Kommunen haben völlig Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass das Land versucht, seine Finanzprobleme zulasten der Kommunen zu lösen. Vielleicht können Sie einmal die Frage beantworten, warum Sie angekündigt haben, das Konnexitätsprinzip nach 100 Tagen einzuführen, dies aber nach 1 000 Tagen noch immer nicht geschafft haben.

(Beifall bei der SPD)

Das hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass Sie erst einmal Aufgaben verlagern wollten, ohne

das Geld dafür zu geben, und auf diese Weise die Kommunen schurigeln. Ich habe viel Verständnis für die Enttäuschung der Kommunen. Denn schließlich hat ihnen diese Landesregierung gerade auch in Person des Innenministers - jetzt bin ich bei dem, was Herr Schrader meinte kritisieren zu müssen - vor der Landtagswahl das Blaue vom Himmel versprochen. Jede Anpassung des KFA, die zu SPD-Zeiten vorgenommen worden ist, wurde von den Herren Schünemann, Möllring und Wulff mit einer Weltuntergangsrhetorik als beispielloser Raubzug durch die kommunalen Kassen gegeißelt.

(Zustimmung bei der SPD)

Was wurden nicht alles an Sofortprogrammen versprochen: Rücknahme der Kürzung um 250 Millionen Euro 1996, sofortige Erhöhung der Bedarfszuweisungen um 50 Millionen Euro. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie vollmundig hier Versprechen abgegeben worden sind. Nach zweieinhalb Jahren Regierung Wulff stellen die Kommunen nüchtern fest, dass sie zu Zeiten der SPD-Landesregierung jedes Jahr 150 Millionen Euro mehr zur Verfügung hatten. So sieht die Wahrheit in Niedersachsen aus!

(Zustimmung bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie sollten endlich zur Kenntnis nehmen, dass die kommunale Ebene für das Leben der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes von größerer Bedeutung ist, als Sie es anscheinend wahrnehmen.

(Ulf Thiele [CDU]: Wann haben Sie eigentlich verlernt, rot zu werden?)

- Das habe ich verlernt, weil ich von Ihnen eine ganze Menge gelernt habe, Herr Thiele. Von Ihrer Truppe habe ich so viel gelernt, dass mir das gar nicht mehr einfallen würde.

Meine Damen und Herren, ein letztes Wort zur Integration.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Auch das Thema Integration sieht diese Landesregierung - ich will es einmal ganz vorsichtig ausdrücken - mehr als Gelegenheit zur parteipolitischen Profilierung denn als realpolitisches Handlungsfeld. Ich finde es nicht in Ordnung, dass man sich aus der Verantwortung für Integration finanziell verabschiedet und im Haushalt im vergangenen

Jahr 1 Million Euro in diesem Bereich eingespart hat. Wir halten diese Kürzung nach wie vor für falsch und sehen in unserem Haushaltsantrag deshalb die Wiedereinsetzung der Integrationsmittel vor.

(Beifall bei der SPD)

Integration ist keine Einbahnstraße. Integration darf man nicht nur mit Worten fordern, sondern man muss sie auch fördern. Dafür ist dieses Geld notwendig. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜ- NEN)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Biallas zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Biallas!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine sehr geehrten Herren!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Bisher war alles richtig!)

Herr Kollege Bartling, zunächst einmal kann ich Ihnen sagen, wir würden jeden einzelnen Vorschlag von Ihnen, wenn Sie denn einen gemacht hätten, und jede Kritik, die Sie geäußert haben, in vollem Umfange teilen, wenn hier nicht bekannt wäre, dass Sie Innenminister in einer Regierung gewesen sind, die uns die Zustände beschert hat, vor denen wir heute stehen und die wir bewältigen müssen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Bartling, das ist der Grund, warum wir so nicht weitermachen können. Das ist der Grund, warum wir nicht Geld ausgeben können, das gar nicht da ist. Das ist der Grund, weshalb wir gezwungen sind, eine völlig andere Politik als diejenige zu gestalten, mit der Sie kläglich gescheitert sind, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Sie haben aber etwas ganz anderes gefordert!)

Wenn ein Land jeden Tag 7 Millionen Euro an Zinsen zu bezahlen hat, weil es so hoch verschuldet ist, kommen wir natürlich auch im Bereich des Einzelplans 03, über den wir gerade reden, nicht um Einsparungen und Kürzungsnotwendigkeiten herum.

(Zuruf von der SPD: Warum habt ihr das Gegenteil versprochen?)

Gleichwohl verlangt es doch das Gebot der Ehrlichkeit, dass wir wenigstens festhalten, Herr Kollege Jüttner, dass zwar überall gespart worden ist, im Polizeihaushalt aber immerhin 11 Millionen Euro mehr als im Vorjahr zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man das weiß, kann man für das Theater, das Sie hier eben veranstaltet haben, nur begrenzt Verständnis aufbringen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Verbesserung der inneren Sicherheit in Niedersachsen ist und bleibt ein vorrangiges Ziel der Politik von CDU und FDP. Diese Politik haben wir durch unsere Beschlüsse auf der Fraktionsklausur untermauert. Darüber hat Herr McAllister gestern schon Ausführungen gemacht. Was bei Ihnen aus den Beratungen herausgekommen ist, hat niemand wahrgenommen. Was bei uns dabei herausgekommen ist, haben die Menschen durchaus zur Kenntnis genommen. Sie haben zur Kenntnis genommen, dass wir uns Mühe gegeben haben, hier und dort einen Ausgleich zu finden und auch den einen oder anderen Beschluss der Landesregierung abzumildern.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte allerdings gerade vor dem Hintergrund dessen, was Sie, Herr Bartling, hier eben geboten haben, noch einmal auf das hinweisen, was wir im Innenausschuss erlebt haben. Ich will es einmal so sagen, wie es ist. Im Grunde genommen ist heute der erste Tag, an dem wir überhaupt einmal in der Öffentlichkeit die Haltung der SPD-Fraktion haben zur Kenntnis nehmen können, wenn sie überhaupt eine Haltung hat. Nach der Geschäftsordnung des Landtages haben die Fachausschüsse intensiv über die Einzelheiten des jeweiligen Haushaltsplanes zu beraten. Nach der Geschäftsordnung des Landtages ist es aber untersagt, dass in öffentlicher Sitzung mitgeteilt werden darf, wer im Ausschuss was gesagt hat. Nicht verboten ist jedoch

das, was ich jetzt tue, nämlich hier öffentlich mitzuteilen, dass auf Anregung der SPD die Haushaltsdebatte im Innenausschuss ganze zehn Sekunden gedauert hat, weil sie keine Frage gestellt, keine Anregungen und keine Vorschläge gemacht hat. Insofern haben Sie als Opposition auf der ganzen Linie versagt.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es gehört auch zu einem ordentlichen Umgang von Regierungsfraktionen und Opposition, dass man, wenn man die Rollen ernst nimmt, auch über kontrovers dargestellte Vorstellungen zu Einzelheiten eines Haushaltsplanes redet. Herr Kollege Bartling, ich muss Ihnen sagen, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin in dieser Hinsicht erheblich weiter sind als Sie. Sie schwadronieren hier darüber, dass wir das Weihnachtsgeld abgeschafft haben. Ihre Kolleginnen und Kollegen und Ihre Genossinnen und Genossen in der großen Koalition in Berlin sind aber immerhin schon so weit, dass sie einsehen, dass man auf Dauer nicht über seine Verhältnisse leben kann.

Ich möchte nun das tun, was Sie versäumt haben, nämlich auf einige Punkte des Haushaltsplans einzugehen, die konkret darstellbar sind. Wir haben auf der Fraktionsklausur in Osnabrück im Einzelplan 03 immerhin noch etwa 5 Millionen Euro umgeschichtet. Was haben wir getan? - Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir - auch das soll hier deutlich gesagt werden nach wie vor 810 Millionen Euro als Personalkosten für die Landespolizei ausgeben, haben wir dafür gesorgt, dass der Grundsatzbeschluss, den Sie kritisiert haben, der aber weiter gelten soll, nämlich dass Polizeibeamte nicht nur bis zum 60. Lebensjahr, sondern bis zum 62. Lebensjahr arbeiten müssen, abgemildert wird. Herr Kollege Bartling, man kann sich nun durchaus darüber streiten, ob 20 oder 25 Jahre im Wechselschichtdienst die Voraussetzung sein sollen. Wir haben jedenfalls mit den Polizeivertretungen intensiv gesprochen und im Wesentlichen das aufgenommen, was uns die Polizeivertretungen vorgetragen haben. Danach werden in Zukunft Polizeibeamte, die 25 Jahre im Wechselschichtdienst, im Spezialeinsatzkommando, im Mobilen Einsatzkommando, in der Polizeihubschrauberstaffel oder im kriminalpolizeilichen Ermittlungsbereich tätig waren, auf Anzeige ihrerseits ein Jahr eher in Pension gehen können. Ich glaube, das ist ein vernünftiger Kompromiss. Wenn

wir das tun, was vernünftigerweise zu tun ist, nützt es überhaupt nichts, wenn man sozusagen immer nur draufschlägt und sagt „Alles, was Sie tun, ist sowieso verkehrt“. Wir stehen dazu, dass wir hier geholfen haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Bartling, nun will ich auch noch etwas dazu sagen, warum wir das tun. Wir tun das ja nicht deshalb, weil wir uns überlegen, wie wir die hoch motiviert tätigen Polizeibeamtinnen und -beamten in unserem Land ärgern oder quälen können, sondern wir tun das vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die demografische Entwicklung in unserem Lande so ist, wie sie ist. Wir tun das ebenfalls vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir sicherstellen wollen, dass das Land Niedersachsen auch zukünftig in der Lage ist, die Pensionen, die den Bediensteten zustehen, bezahlen zu können. Das sind die Notwendigkeiten, die uns dazu bewegen.

Meine Damen und Herren, wir wissen sehr wohl, dass diese Entscheidung bei den Betroffenen nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. Gleichwohl gibt es eine Fülle von Beamtinnen und Beamten, die sagen: Gut, dass wir länger arbeiten dürfen. Wir würden es gerne tun, aber im Moment dürfen wir es gar nicht. - Davon gibt es mehr, als gemeinhin gesagt wird. Weil wir das mit den Berufsvertretungen intensiv erörtert haben, haben wir den ursprünglichen Vorschlag der Landesregierung entsprechend abgeändert.

Aber, meine Damen und Herren, ich will dazu ein kritisches Wort sagen: Wir hätten uns vonseiten der Gewerkschaft der Polizei und vonseiten der Opposition durchaus einen etwas mehr von Verständnis für die schwierige Situation der Landesfinanzen geprägten Ton und Stil der Auseinandersetzung gewünscht. Das will ich in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Bartling, Sie haben es ja gut drauf, durchs Land zu ziehen und den Leuten zu sagen, es sei überall schlechte Stimmung.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das stimmt ja auch!)

Es ist ja durchaus zutreffend, dass das nicht mit Jubel aufgenommen wird. Aber man kann eine

schlechte Stimmung auch verbreiten - darin sind Sie ein Meister.

(Zustimmung bei der CDU)