Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

(David McAllister [CDU]: Erfolgreich!)

doch wir hören immer nur Ankündigungen, Absichtserklärungen und nirgendwo etwas Konkretes. Wir werden geradezu überschwemmt mit Presseerklärungen der Ministerin, was sie alles für Ideen

hat, mit wem sie sich getroffen hat und was sie nicht alles vorhat.

Manche Vorschläge sind sogar kontraproduktiv. So haben die Rechtspfleger in ihrem neuesten Newsletter einen Artikel mit dem Titel „Justizminister wirken Haushaltssanierung entgegen“ herausgegeben. Hintergrund ist der Beschluss der Justizminister vom 17. November 2005, das gesamte Nachlasswesen aus den Gerichten auszulagern und den Notaren zu übertragen. Damit wären für Erben und erbrechtliche Fragen nicht mehr wie bisher die Amtsgerichte zuständig. Die Rechtspfleger weisen darauf hin, dass die Gebühreneinnahmen bislang nicht nur die Kosten für die Durchführung der Nachlassverfahren decken, sondern darüber hinaus auch mit einem Überschuss von mehr als 50 % zur Sanierung der Haushalte beitragen. Dies fällt nun weg. Für die rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger wird es auch noch teurer: Wenn sie in Zukunft einen Erbschein oder Ähnliches haben wollen, müssen sie zusätzlich noch 19 % Mehrwertsteuer an den Notar entrichten. - Das ist ein Skandal, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Na ja, drei Leute klatschen!)

Aber wenn es wirklich ernst wird, Frau Ministerin - nämlich einmal im Jahr, bei den Haushaltssanierungen -, herrscht im Justizministerium absolute Funkstille.

Der vielleicht größte Skandal in diesem Haushalt ist die sträfliche Vernachlässigung des gesamten Bereichs Prävention.

(David McAllister [CDU]: Ist das nicht ein Zerrbild, das Sie da malen? Wer hat Ihnen das eigentlich aufgeschrie- ben?)

Dabei sind Sie, Frau Heister-Neumann, durch die engagierte Arbeit Ihrer Amtsvorgängerinnen und -vorgänger von einem Niveau aus gestartet, von dem Ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern eigentlich nur träumen können.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in Ihrem Haus geerbt: einen Landespräventionsrat, eine vernetzte Stiftung Opferhilfe, ein bundesweit vorbildliches Modellprojekt zur Mediation und Maßnahmen zum Täter-Opfer-Ausgleich. Alles geerbt, keinerlei eigene Impulse der Ministe

rin! Aber wenn Sie, Frau Ministerin, schon keine eigenen Impulse setzen können, dann dürfte es doch wohl nicht zu viel verlangt sein, wenn Sie wenigstens das, was Ihnen quasi in den Schoß gefallen ist, fünf Jahre lang gut behandeln.

(Beifall bei der SPD)

Doch nicht einmal das gelingt Ihnen. Jedes Jahr stehen Präventionsrat und Täter-Opfer-Ausgleich erneut auf der Liste der Kürzungen. Betroffen sind so wichtige Präventionsprogramme wie die gegen rechtsextreme Gewalt und der Täter-OpferAusgleich, dessen spezialpräventive Wirkung gar nicht überschätzt werden darf. Der Täter-OpferAusgleich hilft dem Opfer, die Tat zu verarbeiten, und führt dem Täter das Unrecht und vor allem die Folgen seiner Tat vor Augen. Wer beim TäterOpfer-Ausgleich spart, der spart bei der Kriminalprävention.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe extra noch einmal in dem Wahlprogramm der CDU nachgelesen.

(David McAllister [CDU]: Das ist schon einmal gut!)

Da steht wirklich drin: Prävention stärken, und zwar als programmatische Absichtserklärung.

Wenn man sich die Politik dieser Justizministerin anschaut, könnte man meinen, „Prävention schwächen“ sei das Motto dieser Landesregierung. Es reicht nicht aus, in Sonntagsreden von Prävention zu reden und in der praktischen Politik die Prävention zu vernachlässigen. Ein bisschen mehr sollten Sie sich diesem wichtigen Thema schon widmen und mehr investieren, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU und von der FDP.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Ministerin, Ihr präventives Versagen hat in diesem Jahr geradezu absurde Ausmaße angenommen; ich muss es leider so deutlich sagen. 137 000 Euro sollten Sie laut Kabinettsbeschluss im Rahmen der Haushaltsaufstellung in einer zweiten Einsparrunde einsparen. 137 000 Euro, das scheint mir auch im Justizhaushalt machbar, ohne erneut die Axt bei der Prävention anzulegen. Doch was machen Sie, Frau Ministerin? Sie sammeln dieses Geld ausgerechnet da ein, wo es am dringendsten gebraucht wird, nämlich bei den Prä

ventionsprojekten des Landespräventionsrates und bei Zuwendungen für berufsqualifizierende Maßnahmen für Straffällige. Die wenigen präventiven Projekte Ihres Hauses müssen also auch noch als Spardose herhalten.

(Beifall bei der SPD)

Weil wir dies für einen folgenschweren Fehler halten, setzen wir mit unserem Änderungsantrag einen klaren Schwerpunkt beim Thema Prävention.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man den Bereich der Gerichte und den Bereich der Staatsanwaltschaften betrachtet, dann grenzt es eigentlich an ein Wunder, dass die niedersächsische Justiz unter den gegebenen Rahmenbedingungen immer noch so hervorragend arbeitet. Ich möchte mich deshalb ganz ausdrücklich bei all denjenigen bedanken, die mit ihrer täglichen Arbeit einen unverzichtbaren Beitrag dafür geleistet haben, dass die dritte Säule des Staates noch so gut funktioniert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit; denn die von dieser Landesregierung gesetzten Rahmenbedingungen sind ausgesprochen schlecht. Das liegt beileibe nicht allein an der schwierigen Haushaltslage des Landes Niedersachsen.

Meine Damen und Herren, was sollen wir eigentlich von einer Justizministerin halten, die angesichts sanierungsbedürftiger Gerichtsgebäude und dünner Personalausstattung von einer „überbordenden Opulenz“ der Justiz spricht? Und das trotz der Berichte aus der Justiz, dass insbesondere bei Zwangsvollstreckungen und Familiengerichtssachen die Sicherheitsaspekte erheblich verletzt werden und sich die Richterinnen und Richter zum Teil akuten Bedrohungen ausgesetzt sehen!

Wenn man Ihnen, Frau Ministerin, zuhört, könnte man glauben, die niedersächsische Justiz habe sich in den letzten Jahren nur so mit Stellen und Sachmitteln vollgesogen und mit Händen und Füßen Besitzstandswahrung betrieben. Nein, Frau Ministerin, die Justiz ist nicht zu dick, sondern es kommt gerade dick für die Justiz, und daran sind Sie nicht so ganz unschuldig!

(Beifall bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Schönes Wortspiel!)

Lassen Sie es mich so formulieren: Sie gefallen sich in der Rolle einer Reformerin und vernachlässigen gleichzeitig die Interessen der Justiz am Kabinettstisch.

Warum haben Sie als zuständige Fachministerin nicht gesehen, dass die Sozialgerichte durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Personalnot geraten sind, weil die Mehrbelastungen anders als in anderen Bundesländern nicht durch freiwerdende Kapazitäten bei den Verwaltungsgerichten aufgefangen werden konnten? Warum mussten erst die Fraktionen kommen und hier für die dringend notwendige Entlastung sorgen? Warum sind Sie nicht so ehrlich und räumen ein, dass die Stellen ohne Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nicht notwendig geworden wären? Dies ist übrigens nicht nur unsere These, sondern auch die des Bundes Niedersächsischer Sozialrichter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte es für einen Skandal,

(David McAllister [CDU]: Noch einen? Wie viele Skandale werden Sie denn heute noch entdecken? - Wolfgang Jüttner [SPD]: Eure Politik macht es nötig!)

dass die Landesregierung die offenkundigen Folgeprobleme der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens nach wie vor ignoriert. Es ist allerdings auch ein weiteres Armutszeugnis für die amtierende Justizministerin, dass offensichtlich erst der Änderungsantrag der Fraktionen diese Missstände korrigieren soll. Wir unterstützen diesen Änderungsantrag, wollen damit aber noch ein Weiteres erreichen: Wir tragen darüber hinaus auch der explosionsartigen Mehrbelastung bei den Verwaltungsgerichten Rechnung; denn dort sind aufgrund der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens mehr Eingänge zu verzeichnen als vorher.

Kommen wir zur Arbeitsgerichtsbarkeit,

(David McAllister [CDU]: Noch ein Skandal, nicht wahr?)

die mir sehr am Herzen liegt;

(David McAllister [CDU]: Frau Bock- mann, Sie haben schon seit zehn Se- kunden nicht mehr das Wort „Skan- dal“ verwendet!)

und zwar geht es hier um die Selbstständigkeit. Die niedersächsische Arbeitsgerichtsbarkeit - Herr McAllister, hören Sie gut zu! - ist, bezogen auf die Pro-Kopf-Belastung, die am höchsten belastete Arbeitsgerichtsbarkeit im gesamten Bundesgebiet.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ein Skandal! - Gegenruf von Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist wirklich ein Skandal!)

Wer sich die Zahlen anschaut, der sieht, dass weitere Personalkürzungen nicht zu verantworten sind.

(David McAllister [CDU]: Skandal!)

Dennoch hat die Justizministerin auch hier Stellen am Kabinettstisch geopfert. 2005 und 2006 wurden jeweils zwei R 1-Stellen mit kw-Vermerken zur Streichung freigegeben. Wie kann es eigentlich sein, Frau Ministerin, dass Sie im Bereich der Insolvenzgerichte 20 Stellen von kw-Vermerken befreien und die Arbeitsgerichtsbarkeit schlichtweg vergessen? Die SPD-Fraktion wird es nicht zulassen, dass die Arbeitsgerichte auf kaltem Wege ausbluten.

(Beifall bei der SPD)

Bei den Arbeitsgerichten hat man mittlerweile den Eindruck, dass die gesamte Arbeitsgerichtsbarkeit gegen den Widerstand von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden geradezu sturmreif geschossen werden soll.

(David McAllister [CDU]: Auch das noch! - Bernd Althusmann [CDU]: Skandal!)

Alles das geschieht, um nur einen Effekt zu erreichen: den gewünschten Zusammenschluss mit der Zivilgerichtsbarkeit zu erzwingen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wieder ein Skandal!)

Ich halte diesen Weg für falsch. Eine leistungsgerechte Arbeitsgerichtsbarkeit ist auch ein Standortfaktor für Niedersachsen. Denn die schnelle und fachkundige Erledigung von arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten liegt vor allem im Interesse des Mittelstandes, meine sehr verehrten Damen und Her