Protokoll der Sitzung vom 16.05.2003

des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf die Frage 3 der Abg. Ingrid Eckel und Ingolf Viereck (SPD)

Erweiterung der Fachhochschule

Am 28. Januar 2003 hat der damalige Minister für Wissenschaft und Kultur, Thomas Oppermann, eine Vereinbarung mit der Stadt Wolfsburg über den weiteren Ausbau der Fachhochschule am Standort Wolfsburg unterzeichnet. Nach dem Beschluss der Landesregierung soll in den kommenden Jahren der Fachhochschulstandort Wolfsburg mit einem Gesamtvolumen von 26,7 Millionen Euro ausgebaut werden. Diese Entscheidung trägt zur weiteren Stärkung der gesamten Region als bedeutender Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort bei. Die Stadt Wolfsburg hatte angeboten, sich wie beim ersten Bauabschnitt der Fachhochschule zu beteiligen, um so möglichst schnell den Raum für rund 2 000 Studierende zu schaffen. Nach der ausgehandelten und vom Rat am 29. Januar 2003 einstimmig beschlossenen Vereinbarung übernimmt die Stadt die voraussichtlichen Bauzeitzinsen von bis zu 1 Million Euro Eigenbeteiligung

Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung sollen das Projekt über ein Investorenmodell realisiert und anschließend die Baulichkeiten sowie die Grundstücke vom Land erworben werden. Durch den geplanten Ausbau werden die Bereiche Gesundheitswesen und Wirtschaftswissenschaften sowie Fahrzeug-, Produktionsund Verfahrenstechnik räumlich konzentriert, zudem wird der Bereich um den

Neubau einer Mensa und einer Bibliothek ergänzt. Durch die Gesamtmaßnahme erhält der Standort einen Fachhochschulcampus. Mit diesen Investitionen werden die Studienbedingungen in Wolfsburg nachhaltig verbessert. Außerdem wird der weitere Ausbau der Fachhochschule entscheidende Impulse für die künftige Entwicklung der gesamten Wirtschaftsregion geben.

Durch die erzielte Vereinbarung wurde der schwierigen Finanzlage des Landes Rechnung getragen und mit der städtischen Eigenbeteiligung eine tragfähige Lösung gefunden. Stadt und Land haben ein gemeinsames Interesse an der zügigen Realisierung der Ergebnisse des Architektenwettbewerbs. Das Gesamtvolumen sollte bis zum Jahr 2007 abgeschlossen sein. Ab dem Jahr 2005 war vereinbart, dass das Land in vier Kaufraten die Neubauten entsprechend dem Investitionsvolumen bis zu einer Höchstsumme von 26,7 Millionen Euro erwirbt.

Nach Aussage des Pressesprechers aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur steht nunmehr das Projekt erneut auf dem Prüfstand (Wolfsburger Nachrichten vom 28. März 2003).

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass die zwischen Stadt und Land erzielte Vereinbarung über die Erweiterung des Fachhochschulstandortes Wolfsburg infrage gestellt ist?

2. Welche zeitlichen Verzögerungen gegenüber den bisherigen Planungen sind damit verbunden?

3. Inwieweit sind die Verantwortlichen bei der Stadt Wolfsburg über den aktuellen Sachverhalt informiert, und welche Alternativen für die unverzügliche Umsetzung der Wettbewerbsergebnisse gibt es?

Herr Präsiden! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der zu Beginn dieser Legislaturperiode von der neuen CDU/FDP-Landesregierung vorgenommene „Kassensturz“ hat das tatsächliche Ausmaß des Finanzdesasters im Land Niedersachsen offengelegt, das die vorhergehenden niedersächsischen Landesregierungen in Verantwortung des jetzigen Bundeskanzlers und des jetzigen SPD-Fraktionsvorsitzenden im Niedersächsischen Landtag verursacht, aber immer kaschiert und schöngeredet haben.

Schlimmer noch: Im Vorfeld der Landtagswahlen wurden seitens der SPD geführten Landesregierung etliche Finanzierungszusagen gemacht, deren

Einhaltung schon zum Zeitpunkt der Erteilung mehr als fraglich sein mussten.

Lassen Sie mich die wichtigsten Zahlen dieses Desasters ins Gedächtnis rufen:

Das Land hat 42 Milliarden Euro Schulden, der Haushalt ist zu 17 % kreditfinanziert, die Zinszahlungen verschlingen – ohne Tilgung – 10,2 % des Landeshaushalts. Nach bisheriger Erkenntnis sind die Steuereinnahmen bundesweit in den Monaten Januar bis März dieses Jahres um 2,9 % hinter den Erwartungen der letzten Steuerschätzung vom November 2002 zurückgeblieben.

In der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung für 2004 klafft eine Lücke von gut 1 Milliarde Euro, für 2005 sogar von rund 1,2 Milliarden Euro.

Um überhaupt noch politisch handlungsfähig sein zu können, ist diese Landesregierung aufgrund der geschilderten Finanzlage des Landes u. a. gezwungen, in den jeweiligen Ressorthaushalten in den nächsten Jahren massive Einsparungen zu erbringen. Allein im Jahre 2003 sind dies bereits 90,7 Millionen Euro. Wie hoch die Einsparungen für 2004 ausfallen, werden die Beratungen zur Mipla und zum Haushalt 2004 zeigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen derzeit noch nicht, wie wir diese Einsparungen ab 2004 erwirtschaften sollen. Auch wenn die Landesregierung grundsätzlich Investitionen von diesen Einsparungen ausnehmen möchte, hat uns die letzte Regierung u. a. durch das von ihr aufgelegte „Programm“ „Bauen jetzt in Niedersachsen Schneller investieren - Arbeitsplätze sichern“ auch im Baubereich in so große Finanzierungsschwierigkeiten gebracht, dass alle 130 aktuellen Bauprojekte auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Der Grund dafür liegt darin, dass dieses so genannte Programm nicht durch Einsparungen z. B. bei konsumtiven Ausgaben finanziert worden ist, sondern durch weitgehende Inanspruchnahme der im Doppelhaushalt 2002/2003 für das Haushaltsjahr 2003 eingeplanten Investitionsmittel bereits im Haushaltsjahr 2002.

Lassen Sie mich dennoch deutlich machen, dass auch die neue Niedersächsische Landesregierung grundsätzlich am weiteren Ausbau der Fachhochschulen festhält. Gleichwohl gibt es eine Vielzahl noch zu klärender Strukturfragen sowie nicht gedeckte finanzielle Zusagen an Dritte, die uns die letzte SPD-Regierung hinterlassen hat. Dies zwingt uns, auch den Hochschulbau, insbesondere alle

noch nicht begonnenen Vorhaben, auf den Prüfstand der finanziellen Realisierbarkeit zu stellen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Auch die Vereinbarung mit der Stadt Wolfsburg muss in die Prüfung einbezogen werden.

Zu 2: Der Umfang der zeitlichen Verzögerung ist derzeit noch nicht absehbar.

Zu 3: Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg hat eine Zwischennachricht erhalten. Das von ihm gewünschte Gespräch mit mir ist terminiert. Derzeit gibt es keine Alternative zu dem dargestellten beabsichtigten Vorgehen.

Anlage 2

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 4 des Abg. Ingolf Viereck (SPD)

Catering & Service Perspektiv GmbH - Eine Wolfsburger Beschäftigungsinitiative

Mit der Gründung einer Catering & Service Perspektiv GmbH will die Stadt Wolfsburg benachteiligte Zielgruppen des Arbeitsmarktes mit Beschäftigung und Beschäftigungsförderung stabilisieren und ihnen neue Entwicklungschancen und Perspektiven eröffnen.

Der Gesellschaft obliegt im Wesentlichen die Beschäftigung von marktbenachteiligten Arbeitlosen bzw. von insbesondere jungen Erwachsenen, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, ihre Integration in den weiteren Arbeitsprozess, die Durchführung von arbeitsbegleitenden Qualifizierungsmaßnahmen, den Transfer und die Vermittlung in andere Unternehmen aktiv zu fördern und zu unterstützen.

Der Geschäftsbereich Jugend der Stadt Wolfsburg ist Teil eines Netzwerkes mit Arbeitsverwaltung, Volkswagen AG, VW-Coaching, WOB-AG, Sozialamt, Beratungsstellen, RVA, Bildungsträgern, Gewerkschaften und Kammern. Es gibt eine Vielzahl von Projekten und Maßnahmen zur Vermittlung marktbenachteiligter junger Erwachsener in Ausbildung oder Arbeit. Eine Marktbenachteiligung ist insbesondere begründet in mangelnden Deutschkenntnissen, unterdurchschnittlichen Schulzeugnissen und Unter- bzw. Überschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit.

Für viele junge Erwachsene, die aus einer dieser Maßnahmen kommen, fehlt eine Perspektive, da es zu wenig zielgruppengerechte Arbeitsplätze gibt. Es fehlen Beschäftigungsan

gebote im Bereich von einfachen Anlern- bzw. Helfertätigkeiten.

Hier setzt die Catering & Service Perspektiv GmbH an, indem ein konkreter Bedarf aus der Automobilindustrie im Bereich Catering (Be- dienung eines Speisenverteilzentrums) in einem ersten Schritt bedient werden soll.

Ziel ist es, junge Erwachsene unter Marktbedingungen so weit zu fördern, dass sie über diesen Weg in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Die Jugendlichen haben zunächst die Möglichkeit, im Rahmen der Jugendwerkstätten oder anderer adäquater Maßnahmen so genannte „Arbeitstugenden“ (Pünktlichkeit, Verlässlichkeit etc.) zu erlernen, um dann entsprechend ihren Fähigkeiten diesen Schonraum eines Arbeitslosenprojektes zu verlassen.

Trotz dieser vorgeschalteten Maßnahmen sind sie noch nicht ausreichend für den ersten Arbeitsmarkt geeignet, da ihnen entsprechende Erfahrungen in einem realen Betrieb fehlen. Deshalb ist der angestrebte Jugendhilfebetrieb eine bisher fehlende logische Konsequenz. Sie fehlt bisher im Rahmen der Angebote zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Nur durch die Qualifikation und Arbeit unter realen Marktbedingungen erlangen junge Erwachsene Attraktivität für Arbeitgeber des ersten Arbeitsmarktes.

Bewähren sich die Jugendlichen im Rahmen der Catering & Service Perspektiv GmbH, haben sie gute Chancen, in den Bereich der Wirtschaftsbetriebe der Volkswagen AG, Auto5000 oder aber auch anderer mittelständischer Dienstleistungsbetriebe übernommen zu werden. Es geht also nicht darum, im Rahmen der GmbH einen festen Personalstamm aufzubauen, sondern dies als arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Vermittlung benachteiligter junger Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu nutzen.

Die Beschäftigungsdauer der jungen Menschen soll nicht länger als ein Jahr, höchstens zwei Jahre betragen. Erwirtschaftete Überschüsse werden zur Einrichtung weiterer Integrationsarbeitsplätze genutzt.

Damit wird die Catering & Service Perspektiv GmbH zur Drehscheibe bei der Integration benachteiligter junger Erwachsener in den ersten Arbeitsmarkt.

Für die Geschäftsfelder Industriecatering und Fertigungsservice ist die Aufnahme in das Landesprogramm „Soziale Betriebe“ beantragt worden. Auftraggeber für die Arbeitsbereiche ist die Auto5000 GmbH.

Nach intensiven Gesprächen zwischen allen beteiligten Stellen wurde vom Land Niedersachsen eine Förderung von rund 18 Jugendli

chen in Aussicht gestellt. Bis zum Jahr 2006 sollten ca. 600 000 Euro Landesmittel fließen. Eine entsprechende Ratsvorlage zur Gründung der Gesellschaft wurde kurzfristig von der Verwaltung zurückgezogen, weil die neue Landesregierung dieses Vorhaben nicht mehr unterstützen möchte.

Ich frage die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass das Land die Gründung der Catering & Service Perspektiv GmbH nicht mehr fördern will?

2. Falls aus dem Landesprogramm „Soziale Betriebe“ keine finanzielle Unterstützung möglich sein sollte, aus welchem anderen Arbeitsmarktprogramm könnte eine Landesbezuschussung erfolgen?

3. Wann kann die Stadt Wolfsburg angesichts des enormen Zeitdrucks für den Start dieses sinnvollen Projektes für arbeitslose Jugendliche mit einer Entscheidung rechnen?

Bereits im Jahr 2002 hat die Firma Auto5000 GmbH die ersten Gespräche über die Gründung eines Sozialen Betriebes mit dem Land und bei der Landesberatungsgesellschaft LaBIB geführt. Dabei wurde eine Förderung in Aussicht gestellt, wenn der Betrieb alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Am 4. März 2003 wurde ein weiterentwickeltes Konzept eingereicht. Antragstellerin und Trägerin des Betriebes ist danach die Stadt Wolfsburg. Ziel des Unternehmens ist die Versorgung der 3 500 Beschäftigten der Firma Auto5000 GmbH mit warmem Essen, wobei sich die Aufgaben des geplanten Sozialen Betriebes auf einfache Tätigkeiten beziehen, wie

Portionieren von Speisen nach Gewichtsvorgaben,

Spülen von Geschirr und Bestecken,

Reinigen und Desinfizieren der Betriebsstätte,