Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Kollegin Hemme zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft - wir haben das auch gestern gehört - wird über längere Öffnungszeiten von Biergärten diskutiert, wird über Einkaufen rund um die Uhr nachgedacht und wird mit zusätzlichen Arbeitsplätzen im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft gerechnet.

Großveranstaltungen ziehen aber auch immer Menschen an, die mit krimineller Energie ihren eigenen Profit aus diesem Ereignis ziehen wollen. So fürchtet nicht nur der Deutsche Frauenrat, dass mehr Prostituierte in die Austragungsorte gebracht werden. Von diesen Frauen werden nicht alle wissen, was sie erwartet. Sie werden im Heimatland über Arbeitsmöglichkeiten getäuscht und glauben, mit einer ordentlichen Arbeit im Westen der Armut zu Hause entfliehen zu können. Stattdessen ereilt sie ein furchtbares Schicksal: Sie werden mit Gewalt zur Prostitution gezwungen.

Aber Fußball, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nicht den Rahmen für solche frauenverachtenden Taten bieten.

(Beifall bei der SPD, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Männer als Kunden sorgen für Nachfrage und müssen sich deshalb auch die Frage nach der Verantwortung stellen. Im Jahr 1999 hat die Frauenorganisation Terre des Femmes die Plakataktion „Männer setzen Zeichen“ in Baden-Württemberg durchgeführt. Man hat eine Auswertung durchgeführt. Das Ergebnis war, dass Männer durchaus an Informationen zum Thema Frauenhandel interessiert sind. Egal, ob sie Freier waren oder nicht, wollten sie wissen, was in Verdachtsfällen zu tun ist, an wen sie sich wenden könnten. Deshalb muss es neben der Aufdeckung und der strafrechtlichen Verfolgung des Menschenhandels auch mehr Aufklärung der männlichen Öffentlichkeit geben.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Dieser Antrag fordert von der Landesregierung u. a. die Unterstützung der Maßnahmen zur Freiersensibilisierung ein.

Anschreiben des Deutschen Frauenrates an den DFB mit dem Wunsch nach Unterstützung - meine Kollegin Frau Helmhold hat es schon gesagt - wurden ignoriert. Auch wenn die Anzahl weiblicher Fans in den Stadien steigt und die deutsche Frauennationalmannschaft schon die Titel gewonnen hat, nach denen die Männer noch streben, so ist Fußball immer noch ein männerdominierter Sport. So ist die Ignoranz des DFB nicht akzeptabel. Umso mehr begrüße ich die positive Reaktion des Vorsitzenden des Niedersächsischen Fußballverbandes, Herrn Karl Rothmund, auf ein entsprechendes Schreiben des niedersächsischen Landesfrauenrates. Ich würde mich allerdings noch mehr freuen, wenn Herr Rothmund diese verbale Unterstützung auch in konkrete Taten umsetzen würde.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In einer Fußballstadt wie Wolfsburg - Wolfsburg ist ja nicht nur eine Autostadt, sondern auch eine Fußballstadt - wäre vielleicht auch die Anwesenheit zur Ausstellungseröffnung ein erstes Zeichen.

Vor einigen Jahren gab es eine Plakataktion gegen Gewalt an Frauen. Der damals noch aktive Fußballer Thomas Helmer zeigte Gesicht auf diesen Plakaten. Deshalb sage ich: Sport und das öffentliche Eintreten gegen Gewalt an Frauen passen sehr wohl zusammen, Herr Mayer-Vorfelder.

(Zustimmung bei der SPD)

Die niedersachsenweite Kampagne gegen Zwangsprostitution „Freier haben Verantwortung“ greift das Thema mit der Ausstellung von Terre des Femmes auf. Der Landesfrauenrat hat sich dankenswerterweise erneut mit dem Thema beschäftigt, und zwar nicht nur auf der Delegiertenkonferenz mit einem Beschluss, sondern auch zusammen mit der LAG der Frauenbeauftragten und der Stelle KOBRA. Diese drei führen diese Kampagne durch. Auch der Landtag wird aktiv und fordert die Landesregierung auf, hierbei unterstützend zur Seite zu stehen.

Der Flyer zur Eröffnung der Ausstellung zeigt mit der Vielfalt der Erstunterzeichnenden, dass der Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution von vielen unterstützt wird. Dass der Sport hier nicht abseits steht, zeigt u. a. die Unterschrift des Präsidenten des Landessportbundes, Herrn Professor Umbach.

Wir sagen ja zu einer fröhlichen und friedlichen Fußballweltmeisterschaft, aber nein zu Menschenhandel und Zwangprostitution.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Meißner das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben schon gehört, dass wir alle uns fraktionsübergreifend für diesen Antrag einsetzen werden. Das finde ich sehr gut so. Die Hessen haben uns schon ein gutes Beispiel gegeben. Im Hessischen Landtag ist schon am 20. Dezember fraktionsübergreifend ein fast gleich lautender Entschließungsantrag verabschiedet worden. Ich halte das für sehr wichtig; denn wir alle freuen uns auf die Fußballweltmeisterschaft. Das ist völlig klar. Deutschland freut sich darauf, dass dieses Großereignis hier stattfindet.

Vielleicht denken einige: Warum sollen wir uns dann mit diesem Thema beschäftigen? - Ich halte es für sehr notwendig, dieses Thema nicht außer Acht zu lassen. Sie haben schon gehört, dass von allen Experten geschätzt wird, dass die Zwangsprostitution im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland rasant ansteigen wird. Darauf müssen wir im Vorfeld entsprechend reagieren.

Um zu zeigen, was für ein „tolles“ Geschäft das ist: Das BKA schätzt, dass allein 2003 bei 93 Verfahren von Zwangsprostitution von den Männern, die das vermittelt hatten, ungefähr 12 Millionen Euro verdient worden waren. Das heißt, es handelt sich um ein Verbrechen, um eine Menschenrechtsverletzung, die ein sehr lukratives Geschäft ist, und zwar inzwischen wesentlich lukrativer als z. B. der Drogenhandel. Wenn man das weiß, dann kann man nicht die Augen davor verschließen, sondern muss sich dagegen einsetzen.

Profisportler haben für die ganze Bevölkerung eine Idolfunktion, eine Vorbildfunktion, die sie wahrnehmen sollten. Deswegen muss man meiner Meinung nach alles tun, um den DFB, der im September die Aufforderung des Deutschen Frauenrats abgelehnt hat, gemeinsam eine Kampagne zu starten, dazu zu bewegen, dies doch noch zu tun. Der DFB hat in anderen Fällen Kampagnen mit unterstützt. Es gab z. B. schon Kampagnen des Deutschen Fußballbundes gegen Drogen und gegen Rassismus. Meiner Meinung nach passt es durchaus, wenn er nun eine Kampagne gegen Zwangsprostitution mit unterstützt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Noch einmal: Es geht nicht darum, in irgendeiner Weise die Prostitution generell zu bestrafen oder zu diskriminieren. Vielmehr geht es darum, Frauen zu schützen, die hier in eine elendige Situation geraten. Wir sollten einmal darüber nachdenken, wie es umgekehrt wäre, wenn Deutschland ein Land mit sehr großen wirtschaftlichen Problemen wäre, aus dem ein junges Mädchen, um der Familie zu helfen, ins Ausland gehen würde, meinetwegen nach Osteuropa - um es umzudrehen -, in der Hoffnung, dort eine Stelle als Kellnerin zu finden, und dann dort in Zwangsprostitution - in eine Gefängnissituation, wie es Frau Helmhold beschrieben hat - geraten würde. Wenn ich an so etwas denke, dann sage ich mir: Spätestens das muss uns alle wachrütteln, dass wir wirklich etwas dagegen tun müssen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Wir wollen also die Freier sensibilisieren. Wir wollen ihnen Wege aufzeigen, wie sie, wenn sie merken, dass sie es mit Zwangsprostitution zu tun haben, anonym eine Meldung abgeben können, damit man dem nachgeht.

Es ist angesprochen worden: Auch der Landesfrauenrat hat eine Resolution formuliert, die Anfang

Februar bei einer Ausstellungseröffnung vorgestellt wird. Es ist schon gesagt worden, dass Herr Präsident Umbach unterschrieben hat. Wir haben ja den Präsidenten des Niedersächsischen Turnerbundes hier unter uns. Er ist mit Sicherheit auch dafür, das Ganze zu unterstützen. Wir haben unter den Erstunterzeichnern der Resolution auch alle weiblichen Mitglieder des Landeskabinetts inklusive Staatssekretären und auch den stellvertretenden Ministerpräsidenten; er hat auch schon unterzeichnet.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Und der echte?)

Ich bin ziemlich sicher, dass andere diesem Beispiel folgen werden.

Jetzt, Herr Schünemann, ein Appell ganz speziell an Sie: Das ist eine Angelegenheit - es wurde schon gesagt -, die mit Polizei und innerer Sicherheit zu tun hat und natürlich auch mit dem Sport. Ihr Ministerkollege in Hessen, Herr Bouffier, hat, nachdem dieser gemeinsame Entschließungsantrag verabschiedet worden ist, dem Parlament zugesagt, er werde sich im Namen der Landesregierung und auch des Parlaments dafür einsetzen, dass der DFB das mit aufgreift, damit Deutschland bei der WM ein positives Gesicht zeigt und dass wir uns auch hierbei vorbildlich zeigen. Ich bin sicher, Sie werden darüber nachdenken und uns vielleicht entsprechend folgen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Jakob das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In wenigen Monaten haben wir in Deutschland die Welt zu Gast. Wir alle freuen uns, dass die Fußball-Weltmeisterschaft hier bei uns stattfindet. Die Vorbereitungen laufen überall auf Hochtouren. Wir alle fiebern mit unserer Mannschaft, halten die Daumen und hoffen, dass wir Weltmeister werden.

Doch leider hat dieses sportliche Ereignis auch eine Schattenseite. Erfahrungen bei vergleichbaren Veranstaltungen zeigen, dass man von einer Ausweitung des Menschenhandels und der Zwangsprostitution ausgehen muss. In diesem

Zusammenhang fordern Menschenrechtsund Frauenorganisationen bereits seit längerer Zeit, Maßnahmen zu ergreifen, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren. Denn Frauenhandel ist heute das lukrativste, risikoärmste Geschäft der organisierten Kriminalität. Wir müssen feststellen: Obwohl der Frauenhandel rasant zunimmt, sinkt seit Jahren die Zahl der Verurteilungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach Schätzungen des Deutschen Städtetages werden zusätzlich bis zu 40 000 Prostituierte vor allem aus Osteuropa zu uns kommen. Auch beim Bundeskriminalamt heißt es: Natürlich richten sich Bordellbetreiber auf solche Großereignisse ein; denn erfahrungsgemäß steigt auch die Nachfrage nach sexuellen Dienstleistungen.

Nur wenige Frauen arbeiten selbständig ohne Zuhälter und Bordellbetreiber. Wir wissen, viele werden mit Erpressung und Gewalt gefügig gemacht und abkassiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Opfer von Zwangsprostitution brauchen Aufmerksamkeit und Hilfe. Deshalb bedanke ich mich bei allen Fraktionen, dass es uns gelungen ist, zu diesem wichtigen Thema einen interfraktionellen Antrag einzubringen.

(Zustimmung bei der CDU)

Es geht darum, auch in Niedersachsen entsprechende Aktivitäten zu unterstützen, um vor und während der Fußballweltmeisterschaft die Öffentlichkeit, insbesondere die Freier, über Zwangsprostitution aufzuklären. Es ist wichtig, dass wir ein breites Bündnis aus Frauen-, Menschenrechtsorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften und Politik bilden. Die CDU begrüßt, dass sowohl Frauenverbände als auch die Landesregierung auf die Problematik während der Weltmeisterschaft hinweisen. Wir begrüßen weiterhin, dass sich der ressortübergreifende Arbeitskreis „Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels“ bereits mit dieser Thematik befasst hat.

Auch direkte Aktivitäten sind schon geplant. Der Landespräventionsrat plant gemeinsam mit der Koordinierungsstelle, der Beratungsstelle KOBRA und der Landeshauptstadt Hannover eine landesweite Kampagne, um die Gesellschaft, insbesondere die Freier, für das Thema Zwangsprostitution zu sensibilisieren.

Es soll ein Filmspot erstellt werden. Dieser soll ein verantwortungsvolles Handeln fördern; denn viele Freier machen sich nicht bewusst, dass sie es mit Opfern eines Verbrechens zu tun haben, dass sie erst durch ihre Nachfrage direkt oder indirekt Menschenhandel und organisierte Kriminalität unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen jede Möglichkeit der Aufklärung und der Verhinderung nutzen. Hierbei ist gerade auch der Deutsche Fußballbund gefordert. Bedauerlicherweise ist bisher nichts geschehen. Vielleicht überlegt er es sich aufgrund unseres Appells heute noch einmal. Schließlich hat er als große Sportorganisation eine Vorbildfunktion gerade auch für junge Menschen; denn in unserem Rechtsstaat dürfen Menschenrechtsverletzungen keinen Platz haben.

Ich freue mich, dass wir diesen interfraktionellen Antrag sofort beschließen. Denn Wegsehen und Schweigen ist für uns keine Lösung. Diese Schicksale gehen uns alle an. Deshalb gilt es, hier Verantwortung zu übernehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Schünemann das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Niedersächsische Landesregierung misst der Bekämpfung des Menschenhandels und der Zwangsprostitution seit jeher auch losgelöst von der Fußballweltmeisterschaft 2006 eine hohe Priorität zu. Wir haben eine Vielzahl von Initiativen und Maßnahmen zum Schutz und zur besonderen Betreuung der Opfer ergriffen. Dies wurde gegenüber dem Niedersächsischen Landtag wiederholt dargelegt.

Die niedersächsische Polizei geht seit mehreren Jahren nach einem dreistufigen Konzept erfolgreich gegen den Menschenhandel vor. Danach werden zunächst relevante Informationen erhoben, um Täterstrukturen erkennen zu können. Auf der Grundlage dieser Daten werden operative Maß

nahmen, z. B. Razzien, durchgeführt. Die in diesem Zusammenhang erlangten zusätzlichen Erkenntnisse werden weiter ausgewertet, analysiert und als landesweite Datenbasis den flächendeckend in Niedersachsen für die Bearbeitung von Menschenhandelsverfahren zuständigen Dienststellen zur Verfügung gestellt.

Auf der Grundlage weiterer Konzeptionen optimiert und intensiviert die Polizei u. a. den Schutz von Opferzeuginnen und Opferzeugen in Fällen von Menschenhandel. In Kürze wird eine Arbeitshilfe „Menschenhandel“ zur polizeilichen Ermittlungsunterstützung eingeführt.