Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

Ich frage entsprechend unserer Geschäftsordnung, ob Ausschussüberweisung beantragt wird. Wer diese beantragen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Das sind eindeutig mehr als 30 Mitglieder des Landtages.

Wir kommen damit zur Ausschussüberweisung.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das wer- den wir noch einmal richtig bespre- chen!)

Wer der Überweisung des Antrages federführend an den Ausschuss für Inneres und Sport und mitberatend an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit. Dann ist so entschieden worden.

Wir kommen dann zum nächsten Tagesordnungspunkt:

Tagesordnungspunkt 22: Wahl von Vertrauensleuten und Vertretern für den Ausschuss zur Wahl der ehrenamtlichen Richter bei dem Niedersächsischen Finanzgericht Hannover für die Amtszeit vom 01.09.2006 bis 31.08.2011 - Wahlvorschlag - Drs. 15/2601

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. - Ich höre keinen Widerspruch.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 23: Zweite Beratung: Bildungskollaps verhindern - Sonderprogramm auf den Weg bringen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2316 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 15/2635

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich erteile der Kollegin Graschtat von der SPDFraktion das Wort. Bitte schön, Frau Graschtat!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit der Einbringung unseres Antrages im November 2005 hat sich viel getan. Schon damals gab es viele, die wie wir dringenden Handlungsbedarf sahen, um einen Hochschulkollaps durch die gravierende Zunahme der Schulabgänger mit Hochschulreife und durch den doppelten Abiturjahrgang abzuwenden.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Alle Wissenschaftsorganisationen und die Elternvertretungen in Bund und Ländern haben inzwischen erneut darauf hingewiesen, dass es unverantwortlich ist, abzuwarten. Der bayerische Kollege von Herrn Stratmann hat die Absicht, ab 2008 für fünf Jahre 200 Millionen Euro jährlich zu investieren, um zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Baden-Württemberg beabsichtigt, 16 000 zusätzliche Stellen einzurichten, und wird dazu bis Mitte 2006 einen Maßnahmenkatalog vorlegen. Dabei wird dort der doppelte Abiturjahrgang die Hochschulen erst 2012 erreichen. In Niedersachsen ist das schon 2011 der Fall.

In Niedersachsen hat sich Ministerpräsident Wulff zu Wort gemeldet. Auf dem Philologentag am 30. November 2005 hat er gefordert, die Abiturquote in Niedersachsen von heute 26,4 % auf 40 % zu steigern. Er wurde von seinem Kultusminister unterstützt, der dieses Ziel für ebenso mutig wie toll hält. Und was macht Wissenschaftsminister Stratmann? - Er setzt auf abwarten und denkt nicht einmal daran, Vorkehrungen zu treffen, um der gravierend steigenden Zahl von Schulabgängern bei gleich bleibender Abiturquote einen Studienplatz anbieten zu können.

Diese Diskrepanz ist ein starkes Stück. So hat denn auch der Philologenverband die an einem Mittwoch gehaltene Sonntagsrede des Ministerpräsidenten hinterfragt. Er hat vor einer Bildungskatastrophe im Hochschulbereich gewarnt, die ihresgleichen sucht, und darauf hingewiesen, dass Anstrengungen zur Steigerung der Abiturquote sinnlos sind, wenn nicht die entsprechenden Hochschulkapazitäten zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren, wir stellen fest: Die Zeit, in der man zu diesem Thema mit heißer Luft Punkte machen konnte, ist endgültig vorbei.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es sieht so aus, als ob das auch Frau Schavan erkannt hätte. Dem klaren Bekenntnis, dass mehr Studierende nichts Negatives, sondern eine Chance für Gesellschaft und Wirtschaft sind, ist die öffentliche Forderung nach einem gemeinsamen Hochschulpakt von Bund und Ländern gefolgt. Nach einem ersten Treffen mit Wissenschaftsministern der Länder am 25. Januar 2006 hat sie diese Notwendigkeit bekräftigt. Ende März soll weiter beraten werden.

Die gemeinsame Forderung, die wir ausdrücklich unterstützen, muss sein, dass sich der Bund finanziell beteiligt; denn diese Herausforderung kann ohne finanzielle Beteiligung des Bundes nicht bewältigt werden. Das sieht auch Frau Schavan so. Sie hat in der Süddeutschen Zeitung vom 16. Januar erklärt, dass ungeachtet der Föderalismusreform nicht auszuschließen sei, „den Hochschulen auch bei Studium und Lehre zeitlich befristet zu helfen.“ Da bleibt zu hoffen, dass die Vernunft siegt und dass sich nicht die üblichen Verdächtigen mit der Forderung durchsetzen, das Problem mit verstärkter Forschungsförderung durch den Bund zu lösen, um dadurch in den Ländern Mittel zur Schaffung neuer Kapazitäten in der Lehre freizusetzen.

Es ist nicht verwunderlich, dass diese Forderung aus dem Süden, u. a. von Wissenschaftsminister Frankenberg aus Baden-Württemberg, erhoben wird. Die südlichen Bundesländer würden dann nämlich nicht nur Hauptprofiteure der Mittel für Eliteförderung, sondern auch aus diesem Programm. Das Nord-Süd-Gefälle in der Hochschullandschaft würde weiter verstärkt, was mittlerweile auch Wissenschaftsminister Stratmann erkannt und als negative Folge der Föderalismusvereinbarungen beklagt hat.

Herr Minister, wir fordern Sie auf: Sorgen Sie mit dafür, dass der Bund in besonderen Fällen - wie in diesem - auch Lehre an Hochschulen finanzieren darf.

(Beifall bei der SPD)

Es darf nicht dazu kommen, dass die bewährten Kooperationen zwischen Bund und Ländern in solchen Fällen nicht mehr zulässig sind.

Meine Damen und Herren, ich habe dargestellt, dass eigentlich alle, die sich mit diesem Thema

beschäftigen, zur Tat geschritten sind oder Taten zumindest für zwingend erforderlich halten. Und was macht unsere CDU/FDP-Koalition? - Sie lehnt am 19. Januar im Wissenschaftsausschuss unseren Antrag ab, weil es keinen Handlungsbedarf gäbe.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Hört, hört!)

Mit dieser Haltung der Mehrheitsfraktionen im Gepäck reiste Minister Stratmann dann wenige Tage später zu dem Treffen mit Frau Schavan. Das war eine wahrlich machtvolle Demonstration für die Interessenlage des Landes und die jungen Menschen, die einen Studienplatz brauchen. Schon heute sind in Niedersachsen die Studiengänge an Unis zu 65 %, an Fachhochschulen zu 90 % zulassungsbeschränkt. Die Zahl der Studienanfängerplätze ist seit 2003 um 4 200 reduziert worden. Niedersachsen hat schon heute 15 000 Studienplätze zu wenig.

Da hilft es nicht weiter, wenn man - wie Staatssekretär Lange - die Zahlen der KMK als zu hoch anzweifelt. Da hilft es auch nichts, wenn man - wie Herr Professor Brockstedt - abwarten will, ob sich die Einführung von Studiengebühren studienzeitverkürzend auswirkt oder wie sich das Verhalten in Abhängigkeit von Bachelor und Master verändern wird. Den Erfolg von Bachelor und Master gefährden Sie neben allem anderen durch Ihr Nichtstun nämlich auch noch. Wir steuern, wenn nichts getan wird, auf einen flächendeckenden NC in allen Fächern an allen Hochschulen zu, und zwar mit Volldampf.

Herr Minister, sorgen Sie dafür, dass sofort ein Sonderprogramm entwickelt wird, um den Bildungskollaps in Niedersachsen zu verhindern. Unterstützen Sie die Bundesländer, die der Auffassung sind, dass sich der Bund an diesem Programm beteiligen muss, und geben Sie Niedersachsen eine starke Stimme unter den Bundesländern.

(Beifall bei der SPD)

Im Interesse dieser wichtigen Sache hoffen wir, dass Ihnen in dieser Frage einmal etwas gelingt.

An die Fraktionen von CDU und FDP kann ich nur appellieren, unserem Antrag zuzustimmen und damit spät, aber nicht zu spät zu bekunden, dass auch Sie die Zeichen der Zeit erkannt haben - als Letzte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Brockstedt. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind in der zweiten Beratung eines Antrags, von dem man eigentlich nur sagen kann: Er ist völlig überflüssig und stiehlt uns die Zeit für wichtige Dinge.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD)

Angesichts des heutigen Zeitverzuges von fast vier Stunden kann man das nur unterstreichen. Aber Sie haben diesen Antrag gestellt, und so dürfen wir uns nun damit befassen.

Der Kollege Zielke verwies in der ersten Beratung richtigerweise darauf, dass dieser Antrag rechtzeitig zu Beginn der Karnevalszeit eingegangen sei, und beschrieb seine Empfindung, die er beim Lesen dieses Antrags hatte, mit den Worten des Karnevalsliedes: „Wer kann das bezahlen, wer hat so viel Geld?“

(Manfred Nahrstedt [SPD]: Kommt er aus Köln?)

Nun, die Karnevalszeit geht nächste Woche zu Ende, und Sie haben in der ganzen Zeit keinen Versuch unternommen, uns zu erklären, wie Sie die Forderungen aus Ihrem Antrag finanzieren wollen.

(Katrin Trost [CDU]: Das interessiert sie nicht, sie fordern ja nur!)

Aber so kennen wir Sie ja. Niedersachsen hat heute noch darunter zu leiden, dass Sie sich solche Fragen auch zu Ihren Regierungszeiten nie gestellt haben.

Lassen Sie mich trotzdem auf Ihren Antrag eingehen, sehr geehrte Damen und Herren. Erst einmal wollen wir uns doch freuen - Sie haben das eben angesprochen -, dass die Zahl der Hochschulzugangsberechtigten trotz der demografischen Effekte zunimmt.

Herr Kollege Brockstedt, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Frau Dr. Andretta?

Sie kann ihre Frage am Ende meiner Rede stellen. Dass wir 2011 einen doppelten Abiturjahrgang haben werden, war von uns so gewollt, als wir im Juni 2003 das Schulgesetz mit dem Abitur nach der 12. Klasse beschlossen haben. Dies gilt inzwischen auch für alle anderen Bundesländer. Die einen kommen ein Jahr früher dazu, die anderen ein Jahr später. Insgesamt gesehen ist der doppelte Abiturjahrgang ein bundesweites Problem. Dieses Problem wird die Hochschulen bis zum Jahr 2020 belasten. - Das haben wir alles schon in der ersten Beratung festgestellt.

Durch Ihren Antrag wollen Sie feststellen lassen, dass 2011 55 000 Abiturienten fertig werden. Das ist Fakt, das brauchen wir nicht zu beschließen.