Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

(Zuruf von der CDU: Mit uns auch nicht!)

Das ist eine ganz klare Geschichte!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn Sie meinen, Sie könnten Ihre Macht wie immer einsetzen: Die Macht, die bisher die Öffentlichkeit gehabt hat, hat Sie ja erst dazu gebracht, darüber nachzudenken. Und diese Macht, meine Damen und Herren, ist größer als das, was Sie glauben, an politischer Macht zu haben.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist Frau Langhans von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Langhans, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, Sie haben einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Nun wird zu beobachten sein, ob es auch wirklich ein Schritt gewesen ist oder ob Ihr Innenminister wieder auf der Stelle stehen bleibt. Am Ende war es ein Sturm der Entrüstung, der Druck aus Kirchen, Öffentlichkeit und Opposition, der Sie zum Einlenken gebracht hat. Tatsache ist: Sie sind mit dem mehr als zögerlichen Versuch einer niedersächsischen Härtefalllösung gescheitert. Ihr Interesse an humanitären Lösungen war nur marginal vorhanden. Mit Abschiebungen während eines laufenden Verfahrens haben Sie, Herr Schünemann, mehr als einmal deutlich gemacht, was Sie von dieser Einrichtung hielten. Das so genannte Härtefallgremium war sich einig, dass dieses Verfahren nicht weiter akzeptabel ist. Wir sind gespannt, wie sich der Innenminister einer zukünftigen Härtefallkommission gegenüber verhält.

Meine Damen und Herren von der FDP, es ist eigentlich bedauerlich, dass Sie so lange gezögert haben, sich für eine Härtefallkommission einzusetzen. Dann hätte mit Sicherheit der Beschluss zur Abschiebung einer Familie aus Sri Lanka ganz anders gelautet.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen wird jetzt eine Härtefallkommission einrichten. Dabei geht es darum, bei individuellen Einzelschicksalen von Personen, die aus persönlichen oder humanitären Gründen über viele Jahre nicht abgeschoben werden konnten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen.

Es ist weder im Sinne des Zuwanderungsgesetzes noch im Sinne der Betroffenen, die Hürden für die Anerkennung eines Härtefalls derart hoch zu legen, dass lediglich ein verschwindend kleiner Kreis Zugang zu einem Verfahren für ein ohnehin nur begrenztes Aufenthaltsrecht erhält.

(Klaus Krumfuß [CDU]: Nur wirkliche Härtefälle!)

Meine Damen und Herren, können Sie sich eigentlich vorstellen, wie es Menschen geht, die hier leben, aber jeden Tag mit ihrer Abschiebung rechnen müssen, wenn es in den frühen Morgenstunden an der Tür klingelt, sie in aller Eile ihre Sachen zusammenpacken müssen, und das oft nach langjährigem Aufenthalt, wenn die Kinder sich nicht einmal von Freunden verabschieden können, weil durch den Erlass des Innenministers Abschiebungen nicht mehr vorher angekündigt werden?

(Klaus Krumfuß [CDU]: Das darf nicht wahr sein!)

Trotz dieses unermesslichen psychischen Drucks haben es die meisten geschafft, sich gut zu integrieren. Vor allem die Kinder haben es geschafft, sich im Rahmen von Schule und Freizeitgestaltung zu integrieren. Niedersachsen ist ihre Heimat. Meine Damen und Herren, Niedersachsen braucht diese Familien, und zwar die Kinder mit den dazugehörigen Vätern und Müttern und deren Qualifikationen.

Immer wieder beklagen Sie, dass viele geduldete Familien von Transferleistungen abhängig sind. Können Sie mir einmal erklären, wie Menschen arbeiten sollen, wenn sie in der Regel einen Stem

pel der Ausländerbehörde - und nicht des Arbeitsamtes - in ihren Papieren haben, nach dem ihnen eine Arbeitsaufnahme nicht gestattet ist? Hier müssen Sie dringend an Erleichterungen arbeiten. Es kann nicht angehen, dass geduldete Flüchtlinge, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Anspruch nehmen, keine Chance haben, als Härtefälle anerkannt zu werden.

Meine Damen und Herren, die Liste der Ausschlusskriterien, Herr Schünemann, lässt nichts Gutes hoffen. Mir scheint, den Titel „Minister Erbarmungslos“ haben Sie zu Recht, und Sie werden ihn so schnell nicht los.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Klaus Krumfuß [CDU]: Das ist unverschämt, dass Sie das sagen! Das ist einfach unverschämt!)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal an den Fall Zarah Kameli erinnern. Er ist damals Auslöser für die jetzt gescheiterte Härtefalleinrichtung in Niedersachsen gewesen. Im Fall Zarah Kameli würde auch unter den jetzigen Ausschlusskriterien - Frau Merk ist sehr deutlich darauf eingegangen die Abschiebung nicht verhindert werden, sondern sie würde wiederum abgeschoben werden.

Meine Damen und Herren, eine Härtefallkommission wird nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sich die Entscheidungen an Worten wie „human“, „mitfühlend“, „gnädig“ und „christlich“ orientieren. Die inhumane Praxis der Vergangenheit darf nicht fortgesetzt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Unverschämt ist das!)

Deshalb plädiere ich hier noch einmal unmissverständlich für eine Verordnung, wie sie in Rheinland-Pfalz besteht. Sie können sich darauf verlassen, meine Damen und Herren: Wir werden auch in Zukunft Unterwanderungen des Härtefallverfahrens überprüfen, und wir werden sehr genau beobachten, ob das Innenministerium das Votum der Härtefallkommission auf Anerkennung von Härtefällen konterkariert oder positiv umsetzt.

Meine Damen und Herren, die Möglichkeit, eine Härtefallkommission einzurichten, ist im Zuwanderungsgesetz bewusst geschaffen worden, weil es zu keiner Einigung hinsichtlich einer schon damals notwendigen Bleiberechtsregelung gekommen ist.

Rheinland-Pfalz scheint uns auch hier beispielhaft zu sein, und zwar nicht nur wegen seiner Härtefallkommission. Dort gelingt es durch eine weniger restriktive Auslegung des Zuwanderungsgesetzes, Menschen mit Duldungen eine tragfähige Zukunftsperspektive in Deutschland zu gewähren.

Inzwischen zeichnet sich bundesweit eine parteiübergreifende Lösung ab. Der entsprechende Gesetzentwurf meiner Fraktion im Bundestag ist auf breite Zustimmung gestoßen, und zwar in der Öffentlichkeit, bei den Kirchen und auch bei der FDP, die sich auch hier in Niedersachsen ausweislich ihres Parteitagsbeschlusses der Forderung nach einem Bleiberecht angeschlossen hat.

Leider hat sich die Innenministerkonferenz im Dezember letzten Jahres als unfähig erwiesen, eine Lösung für geduldete Migranten zu finden. Auch hier hat sich Niedersachsens Innenminister wieder einmal als unerbittlicher Hardliner entpuppt. Wir haben aber begründete Hoffnung auf eine Entscheidung des Bundestages. Um unnötige Härten bis dahin auszuschließen, ist ein genereller Abschiebestopp notwendig. Wir wissen, dass Niedersachsen dies nicht im Alleingang beschließen kann. Der Innenminister könnte aber nach dem Zuwanderungsgesetz hier und heute entscheiden, dass zumindest Jugendliche, die von seinem Vorschlag zum Bleiberecht erfasst würden, und ihre Eltern von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verschont bleiben.

Von daher bitte ich Sie: Unterstützen Sie unseren Antrag. Gehen Sie auf dem Weg, den Sie jetzt zu beschreiten begonnen haben, weiter und verbauen Sie Familien und ihren Kindern nach jahrelanger Ungewissheit nicht weiter eine tragfähige Zukunftsperspektive hier in Niedersachsen. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr McAllister von der CDUFraktion. Sie haben das Wort, Herr McAllister.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landtagsfraktionen von CDU und FDP haben gemeinsam beschlossen, die Landesregierung zu bitten, eine Härtefallkommission einzurichten. Ein entsprechender Änderungsantrag der beiden Koalitionsfraktionen zu den An

trägen von SPD und Grünen liegt dem Hause seit einigen Stunden vor.

Die Ausgangslage ist dabei klar. Das Zuwanderungsrecht in Deutschland hat die Zuwanderung begrenzt und die Steuerung abschließend geregelt. Der Bundesgesetzgeber hat alle gewünschten Möglichkeiten der Zuwanderung und der Integration festgelegt. An diesen Vorgaben können und vor allen Dingen wollen wir nach der jahrelangen Diskussion über dieses Thema nicht rütteln. Das Zuwanderungsgesetz - das ist bekannt - bietet den Landesbehörden einen Ermessensspielraum, um aus humanitären Gründen Härtefälle berücksichtigen zu können. Die Behörden können dann in bestimmten Einzelfällen Aufenthaltsgenehmigungen erteilen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man das macht. Bei uns in Niedersachsen haben sich bisher zunächst der Petitionsausschuss und dann der Innenminister abschließend mit der Frage der so genannten Härtefälle befasst. Beide Instanzen - das ist unsere feste Überzeugung haben stets intensiv recherchiert, die Fakten gewissenhaft abgewogen und sich keine Entscheidung leicht gemacht. Ich sage hier ganz ausdrücklich: Der Petitionsausschuss hat in den letzten Monaten hervorragende Arbeit geleistet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich gehöre dem Petitionsausschuss nicht an, aber ich habe mich mit vielen unserer Kolleginnen und Kollegen unterhalten, die in diesem Ausschuss Mitglied sind. Eines weiß ich: Viele Mitglieder des Petitionsausschusses - ich denke, das gilt für die Abgeordneten aus allen vier Fraktionen - sind dabei bis an die Grenzen des Leistbaren gegangen. Sie haben die Betroffenen zu Hause besucht, um sich persönlich ein Bild von deren Situation und Schicksal zu machen, und Sie haben auch im Umfeld der Betroffenen Gespräche geführt.

Ich weiß auch eines ganz genau, weil wir in der Fraktion immer wieder über diese Themen diskutiert haben: Die Mitglieder des Petitionsausschusses haben sich keine einzige Entscheidung leicht gemacht. Es ist uns deshalb, wie ich denke, gelungen, die richtigen Entscheidungen in den letzten zehn Monaten zu treffen.

(Beifall bei der CDU)

Als der Petitionsausschuss vor einem Jahr seine Arbeit aufgenommen hat, sind wir als CDU und FDP davon ausgegangen, dass jeder und vor allen Dingen jede in dem Ausschuss seine bzw. ihre

Verschwiegenheitspflicht ernst nimmt und es vernünftige Entscheidungen abseits von Schlagzeilen geben kann.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Heute stellen wir nach fast zehn Monaten fest: Wir wissen es besser. Mir berichten viele Kolleginnen und Kollegen von der CDU und auch von der FDP, dass im Petitionsausschuss mit einigen auf rein sachlicher Ebene eine Arbeit nicht mehr möglich zu sein scheint.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ärgert mich. Es gibt leider - das ist heute auch hier wieder durchgeklungen - einige wenige Kollegen, die dieses ernste Thema für parteipolitische Spielchen missbrauchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das ist unerhört!)

Unsere CDU- und FDP-Kollegen haben sich stets an die Verschwiegenheitspflicht bezüglich der Beratungen im Ausschuss gebunden gefühlt. Sie haben das hinter einer Petition stehende Einzelschicksal stets vor Augen gehabt. Deshalb haben CDU und FDP in der Vergangenheit auch davon Abstand genommen, manch öffentlich geäußerte Kritik „gerade zu rücken“. Hierdurch sind Entscheidungsverfahren und Entscheidungsgrundlagen für die Menschen insgesamt intransparent geworden, und viele Menschen können derzeit aufgrund der vorliegenden Situation nicht immer nachvollziehen, warum eine Entscheidung so getroffen wurde, wie sie nun einmal getroffen wurde. Wir wollen die Entscheidungen deshalb wieder transparent machen.

Das Thema der Einrichtung einer Härtefallkommission hat die Debatte in diesem Hause übrigens über viele Jahre bestimmt. Bis zur Landtagswahl 2003 waren sich die beiden großen Fraktionen in diesem Hause einig, dass wir eine gesonderte Härtefallkommission nicht einrichten wollen. Eines hat uns gegenüber dem, was Sie jetzt mit uns machen, aber unterschieden: Wir haben damals in Oppositionszeiten die ausländischen Flüchtlinge nicht für parteipolitische Zwecke instrumentalisiert. Wir haben die Entscheidungen Ihrer früheren Innenminister mitgetragen. Das unterscheidet uns.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aus den bekannten Gründen haben wir beschlossen, den Innenminister nun zu bitten, eine Härte

fallkommission einzurichten. Die Härtefallkommission soll bis zum 31. Dezember 2009 eingerichtet werden. Die Mitglieder werden, wie es § 23 des Aufenthaltsgesetzes vorsieht, vom Innenminister entsprechend benannt. Der Innenminister erlässt die Geschäftsordnung. Die Härtefallkommission soll mit Zweidrittelmehrheit dem Innenminister als oberster Ausländerbehörde entsprechende Empfehlungen geben. Der Innenminister ist frei in seiner Entscheidung, wen er in die Kommission beruft. Als CDU-Fraktion haben wir den Wunsch geäußert, dass in jedem Fall die Kirchen, die Sozialverbände und die kommunalen Spitzenverbände dabei sein sollen.

Eines muss aber auch klar sein - Frau Merk und Frau Langhans haben dies angesprochen -: Wir als CDU und FDP haben auch einen klaren Ausschlusskriterienkatalog formuliert.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Der ist sehr umfangreich!)