Protokoll der Sitzung vom 23.03.2006

Die Bundesagentur meldet aus ihren Schulungen und Anwerbungsgesprächen eine stärkere Nachfrage von deutschen Arbeitslosen nach Saisonarbeit. Die Initiative, niedrige Grundlöhne durch Tagesprämien aufzustocken, wirkt hier offenbar gut. Es ist allemal besser, nach dem Grundsatz des Kombilohnmodells Arbeitsentgelte zu fördern, als Langzeitarbeitslosen Unterstützung zu zahlen.

(Zustimmung von Clemens Große Macke [CDU])

Die SPD hat heute noch einen Änderungsantrag eingebracht, in dem sie schon auf diese neuen Erfolge abhebt und fordert, die Zahl der inländischen Arbeitnehmer weiter anzuheben. Außerdem ist die Rede von einer Steigerung der Akzeptanz zur Beschäftigung inländischer Erntehelfer durch geeignete Maßnahmen und von der Zahlung einer grundsätzlichen Sozialabgabe im EU-Heimatstaat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im Ausschuss gründlich darüber beraten und sind dort zu dem Schluss gekommen, dass der vorliegende Antrag von CDU und FDP den Forderungen gerecht wird. Was die Zukunft bringt, wird der Markt entscheiden. Es wird sich zeigen, ob es gelingen wird, mit einer größeren Zahl deutscher Langzeitarbeitsloser den Ansprüchen des Marktes gerecht zu werden. Es ist richtig, den Entschließungsantrag von CDU und FDP zu unterstützen, um den von mir richtig als erachteten Dingen die entsprechende Unterstützung zu geben. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Kollege Johannßen.

Meine Damen und Herren, bevor der Kollege das Wort nimmt, teile ich noch mit, dass der Tagesordnungspunkt 48 an die Stelle des ehemaligen Punktes 34 vorgezogen wird. Wenn Sie sich das bitte notieren und die Redner das entsprechend berücksichtigen, wäre das in Ordnung.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das war die Domäne!)

Herr Kollege, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das war nicht die Domäne, Herr Althusmann. Ich glaube, Sie sind in der Tagesordnung schon ein bisschen zu weit. Der Punkt wurde abgesetzt. Sie müssen sich vielleicht noch einmal informieren.

Meine Damen und Herren, die Rede des Kollegen Biestmann hebt sich wohltuend von der Rede bei der Einbringung dieses Antrages ab. Seine Meinungsänderung ist ganz überraschend.

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Wa- rum?)

Bei der Einbringung hat er die vereinbarte Eckpunkteregelung problematisiert, heute hat er sie begrüßt. Herr Biestmann, diese Eckpunkteregelung ist nicht nur von der Bundesregierung eingeführt worden, sondern darüber hinaus in enger Abstimmung und Vereinbarung mit den Spitzenverbänden in der Landwirtschaft und im Gartenbau und mit der IG BAU.

Wir halten diese Eckpunkteregelung für zielführend; das zeigen ja auch die Erfolge, auf die Sie hingewiesen haben. Ziel ist es - Sie haben das erläutert -, die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer auf 80 bzw. 90 % zu begrenzen, um mehr deutsche Arbeitnehmer als Erntehelfer einzusetzen. Ich hatte bis zu Ihrer Rede den Eindruck, dass die Verbände der Landwirtschaft und des Gartenbaus in dieser Hinsicht viel weiter sind als die CDU und die FDP im Niedersächsischen Landtag. Das hat sich nun allerdings geändert; Sie haben jetzt ein bisschen dazu gewonnen und die Regelung nun auch begrüßt.

Ich habe im letzten Jahr ein Gespräch mit dem Vorstand des Gartenbauverbandes Nordwest in Niedersachsen geführt. Dort hat man mir die Situation erläutert. Damals ging es insbesondere um die Sozialabgabepflicht für polnische Arbeitnehmer. Der Vorstand des Gartenbauverbandes Nordwest hatte durchaus Verständnis für die Situation und für das Ziel, mehr deutsche Arbeitnehmer einzusetzen, und hat Unterstützung zugesagt. Das wurde auch durch den Spitzenverband dokumentiert. Es gab natürlich Probleme mit der Abwicklung und mit der Zahlung der Sozialversiche

rungsbeiträge in Richtung in Polen. Darauf sind auch Sie eingegangen. Aber im letzten Jahr hat die damalige rot-grüne Bundesregierung dafür eine pragmatische und praktische Lösung durchgesetzt.

Meine Damen und Herren, ich habe im Ausschuss gesagt, dass Sie offensichtlich zwei Ziele haben. Das erste Ziel war die medienwirksame Darstellung Ihres Antrages. Im Vorfeld der Einbringung dieses Antrages hatten Sie ja schon zahlreiche Presseveröffentlichungen im Lande erwirkt, in denen Sie behaupteten, die Eckpunkteregelung würde nicht funktionieren, die Äpfel würden an den Bäumen vergammeln, und der Spargel würde grün, weil er nicht rechtzeitig gestochen wird.

(Clemens Große Macke [CDU]: Das haben Sie im Ausschuss schon nicht verstanden!)

Das war die Abteilung Marketing, die das alles problematisiert hat.

In den Beratungen im Ausschuss und heute auch hier sind Sie ja wesentlich zurückhaltender. Meine Damen und Herren, es kann nicht funktionieren, dass Sie im Hinblick auf Berlin Regierung und Opposition zugleich sein wollen. Das funktioniert nicht.

(David McAllister [CDU]: Das versu- chen Sie ja schon! - Friedhelm Biest- mann [CDU]: Das machen Sie ja! Das Geschäft beherrschen Sie ja exzel- lent!)

Während Sie hier Anträge und Entschließungen formulieren, sind der Bundesminister und die Agentur für Arbeit schon wesentlich weiter.

(Clemens Große Macke [CDU]: Nun mal ein bisschen zum Änderungsan- trag!)

Ich habe Erkundigungen bei einigen Arbeitsämtern in Niedersachsen, z. B. beim Arbeitsamt in Stade, eingeholt. Dort haben Job-Börsen für Erntehelfer stattgefunden, an denen in Stade 600 und in Buxtehude 250 Interessierte teilgenommen haben.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Haben Sie Zeitung gelesen?)

Es gibt einen Interessentenpool von 550 Personen. Damit wird in Stade die Quote weit übertroffen.

(Clemens Große Macke [CDU]: In Vechta 6 000!)

Ich habe mich weiter erkundigt. In Nienburg hat es in der Vergangenheit Probleme gegeben, das Kontingent für polnische Arbeitnehmer, das den Betrieben zur Verfügung gestanden hat, überhaupt auszufüllen und die entsprechende Zahl von Arbeitskräften nach Deutschland zu bekommen, um diese Arbeiten auszuführen. In Nienburg werden etwa 450 deutsche Arbeitnehmer zusätzlich eingesetzt.

(Clemens Große Macke [CDU]: Keine 10 %!)

Meine Damen und Herren, die Quote von 10 % wird also problemlos erreicht.

(Clemens Große Macke [CDU]: Von dem, was wir haben müssen!)

- Hören Sie doch einfach einmal zu. - Ziel muss es also sein, diese 80-%-Quote mittelfristig zu erreichen. Ich bin in der Hinsicht zuversichtlich.

Wir haben natürlich ein Imageproblem im Zusammenhang mit der Arbeit als Erntehelfer. Es kann nicht darum gehen, Arbeit zu problematisieren und Arbeit in schlechte und in gute Arbeit zu unterteilen. Von daher verlange und erwarte ich von Ihnen Zurückhaltung in Ihrer Argumentation und in Ihrer Pressearbeit. Wir müssen für diese Tätigkeiten werben, wir müssen Akzeptanz für diese Tätigkeiten bekommen.

(Clemens Große Macke [CDU]: Das ist die Abteilung Marketing! Das ha- ben wir ja gemacht!9 Die Dame vom Arbeitsamt in Stade hat mir gesagt: Es kann doch nicht angehen, dass es für Deutsche chic ist, nach Italien und Frankreich zu fahren, um in der Weinlese zu arbeiten, und in Deutschland wird gleichzeitig die Arbeit als Erntehelfer diskredi- tiert. (Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Grundlage und Bedingung ist natürlich, dass die Menschen, die diese Tätigkeit aufnehmen - egal ob es polnische oder deutsche Arbeitnehmer sind -, von der Arbeit ihrer Hände leben können. Daher ist es sinnvoll, dass die unterstützenden Maßnahmen durch die Bundesanstalt für Arbeit stattfinden.

Bei der Einbringung Ihres Antrages hatte ich den Eindruck, Sie wollten wieder zum alten Tagelöhnertum des 18. oder 19. Jahrhunderts zurück oder Zustände wie in Indien oder Brasilien. Wir wollen Arbeit, die vernünftig bezahlt wird und die sozialversicherungspflichtig ist. Wir wollen zu einheitlichen Sozialversicherungsvoraussetzungen in Europa kommen.

In unserem Änderungsantrag gehen wir auf die bisherigen Erfolge ein, die die Aktionen, die das Bundesministerium und die Bundesanstalt für Arbeit gemeinsam mit den Verbänden durchführen, gebracht haben. Wir meinen, wir müssen diese Initiativen aktiv unterstützen und sollten nicht wieder infrage stellen, dass das Ziel von 80 % - sprich: 20 % deutsche Arbeitnehmer - im nächsten Jahr erreicht werden muss. Wir müssen die Akzeptanz erhöhen; ich habe darauf hingewiesen. Wir müssen auch die deutschen Arbeitgeber grundsätzlich auf die Sozialversicherungspflicht hinweisen.

(Zuruf von der CDU: Das wussten wir vorher schon!)

Sozialversicherung ist natürlich in allen Bereichen, nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in Handwerk und Gewerbe immer wieder ein Diskussionspunkt. Nur wenn es uns gelingt, mehr deutsche Arbeitnehmer in Arbeit zu bekommen, werden wir die Sozialversicherungsbeiträge stabilisieren können. Ich bitte, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Das Wort hat der Kollege Oetjen.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Der Einsatz von ausländischen Saisonarbeitskräften ist für die Betriebe aus dem Obstbau, dem Gemüsebau und dem Anbau von Sonderkulturen unverzichtbar. Die landwirtschaftlichen Unternehmen sind darauf angewiesen, zum Zeitpunkt der Ernte, und zwar genau dann, eine ausreichende Zahl von Erntehelfern zur Verfügung zu haben, die auch bereit sind, diese schwere Arbeit zu leisten. Wir dürfen die Betriebe in dieser für sie existenziellen Frage nicht im Regen stehen lassen. Sie brauchen heute und hier die Unterstützung der Politik.

(Beifall bei der FDP)

Daher ist es gut, dass Verhandlungen mit Polen aufgenommen wurden, um ein flexibles, aber vor allem auch unbürokratisches Verfahren für den Einsatz von Erntehelfern zu erreichen. Ich hoffe, dass wir hier bald zu Ergebnissen kommen. Das ist im Sinne der deutschen Landwirte, aber es ist - das sage ich hier deutlich - auch im Sinne der polnischen Arbeitnehmer.

(Beifall bei der FDP)

Neben dem Einsatz von ausländischen Erntehelfern ist der verstärkte Einsatz von deutschen Saisonarbeitskräften absolut wünschenswert. Es kann doch nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass bei 5 Millionen Arbeitslosen der Spargel von Polen gestochen wird, weil uns Deutschen die Arbeit zu schwer ist. Hier ist auch ein Mentalitätswechsel notwendig.

(Beifall bei der FDP)

Daher begrüßt die FDP-Fraktion die Bemühungen von Arbeitsagentur, Landesregierung und Landwirtschaft, zusätzlich deutsche Arbeitskräfte für den Einsatz auf den Feldern zu gewinnen. Dieses Engagement von vielen Initiativen vor Ort - der Kollege Johannßen hat gerade schon einige Arbeitsamtsbezirke aufgezählt - ist wirklich beispielhaft.

(Zustimmung von Dr. Philipp Rösler [FDP])

Nach der Eckpunkteregelung brauchen wir etwa 5 000 deutsche Erntehelfer in Niedersachsen. Diese zu finden, ist nicht so leicht, auch wenn - das hat der Kollege Johannßen gerade schon dargestellt - wir etwa 6 000 Menschen haben, die sich dafür interessieren; denn es ist wichtig, dass sie sich nicht nur dafür interessieren, sondern dass sie diese Arbeit die ganze Zeit machen. Daran wird es möglicherweise hapern.

(Beifall bei der FDP)