2. Warum hat sie entgegen wiederholten öffentlichen Ankündigungen der formal zuständigen Sozialministerin Frau Ross-Luttmann das Gutachten des Instituts für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung (BAB) über betriebswirtschaftlich begründete Alternativen zum Verkauf der Landeskliniken nicht ernsthaft geprüft und in ihre Entscheidung einbezogen?
3. Wie will sie sicherstellen, dass bei der von ihr angestrebten künftigen Trägervielfalt auch regionale bzw. freigemeinnützige Anbieter zum Zuge kommen?
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die ist doch gar nicht zuständig! Sind Sie denn zuständig? - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Für die Landesre- gierung! Die ist immer zuständig, Herr Jüttner! - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber sie doch nicht als Ministerin!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Entscheidung vom 25. April 2006 hat die Landesregierung an ihrer Entscheidung vom 5. Juli 2005 grundsätzlich festgehalten und Eckpunkte für das europaweite Bieterverfahren festgelegt. In das Bieterverfahren werden nicht einbezogen das niedersächsische Landeskrankenhaus Moringen, das niedersächsische Landeskrankenhaus Brauel und der Standort Bad Rehburg des niedersächsischen Landeskrankenhauses Wunstorf. Allen drei Einrichtungen ist gemeinsam, dass sie schon jetzt ausschließlich Patienten im Maßregelvollzug betreuen. Mit dem Vorschlag ist weiterhin verbunden, dass die Hochsicherheitsbereiche in Landeshand verbleiben. Der Hochsicherheitsbereich am Standort Göttingen, das so genannte Feste Haus, wird an einem noch festzulegenden Standort unter Erweiterung der Platzzahl zulasten des Landeshaushalts neu errichtet. Damit ist sichergestellt, dass auch in Zukunft die Verantwortung für die Patienten mit weitestgehenden Freiheitsbeschränkungen beim Land verbleibt. Das Land wird hier weiterhin Maßstäbe für die Struktur, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Betreuung setzen.
Meine Damen und Herren, das Interessebekundungsverfahren ist in Gang gesetzt. Es gewährleistet ein transparentes, objektives und alle Bieter gleich berücksichtigendes Verfahren. Es wird keine Veräußerung zu jedem Preis und um jeden Preis geben.
(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP - Norbert Böhlke [CDU]: Hört, hört! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Der Lieblingssatz!)
Bei dem gesamten Verfahren ist es für mich besonders wichtig, die Beschäftigten auf dem in manchen Bereichen notwendigen Veränderungsprozess mitzunehmen. Die Rechte der Beschäftigten in den Landeskrankenhäusern werden gewahrt. Die Ergebnisse einer eigens zu diesem Thema eingesetzten Projektgruppe werden in das Bieterverfahren mit einbezogen.
Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Beschäftigten sehr ernst und haben deshalb auch den Personalräten der Landeskrankenhäuser angeboten,
Zu 1: Es findet ein Verfahren nach VOL, der Verdingungsordnung für Leistungen, statt. Es hat am 4. Mai mit der Interessebekundung begonnen. Bis zum 12. Juni 2006 haben die Bieter Zeit, ihr Interesse zu bekunden. In Betracht kommende Interessenten erhalten dann Informationsmaterial und ein Begleitschreiben, in dem sie über den weiteren Verlauf des Verfahrens informiert werden.
Im Juli können sich die Teilnehmer dann über den Datenraum die Informationen holen, die sie brauchen, um ein verbindliches Angebot abgeben zu können. Etwa ab September beginnen dann die Einzelverhandlungen. Es wird angestrebt, das Bieterverfahren zum Ende des Jahres 2006 mit dem Zuschlag abzuschließen.
Zu 2: Die Landesregierung hat das Gutachten des Instituts für betriebswirtschaftliche und arbeitsorientierte Beratung (BAB) sehr intensiv geprüft. Auch das Gutachten von BAB kommt, wie die Landesregierung, zu dem Ergebnis, dass Handlungsbedarf besteht und es insoweit zu Strukturveränderungen kommen muss, um die niedersächsischen Landeskrankenhäuser auch in Zukunft gut aufzustellen. Es besteht auch Konsens, dass es zu einem Trägerwechsel kommen muss und dass es in den niedersächsischen Landeskrankenhäusern Wirtschaftlichkeitspotenziale gibt, die realisiert werden müssen.
Der von den BAB-Gutachtern aufgezeigte Weg, eine Holding mit zehn regional operativen nachgeordneten GmbHs in Trägerschaft des Landes gegebenenfalls mit Kommunen zu bilden, hat aus folgenden wesentlichen Gründen nicht überzeugt. Zu dem Vorschlag des BAB-Gutachtens, aus Guthaben, Wirtschaftlichkeitspotenzial und Fremdkapital fehlende Maßregelvollzugsplätze zu schaffen, ist zu sagen, dass die Guthaben eben nicht für Investitionen zur Verfügung stehen, sondern u. a. für den laufenden Betrieb und für Rückstellungen benötigt werden. Beim zu erzielenden Wirtschaftlichkeitspotenzial lässt das Gutachten nicht erkennen, wie Synergieeffekte zur Hebung von Wirtschaftlichkeitspotenzialen entstehen sollen. Der Ansatz, die Krankenhäuser mit den vergleichsweise niedrigsten Pflegesätzen zum Maßstab für Wirt
schaftlichkeitsreserven zu machen, überzeugt deshalb nicht, weil die Unterschiede in der Angebotsstruktur in den Häusern unberücksichtigt bleiben.
Das BAB-Gutachten geht davon aus, dass zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeitspotenziale ein Stellenabbau in Höhe von 500 bis 600 Stellen erforderlich wäre. Es zeigt aber nicht konkret auf, wie und in welchem Zeitraum dieser Stellenabbau zu realisieren wäre und welche Kosten gegebenenfalls durch Sozialpläne dem Land entstehen.
Zu 3: Wir haben ganz bewusst ein transparentes Verfahren gewählt, das allen Bietern Chancengleichheit gewährt.
Kirchen, Kommunen, freie Träger und Private können sich gleichermaßen am Bieterverfahren beteiligen. Diese Chancengleichheit wird sich ausdrücklich auf die Auswahlkriterien und auf den Zeithorizont des Bieterverfahrens beziehen.
Eine Zusatzfrage stellt die Abgeordnete ElsnerSolar. - Damit diejenigen, die sich zu Zusatzfragen gemeldet haben, kontrollieren können, ob sie alle erfasst worden sind, hier die Namen. Es sind die Abgeordnete Krämer, die Abgeordnete Merk, die Abgeordnete Hemme, der Abgeordnete Albers, die Abgeordnete Janssen-Kucz, die Abgeordnete Dr. Heinen-Kljajić und Frau Helmhold.
Soweit ich übersehe, habe ich zwei Zusatzfragen. Meine erste Zusatzfrage lautet: Ist der Verkauf der Landeskrankenhäuser für die Landesregierung so unwichtig, dass sie diesen Punkt in einer Kabinettssitzung unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ abhandelt?
Meine zweite Zusatzfrage beschäftigt sich mit der Information der Beschäftigten über die getroffene Entscheidung: Wann und in welcher Form wurden die örtlichen Personalräte und die Beschäftigten sowie der Hauptpersonalrat über diese Entscheidung informiert?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verkauf der niedersächsischen Landeskrankenhäuser ist für die Landesregierung sehr wichtig. Das ist völlig unabhängig davon, unter welchem Tagesordnungspunkt wir welche Gegenstände behandeln.
Wir haben zeitgleich mit den Fraktionen gesprochen. Wir haben zeitgleich mit den Personalräten gesprochen. Wir haben ab dem 26. April mit den Personalräten gesprochen. Wir haben mit den Vertretern der Krankenhausdirektoren und Pflegedirektoren und Personalräten am 3. Mai 2006 gesprochen. Wir haben dem Wunsch nach einem transparenten Verfahren entsprochen. Das werden wir auch weiterführen. Wir sind nach wie vor im Gespräch mit allen Beteiligten, weil wir alle Beteiligten mitnehmen wollen. Das werden wir auch im weiteren Fortgang tun. Wir werden Projektgruppen einrichten, bei denen gerade auch Vertreter der Personalräte, der Pflegedirektoren und der Krankenhausleitungen mit im Boot sitzen werden, weil wir sie im weiteren Verfahren, auch was fachliche Fragen anbelangt, mitnehmen wollen.
Frau Ministerin, Sie sagten gerade, der Verkauf der Landeskrankenhäuser sei für die Landesregierung wichtig gewesen. Deshalb stellt sich mir die Frage - das ist die erste Zusatzfrage -: Aufgrund welcher Expertisen haben Sie die Verkaufsentscheidung getroffen?
Die zweite Frage vor dem Hintergrund Ihrer Aussage, dass Sie die Rechte der Beschäftigten wahren: Was passiert mit den Beschäftigten in den beim Land verbleibenden Einrichtungen? Mit welchen Veränderungen in ihrem Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis müssen sie rechnen? Oder bleibt für sie alles so, wie es ist?
Kurz zur letzten Frage, Frau Krämer. Sie wissen, dass sich schon die alte Landesregierung mit der Frage der Privatisierung der Landeskrankenhäuser beschäftigt hat. Die alte Landesregierung hatte auch einen Lenkungsausschuss eingesetzt, der sich gerade mit der Frage der Strukturveränderungen und der Verbesserung der Qualität beschäftigt und auseinander gesetzt hat.
Aber es stellt sich natürlich die Frage, welche Aufgaben originär tatsächlich vom Staat wahrgenommen werden müssen. Ist der Staat in seiner Funktion Markt- und Wettbewerbsteilnehmer? Ist das zwingend erforderlich? Was brauchen wir zwingend, um den Landeskrankenhäusern eine zukunftssichere Entwicklung auf Dauer zu geben? Müssen sie dafür zwingend in der Hand des Staates bleiben, oder aber gibt es auch andere Strukturformen, andere Betriebsformen, die den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden?
Sehen Sie sich einmal auf dem allgemeinen Krankenhausmarkt um. Sie werden erkennen, wie die Privatisierungswelle dort gelaufen ist, wie sich verantwortungsvoll handelnde Träger von Krankenhäusern überlegt haben, die Krankenhäuser dem Wettbewerb auf dem Markt so anzupassen, dass sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig sind, dass auch in Zukunft eine wohnortnahe Versorgung sichergestellt werden kann.
Diese Frage haben wir auch uns gestellt: Wie soll es künftig mit unseren niedersächsischen Landeskrankenhäusern aussehen? Sie haben selber gesehen, dass man sich auch in anderen Bundesländern sehr detailliert mit dieser Frage beschäftigt
hat. Das haben natürlich auch wir getan. Die Rechte der Beschäftigten sind doch das Potenzial, über das unsere Häuser tatsächlich verfügen. Die Qualität in den Häusern ist auf hohe Mitarbeiterzufriedenheit, auf wenig Fluktuation zurückzuführen. Deshalb ist die Wahrung der Rechte der Beschäftigten für uns ein sehr hohes Gut.
Sie fragen, was mit dem Personal in den bei uns verbleibenden Häusern geschieht. Wir haben ver.di, also Herrn Denia, - ich werde es auch noch gegenüber Herrn Krömker in einer weiteren Besprechung tun -, angeboten, gemeinsam zu überlegen, wie wir zu Strukturveränderungen und zu Qualitätsverbesserungen in den Häusern kommen.
Frau Ministerin, wenn man in den vergangenen Wochen aufmerksam die Zeitungen gelesen und auch an unseren Debatten immer teilgenommen hat, dann kann man sich daran erinnern, dass Sie den beabsichtigten Verkauf der Landeskrankenhäuser in der Vergangenheit immer damit begründet haben, dass man keine eigenen Mittel habe, um neue Plätze im Maßregelvollzug zu schaffen. Nun haben Sie gerade auf unsere Fragen vorgetragen, dass Sie das „Feste Haus“ in Göttingen verlegen und den damit wegfallenden Maßregelvollzug neu erstellen wollten. Ich darf fragen, wie sich diese Aussage mit Ihrer von mir eben zitierten Begründung verträgt, dass Sie kein Geld hätten, um im Maßregelvollzug neue Plätze zu schaffen. Wie viele Mittel werden Sie Ihrer Einschätzung nach aufwenden müssen, um das „Feste Haus“ mit Maßregelvollzugsplätzen neu zu errichten?
Frau Ministerin Ross-Luttmann für die Landesregierung. - Bevor Frau Ministerin Ross-Luttmann antwortet, möchte ich noch auf die Rednerliste hinweisen. Zu Wort gemeldet haben sich Frau Hemme, Herr Albers, Frau Janssen-Kucz, Frau Dr. Gabriele Heinen-Kljajić, Frau Helmhold, Frau Dr. Andretta, Herr Meihsies, Frau Groskurt, Herr Böhlke, Frau Brockmann, Frau Prüssner, Frau Heiligenstadt, Herr Wenzel, Herr Möhrmann, Frau
Steiner und Herr Aller. Gibt es noch jemanden, den wir noch nicht erfasst haben? - Frau Ministerin, Sie haben nun das Wort.