Protokoll der Sitzung vom 25.06.2003

Ich hätte wirklich gerne einmal von Herrn Schünemann hier am Rednerpult eine einzige Begrün

dung sachlicher Art für die Änderung des Gefahrenabwehrgesetzes gehört.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe nur gehört: In anderen Ländern machen sie es anders, und deswegen müssen wir auch. Sagen Sie diesem hohen Hause doch einmal, was Sie durch den Begriff der Ordnung im Titel des Gesetzes konkret verändern. Nichts, überhaupt nichts! Das ist die Augenwischerei, die Sie betreiben.

Lassen Sie mich noch eines zum Unterbindungsgewahrsam sagen. Es scheint so, als hätten Sie Angst vor der eigenen Courage. Sie sind wohl nicht in der Lage, einen CASTOR-Transport mit vier Tagen Unterbindungsgewahrsam zu verantworten. Bei der Politik, die Sie im Hinblick auf Gorleben betreiben, habe ich ein gewisses Verständnis dafür.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie kön- nen hier so viel stampfen, wie Sie wollen, das bringt Ihnen auch nichts!)

Sie schüren Konflikte, die Sie wahrscheinlich nur mit zehn Tagen Unterbindungsgewahrsam regeln können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - David McAllister [CDU]: Unsinn! - Bernd Althusmann [CDU]: Ein weiterer Beweis dafür, wie wich- tig der Regierungswechsel war!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 16.

Der Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen werden. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist das so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 17. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen! - Stimmenthaltun

gen? - Damit ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.

Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 18 und 19, die ich vereinbarungsgemäß zusammen aufrufe:

Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung verfassungs- und geheimschutzrechtlicher Vorschriften - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 15/270

Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung: Keine Ausweitung der Befugnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz, stattdessen Überprüfung der vorhandenen Strukturen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/247

Es hat sich Herr Minister Schünemann zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf holen wir ein Versäumnis nach, das die alte Landesregierung zu verantworten hat. Nach dem 11. September 2001, nach diesem schrecklichen Anschlag waren sich alle Fraktionen einig, dass wir etwas tun müssen. Auch auf Bundesebene hat man sich geeinigt und das Sicherheitspaket II verabschiedet.

Ich will gerne zugeben, dass die damalige Landesregierung versucht hat, die Änderungen im Verfassungsschutzgesetz bundeseinheitlich zu regeln. Dies hätte durchaus Sinn gemacht, weil es gerade für die Arbeit des Verfassungsschutzes wichtig ist, dass man möglichst nach einheitlichen Regeln und auf einheitlichen Grundlagen arbeiten kann, da man sich auch austauschen muss. Das war in der Koalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen aber leider nicht möglich. Deshalb war und ist es notwendig, sehr schnell und kurzfristig das Recht, das man auf Bundesebene eingeräumt hat, auch auf die Länder zu übertragen.

Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, diese Änderung schon nach kurzer Zeit vorzulegen. Das hätte längst erledigt sein müssen, meine Damen und Herren;

(Beifall bei der CDU)

denn die Bedrohungen durch den islamistischen Extremismus und Terrorismus sind leider nicht geringer geworden. Dies machen auch die Anschläge deutlich, die danach noch worden verübt sind. Ich darf hier nur einige wenige aufführen:

8. Mai 2002: Bombenattentat auf französische Ingenieure in Karatschi mit elf Toten.

11. April 2002: Tankwagenattentat auf die älteste Synagoge Nordafrikas auf der tunesischen Insel Djerba mit 19 Toten, davon 14 Deutsche. 20 deutsche Touristen wurden zum Teil schwer verletzt.

18. November 2002: Anschläge von islamistischen Selbstmordattentätern auf ein israelisches Touristenhotel in Kenia.

16. Mai 2003: 14 Selbstmordattentäter verüben in Casablanca gleichzeitig fünf Bombenanschläge im Diplomatenviertel mit 41 Toten und mehr als 100 Verletzten.

Meine Damen und Herren, wir sind aufgefordert, dem Verfassungsschutz insgesamt die Möglichkeit zu geben, mehr Erkenntnisse zu erhalten. Ich darf daran erinnern, dass drei islamistische Terroristen auch hier in Deutschland das Attentat am 11. September 2001 mit geplant haben. Daraufhin haben wir in Niedersachsen - darauf habe ich vorhin schon hingewiesen - die Rasterfahndung eingeführt. Aber auch der Verfassungsschutz muss mehr Befugnisse bekommen.

Meine Damen und Herren, um der neuen terroristischen Bedrohung durch den Islamismus oder vergleichbarer terroristischer Bestrebungen Herr zu werden, sind die für die innere Sicherheit zuständigen Verfassungsschutzbehörden verstärkt auf die Nutzung moderner Informations- und Verwaltungssysteme angewiesen. Für eine wirksamere Gewährleistung der inneren Sicherheit ist die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien im Verbund der Sicherheitsbehörden unverzichtbar. Dazu gehört auch der bessere Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden mit Daten der Ausländer- und Einbürgerungsbehörden, und dazu gehört auch eine effizientere Überwa

chung der modernen, neuen Formen der Telekommunikation.

Wir brauchen rechtliche Regelungen, die die erkannten Übermittlungs- und Nutzungshindernisse beseitigen. Dennoch werden wir immer noch einen hohen Standard datenschutzrechtlicher Schutzvorschriften behalten. Niemand muss befürchten, dass er Opfer eines informationssüchtigen Staates wird. Ich glaube, die Menschen in unserem Land sehen auch nicht so sehr eine solche Gefahr des Missbrauchs staatlicher Macht. Sie wünschen vielmehr, dass der Staat die notwendigen Instrumente erhält, die er benötigt, um sie wirksamer vor terroristischen Bedrohungen zu schützen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich kurz auf die einzelnen Punkte eingehen, die wir ändern wollen.

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo über- nimmt den Vorsitz)

Zunächst zum Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz. Für Finanzdienstleister, Postdienstund Luftfahrtunternehmen sowie Telekommunikationsdienstleister wird eine Auskunftspflicht gegenüber dem Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz eingeführt. Die bislang in Niedersachsen fehlende Befugnis zum verdeckten Einsatz technischer Mittel im Schutzbereich des Artikel 13 Grundgesetz - also Bild- und Tonaufzeichnungen in Räumen - wird in das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz neu eingeführt.

In besonders gefahrenträchtigen und abgeschotteten Bereichen des politischen Extremismus reichen herkömmliche nachrichtendienstliche Mittel nicht aus, um die notwendige Informationsbeschaffung sicherzustellen. Wegen der Schwere des Grundrechtseingriffes wird auf die hohen Voraussetzungen zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach dem Artikel-10-Gesetz Bezug genommen. Der Einsatz dieses neuen nachrichtendienstlichen Mittels ist nur gegenüber verdächtigen Personen zulässig. Ein Einsatz dieses Mittels gegenüber den so genannten Berufsgeheimnisträgern soll nur dann zulässig sein, wenn sie selbst die Voraussetzungen nach dem Artikel10-Gesetz erfüllen. Damit ist ein tragfähiger Kompromiss zwischen den Sicherheitsinteressen des Staates an einer verbesserten Informationsgewinnung für die Beobachtung und Abwehr verfassungsfeindlicher und sicherheitsgefährdender Bestrebungen und Tätigkeiten einerseits und den le

gitimen Interessen der Berufsgeheimnisträger andererseits erzielt worden.

Meine Damen und Herren, die nachrichtendienstlichen Mittel werden ergänzt um die Befugnis für den Einsatz des so genannten IMSI-Catchers, der zur Ermittlung des Standortes von aktiv geschalteten Mobilfunkendgeräten und zur Ermittlung der Geräte- und Kartennummern dient. Auch Angehörige gewaltbereiter ausländischer Gruppen nutzen zunehmend Mobiltelefone, deren Herkunft den Sicherheitsbehörden nicht bekannt ist.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ganz kurz auf das Niedersächsische Gesetz zur Ausführung des Artikel-10-Gesetzes zu sprechen kommen.

Herr Minister, Ihre Redezeit ist bereits abgelaufen.

Dennoch ist es sinnvoll, dass man das bei der Einbringung hier noch einmal deutlich macht. - Die Neufassung dieses Gesetzes ist durch die Neufassung des Artikel-10-Gesetzes des Bundes erforderlich geworden, und aufgrund der Vielzahl der Änderungen soll das bisherige Ausführungsgesetz aufgehoben und ein neues Stammgesetz geschaffen werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Wir haben damit sehr schnell das umgesetzt, was schon längst notwendig gewesen wäre. Ich bin froh, dass wir uns hierüber mit der FDP einigen konnten.

Meine Damen und Herren, ich will gerne zugeben, dass ich mir gewünscht hätte, dass die Befugnisse auch bezüglich Linksextremisten und Rechtsextremisten gelten würde. Das war nicht erreichbar. Aber in einer Koalition lebt man nun einmal von Kompromissen. Wir haben insoweit durchaus einen guten Kompromiss erzielt. Insofern werden wir hiermit ein gutes, modernes Verfassungsschutzgesetz haben. Wir haben endlich mit dem nachgezogen, was in anderen Bundesländern schon möglich ist. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mir liegt jetzt die Wortmeldung von Frau WörmerZimmermann vor.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister Schünemann! Von einem Versäumnis der vorherigen Landesregierung kann bei diesem Thema nun weiß Gott nicht die Rede sein. Sowohl die SPD-geführte Bundesregierung als auch die damalige SPD-Landesregierung haben nach dem 11. September 2002

(David McAllister [CDU]: 2001!)

mit aller Konsequenz, aber auch mit Augemaß auf die veränderte Sicherheitslage reagiert. Ich erinnere daran: In Berlin wurden unverzüglich nach dem 11. September die umfassendsten Sicherheitspakete beschlossen, die es jemals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. Dieses schnelle Handeln ist insbesondere dem Bundesinnenminister Otto Schily zu verdanken.

(Zuruf von der SPD: Bravo!)

Das zweite Sicherheitspaket des Bundes schafft die bundesrechtlichen Voraussetzungen dafür, dass auch die Länder ihre Verfassungsschutzgesetze entsprechend novellieren können. Sie wissen es doch genau, Herr Minister Schünemann: Selbstverständlich hatte die Vorgängerregierung bereits in der letzten Legislaturperiode damit begonnen, diese Anpassungen vorzubereiten.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Sie hat es aber nicht zu Ende geführt!)

Aber sie hat das nicht mit heißer Nadel getan, sondern mit Bedacht. Von daher sind für uns viele Änderungen in Ihrem Gesetzentwurf unstrittig; denn sie wären auch von einer SPD-Landesregierung nach der Wahl umgesetzt worden. Die von der alten Regierung vorbereitete Novellierung diente Ihnen als gute Grundlage für den vorgelegten Entwurf.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal daran erinnern - die Kolleginnen und Kollegen, die in der letzten Legislaturperiode hier gesessen haben, wissen es -, dass wir nach dem 11. September mit Entschließungsanträgen der CDU-Fraktion bombardiert wurden. Hauptredner war entweder Herr Biallas, der hier schon wieder locker dazwischen redet,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Ich habe keinen Ton gesagt! Sie haben ei- ne Fata Morgana gehört!)