Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

Inakzeptabel ist hierbei vor allem die Kombination aus gesamtschuldnerischer Haftung und Ursachenvermutung.

(Zustimmung von Friedhelm Biest- mann [CDU])

Zurzeit haben in Zweifelsfällen alle GVO anbauenden Landwirte einer Region ohne Nachweis, von welchem Acker ein monierter GVO-Eintrag stammt, für Einkommenseinbußen von Nachbarn aufzukommen.

(Zuruf von der SPD)

- Dazu komme ich gleich noch. - Dies bedarf unbedingt einer Änderung. Sollte es aber zu Vermarktungsschäden bei einer konventionellen oder biologischen Ernte kommen, müssen Entschädigungsmöglichkeiten vorgesehen werden. Hier käme ein Haftungsfonds oder eine Versicherungslösung infrage.

(Karin Stief-Kreihe [SPD]: Wer macht das denn?)

Mit diesen Regelungen könnte für alle Landwirte der verschiedenen Anbauformen ein finanzieller Ausgleich gesichert werden. Für uns ist es im Gegensatz zu Ihnen, Herr Klein, wichtig, die Unternehmen der Biotechnologie in Niedersachsen in ihrem Bestreben zu unterstützen, zukunftsträchtige Technologien auszubauen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb begrüßen wir den von Ministerpräsident Christian Wulff überreichten Bewilligungsbescheid für ein vom Land Niedersachsen mit 600 000 Euro gefördertes Verbundprojekt, dessen Ziel es ist, durch ein neues biotechnologisches Verfahren die Pilzresistenz von Weizen, Kartoffeln und Zuckerrüben wesentlich zu verbessern. Sie aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, wollen durch überzogene Ängste zukunftsfähige Technologien in Niedersachsen und Deutschland verhindern.

(Beifall bei der CDU)

Weiterhin fordern Sie gentechnikfreie Regionen. Sie wissen aber genau, dass es keine rechtliche Grundlagen für gentechnikfreie Regionen gibt. Gentechnikfreie Zonen können nur auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen von Landwirten gebildet werden, die auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verzichten wollen. Auf diese Weise machen sie von ihrer Wahlfreiheit Gebrauch, gentechnisch veränderte Pflanzen zu erzeugen oder nicht. Gesetzlich hingegen kann man dies nicht vorschreiben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, diesen Ausdruck der freien Zonen haben wir von Ihnen auch schon in einem anderen Zusammenhang gehört. Immer dann, wenn neue zukunftsträchtige Technologien auf dem Vormarsch sind, wollen Sie diese durch freie Zonen aufhalten. Lassen Sie doch bitte die Koexistenz verschiedener Anbausysteme zu! Warum soll das zukünftig nicht möglich sein? Hierzu

benötigen wir einzuhaltende Regelungen der guten fachlichen Praxis unter Einbeziehung von Sicherheitsabständen und unter der Maßgabe der spezifischen Eigenschaften der Kultur.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Warum wollen Sie dann keine gesamtschuld- nerische Haftung?)

Nachzudenken wäre auch über ein Flächenmanagement. Als Basis für Produkte der unterschiedlichen Anbauformen ist dabei auch die Anwendung von Schwellenwerten zu gewährleisten, die auf EU-Ebene zu regeln sind. Nur dann können wir Wettbewerbsnachteile für die niedersächsische Landwirtschaft ausschließen.

(Glocke der Präsidentin)

Ihre Forderungen nach Langzeitstudien und mehr Forschung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, geben den tatsächlichen Stand nicht wieder. Das Problem besteht darin, dass Sie die zahlreichen Forschungsergebnisse anders deuten und nicht zur Kenntnis nehmen, dass es allein zum Bt-Mais 130 veröffentlichte Forschungsergebnisse gibt und mehr als 120 Vorhaben zur Sicherheitsforschung allein durch den BMBF gefördert worden sind.

Herr Stünkel, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Das war ein wunderschöner Schlusssatz.

Seit Nutzung der grünen Gentechnik in den vergangenen zehn Jahren ist bis heute noch kein Fall mit negativen Auswirkungen von GVO auf Menschen bekannt geworden. Auch dies gehört zur Wahrheit. Eine Verhinderungspolitik - -

Herr Stünkel, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Setzen Sie sich jetzt bitte hin.

Nur noch einen Satz.

Aber wirklich nur noch einen Satz!

Eine Verhinderungspolitik, wie sie in Ihrem Antrag insgesamt zu erkennen ist, lehnen wir ab. Stattdessen wollen wir durch Forschung und Entwicklung wieder Wachstum und Arbeitsplätze schaffen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist Herr Oetjen von der FDP.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Antrag behandelt kein neues Thema, sondern die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wärmt dieses Thema für die eine oder andere Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtages beliebig auf.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Thema steht also immer wieder auf der Tagesordnung, obwohl in diesem Hause im Prinzip schon alle Argumente ausgetauscht worden sind.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Sagen Sie doch einmal etwas zu den neuen Entwicklungen!)

Vor allem, Herr Kollege Klein, führen Ihre Anträge zu keinem neuen Erkenntnisgewinn in der einen oder anderen Frage.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ist doch Quatsch!)

Von daher werde ich die Position der FDP auch nur sehr kurz darstellen. - Auch wir wollen allen Wirtschaftsweisen Raum zur Realisierung geben. Das heißt, wir brauchen ein Miteinander von Ökolandbau, konventionellem Landbau und Landbau mit gentechnisch veränderten Organismen. Das bedeutet, dass alle drei Bereiche aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Wer mit GVO arbeitet, muss auf den Ökobauern und den konventionellen Bauern Rücksicht nehmen. Genauso müssen diese auf den Landwirt Rücksicht nehmen, der mit GVO arbeitet. Deshalb müssen wir Regelungen entwickeln, die dies grundsätzlich ermöglichen, nicht aber solche Regelungen, wie Sie sie vorschlagen, die nämlich einen Bereich grundsätzlich ablehnen und unmöglich machen.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist es dringend erforderlich - Sie haben es angesprochen -, dass auf europäischer Ebene Grenzwerte beim Saatgut festgelegt werden. Wenn ein entsprechender Vorschlag unterbreitet wird, können wir uns natürlich darüber unterhalten, ob diese Werte richtig oder falsch sind. Ein solcher Vorschlag ist auf europäischer Ebene aber noch nicht gemacht worden.

(Zuruf von Hans-Jürgen Klein [GRÜ- NE])

Ich sage: Die grüne Gentechnik ist eine Zukunftsbranche. Wir sollten einer solchen Zukunftsbranche nicht von vornherein den Weg versperren, sondern wir sollten die Chancen einer solchen Branche sehen und nutzen und im Interesse von Arbeitsplätzen in Deutschland entwickeln.

Im Übrigen können wir schon heute sehr, sehr positive Auswirkungen der Gentechnik verzeichnen, denkt man nur an die Produktion von Insulin auf gentechnische Art und Weise. Das ist ein wahnsinniger Schritt in der Medizin gewesen, der ohne Gentechnik nicht möglich gewesen wäre, Herr Kollege. Deshalb ist es unverantwortlich, solch eine Zukunftstechnologie zu verteufeln.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, schon in den vergangenen Sitzungen ist deutlich geworden, dass zwischen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der FDP-Fraktion grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen zu diesem Thema bestehen.

(Walter Meinhold [SPD]: Das ist ja ganz neu!)

- Das ist überhaupt nicht neu, Herr Kollege Meinhold; denn wir setzen auf Zukunft, die Grünen aber nicht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächster Redner ist Herr Johannßen von der SPDFraktion. - Danach hat sich Herr Ehlen zu Wort gemeldet. Das nur wegen der Abstimmung.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war eine sehr emotional geführte Debatte. Ich möchte versuchen, jetzt wieder etwas Rationalität in die Diskussion zu bringen. - Natürliche genetische Veränderungen hat es in den letzten Jahrtausenden und Jahrmillionen immer gegeben. Jeder, der mit Pflanzen zu tun hat - seien es Gärtner, Pflanzenzüchter oder Landwirte -, hat damit gearbeitet und hat diese Mutationen und Sports genutzt.

Die grüne Gentechnik entwickelt nun aber völlig neue Dimensionen. Es kommt zu massiven Veränderungen der Genetik, des Erbgutes von Pflanzen. Dadurch entstehen natürlich Chancen, aber auch Risiken. Darauf ist zum Teil schon hingewiesen worden. Chancen gibt es z. B. bei der Züchtung von resistenten Arten, bei der Implementation von Resistenzen gegen Parasiten, Insekten, Pilze, Viren, Bakterien, Pflanzenschutzmittel, Umwelteinflüsse, Trockenheit oder Klimaschwankungen. Die Risiken sind hier schon erläutert worden: Auskreuzungen, das Problem der Rückholbarkeit, die Abhängigkeit der Landwirte von den Pflanzenschutzmittelherstellern, mögliche Gesundheitsrisiken der Verbraucher, die noch nicht belegt, aber auch nicht ausgeschlossen sind, und möglicherweise auch höhere Pflanzenschutzaufwendungen.

Ganz entscheidend ist, dass die Problematik des Haftungsrisikos nicht ansatzweise gelöst worden ist. Eine Versicherungslösung ist nicht absehbar. Das ist ganz merkwürdig. Versicherungen erschließen sich doch Märkte und sind auch bereit, dort, wo Risiken zu kalkulieren sind, Versicherungsleistungen anzubieten. Bisher gibt es in der Versicherungswirtschaft aber nicht einen einzigen Betrieb, der ein entsprechendes Angebot unterbreitet.

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Die Rahmenbedingungen sind unklar!)

- Sie können sich gleich melden, Herr Biestmann. Dann können wir uns anhören, was Sie hier erzählen wollen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem auf Bundesebene in Berlin zwischen CDU und SPD geschlossenen Koalitionsvertrag ist die Rede davon, dass ein Haftungs- und Ausgleichsfonds eingerichtet werden soll. Hersteller und Landwirte, die sich an diesem Fonds beteiligen wollen, gibt es bisher aber noch nicht. Der

Bauernverband rät den Landwirten von einer Beteiligung ab. Auch das ist doch merkwürdig.

Nach wie vor gilt also die Haftung des anbauenden Landwirtes für den Fall einer Übertragung von gentechnisch verändertem Material auf Nachbarfelder unabhängig vom Verschulden. Das ist die Rechtslage. Das ist Fakt. Minister Seehofer will, dass die Landwirte durch die gute fachliche Praxis der Haftungsgefahr entgehen. Bislang gibt es aber keine verbindliche Definition dafür, was beim Gentechnikanbau unter „guter Praxis“ zu verstehen ist.