Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

(Hans-Joachim Janßen [GRÜNE]: Klar! Man wechselt auch seine Woh- nung dreimal im Jahr!)

Der Bürger ist nicht so dumm, wie Sie es sagen. Ich glaube, dass der Markt regeln wird, welchen der beiden Ausweise wir auf Dauer in der Masse der Fälle haben werden. Das wird die Zeit ergeben. Das wird die Wirtschaft ergeben. Das wird die Wirtschaftlichkeit ergeben. - Danke.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nächste Rednerin ist Frau Heiligenstadt von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In privaten Haushalten stellen die Heizkosten den größten Anteil an den Betriebskosten. Anders als bei Autos oder Haushaltsgeräten wissen jedenfalls bisher die Käufer oder Mieter von Wohnungen und Häusern nur wenig über den Energiebedarf. Doch das soll sich jetzt durch die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht ändern, und das ist auch gut so.

Die Energieeffizienz von Wohngebäuden wird also zukünftig auf dem Immobilienmarkt eine noch größere Rolle spielen. Dazu soll dieser Energieausweis beitragen. Die notwendigen Gesetzesände

rungen werden - der Kollege Heineking hat es vorhin schon gesagt - voraussichtlich noch in diesem Jahr den Bundesrat passieren.

Der Streit ist schon in den bisherigen Beiträgen sehr deutlich geworden: Welchen Energieausweis soll man vorschreiben, den auf bedarfsorientierten Werten basierenden Energieausweis oder den Verbrauchsausweis? Weil das so schwierige Worte sind, nenne ich sie einfach einmal „Energiepass light“ - das ist der verbrauchsorientierte Energiepass - und „Energiepass de luxe“ - das ist der bedarfsorientierte Energiepass. Das spiegelt sich auch in den Preisen dieser Energiepässe wider. Ein Energiepass de luxe kostet mindestens 300 bis 500 Euro je nach Gebäudegröße, eventuell auch mehr. Der Aufwand zur Erstellung des Energiepasses de luxe wird sehr groß sein. Man benötigt Fachleute, man benötigt Energieberater. Die sind natürlich ihren Preis wert.

Grundsätzlich erlaubt aber weder der Energieausweis light noch der Energieausweis de luxe Rückschlüsse auf den tatsächlichen Verbrauch in einem Haushalt; denn beide Werte, sowohl der Verbrauchswert wie auch der Bedarfswert, werden bei der Berechnung gemittelt.

Meine Damen und Herren, die Grünen fordern nun in ihrem Antrag eine schnelle Umsetzung. Das packt die Bundesregierung im Moment an. Der zweite Punkt in Ihrem Antrag greift diesen Streit auf. Ich meine, man sollte hier ganz pragmatisch an die Lösung des Problems herangehen. Wir werden nicht auf Anhieb, innerhalb eines Jahres, sämtliche Verkaufsfälle mit dem Energiepass de luxe bestücken können, weil der Aufwand zur Erstellung dieses Energiepasses einfach viel zu hoch ist. Dann ist es durchaus legitim, dem Vorschlag der Bundesminister zu folgen, zunächst einmal zwei Jahre lang zu beobachten, beide Energiepassformen zuzulassen und dann auszuwerten, was wirklich Sinn macht. Ich glaube, diesen pragmatischen Weg sollte man beschreiten. Man sollte nicht den einzelnen Interessengruppen - weder der Wohnungswirtschaft noch anderen Gruppen - hinterherlaufen, sondern versuchen, pragmatisch an das Problem heranzugehen.

Daher können wir Ihrem Antrag leider nicht zustimmen, wenn auch in der Perspektive sicherlich der Energiepass de luxe die Zukunft haben wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen deswegen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? Leichte Verwirrung bei der SPD. Das Erste war trotzdem die Mehrheit.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 29: Zweite Beratung: Placebo-Gesetz der Bundesregierung verhindern - Verbraucher durch ein umfassendes Verbraucherinformationsgesetz schützen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/2532 Beschlussempfehlung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 15/2957

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme in geänderter Form.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Klein von Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Glykogen, Hormone, Dioxine und Nikotin in Lebensmitteln, Abzocktelefonnummern, Internetbetrug, Anlagepleiten, Gammelfleisch, Acrylamid, Pestizidbelastungen, Verkauf von Technikschrott - das ist ein Teil der Verbraucherwirklichkeit heute. Wir wollten vor diesem Hintergrund mit unserem Antrag ein wirksames Verbraucherinformationsgesetz erreichen - ein Gesetz, das Transparenz schafft, ein Gesetz, das Verbrauchern die Möglichkeit schafft, im Dschungel von Werbung, Reklame und Manipulation die richtige Konsumentscheidung zu treffen, ein Gesetz, das den Verbrauchern die Gewissheit gibt, dass sie unverzüglich und vollständig gewarnt werden, wenn wieder einmal gepanscht, betrogen, geschlampt, abgezockt, getäuscht, Ekel erregend oder gesetzwidrig gehandelt wird.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Und, meine Damen und Herren, wir wollten verhindern, dass in Berlin ein Gesetzentwurf verabschiedet wird, der sich eigentlich selbst bekämpfen müsste, weil er ein Paradebeispiel für Verbrauchertäuschung ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was ist aus unserem Antrag geworden? - Nicht nur dass sich die Fraktionen der CDU und der FDP in Niedersachsen darum bemühen, die Verbraucherberatung zu zerstören. Nein, sie verkehren unser Anliegen geradezu ins Gegenteil. Der Gesetzentwurf, den Sie mit Ihrer veränderten Fassung hier feiern, ist inzwischen durch verschiedene Schlagworte gekennzeichnet: inhaltsarm, irreführend, Schutzraum um Wirtschaft, Vorrang für Geschäftemacher, Schwarze-Schafe-Schutzprogramm, Geldverschwendung und Augenwischerei sind nur einige der Prädikate, die Experten für dieses Gesetz vergeben haben. Immer wieder kommt der ein und derselbe Vorwurf: Das ganze Gesetz ist unwirksam; es ist ein reines Placebo-Gesetz. - Selten war diese Einschätzung der Experten so einhellig. Selbst die CDU-berufene Verbraucherkommission in Baden-Württemberg teilt diese Fachmeinung, die vom Verbraucherschutz, von den Umweltverbänden, von der Wirtschaft und von den Journalisten vertreten wird.

Lassen Sie mich die Mängel noch einmal kurz zusammenfassen. Das Kernübel ist, dass das öffentliche Interesse keinen eindeutigen Vorrang vor Geheimniskrämerei bei Markinformationen bekommt. Ideologische Scheuklappen der CDU sind es, die hier eine sachgerechte und moderne Verbraucherpolitik verhindern.

Es gibt keine Verpflichtung der Behörden, Missstände und Kontrollergebnisse tagesaktuell und mit Ross und Reiter bekannt zu geben. Es gibt keine Informationsbeschaffungspflicht der Behörden. Es gibt keinen Auskunftsanspruch der Verbraucher gegenüber Unternehmen. Reichlich gibt es in diesem Gesetz nur eines, nämlich Möglichkeiten, Ausschlussgründe zu nennen, bürokratische Hürden aufzubauen und Auskünfte monate-, ja jahrelang zu verzögern. Aber eigentlich - da müssten Sie mir zustimmen - müsste es doch genau umgekehrt sein: Ausschlussgründe müssten die Ausnahme sein. Nicht die Veröffentlichung von

Verbraucherinformationen, sondern deren Geheimhaltung müsste begründet werden.

Dieses Gesetz ist ohne jede Vision und Wirkung, so sagt die Verbraucherinitiative. Ich kann ihr nur zustimmen. Dieses Gesetz wird keine vertrauensvolle, konsumfördernde Markttransparenz schaffen, nicht den Wettbewerbsvorteil der Sünder beseitigen und nicht vorbeugend wirken. Es wird nicht die Produktsicherheit erhöhen und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen verbessern. Meine Damen und Herren, es wird vor allen Dingen eines nicht tun: Es wird nicht den nächsten Lebensmittel- oder Produktskandal verhindern.

Deswegen kann ich Ihnen am Ende eigentlich nur einen guten Rat geben: Wenn Sie schon unseren Antrag ändern, dann sollten Sie auch die Überschrift ändern. Vielleicht sollten Sie darüber schreiben: „Verbraucher sollen viel kaufen, aber nicht viel wissen“ oder, um es auf den Punkt zu bringen „Nur ein dummer Verbraucher ist ein guter Verbraucher“. Das ist Ihre Ideologie! - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Klein. - Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Stief-Kreihe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU und der FDP haben sehr lange gebraucht, um einen Änderungsvorschlag zu dem Antrag der Fraktion der Grünen vorzulegen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das ist immer so!)

Wir im Ausschuss kennen das mittlerweile. Ich glaube, die beiden Regierungsfraktionen bräuchten mal einen Schreiber für Änderungsvorschläge.

Meine Damen und Herren, wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass sich die Fraktionen der CDU und der FDP einschließlich Herrn Minister Ehlen auf Bundesebene nicht für ein umfassendes Verbraucherinformationsgesetz stark gemacht haben. Zeit genug hätten sie gehabt. Es fehlt ihnen der Wille.

Mittlerweile - Herr Klein hat es eben angesprochen - befindet sich der Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes im Gesetzgebungsverfahren.

Nach der Blockade der unionsregierten Bundesländer im Bundesrat in der letzten Wahlperiode haben die vielen Lebensmittelskandale der letzten Monate immerhin dazu geführt - daher fällt meine Kritik nicht ganz so harsch aus -, dass wir jetzt mit dem Verbraucherinformationsgesetz zumindest einen ersten Durchbruch haben. Herausgekommen ist allerdings - da muss ich Herrn Klein wieder unterstützen - ein ganz zartes Pflänzchen, etwas entwicklungsgehemmt, eher der kleinste gemeinsame Nenner der großen Koalition.

Der Niedersächsischen Landesregierung hätte es gerade nach den negativen Erfahrungen mit den Lebensmittelskandalen sehr gut zu Gesicht gestanden, sich für ein weiter gehendes Gesetz einzusetzen.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen der CDU und der FDP schreiben in dem Änderungsvorschlag, „dass ausreichende Informationen über die für eine Kaufentscheidung relevanten Faktoren eines der wichtigsten Instrumente darstellen“.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Richtig!)

Meine Damen und Herren, es geht nicht um Kaufentscheidungen. Es geht vielmehr um die Informationspflicht bei auftretenden Gesundheitsrisiken, bei Gesundheitsgefährdungen, bei Rechtsverstößen, bei kriminellen Handlungen, wie z. B. das InVerkehr-Bringen von Gammelfleisch oder Nikotineiern. Es geht um den Schutz und die Rechte von Verbrauchern und Verbraucherinnen. Es geht um mehr Transparenz.

Mit dem jetzt vorgenommenen ersten Schritt bekommen die Bürger und Bürgerinnen einen Anspruch auf Behördeninformation. Erstmals - so heißt es - hätten die Bürger bei Verstößen und Gesundheitsgefahren einen bundesweit einheitlichen Anspruch auf Information über Lebensmittel. Aber - so gleich die Einschränkung - eine Behörde kann die Auskunft verweigern, wenn sich Firmen auf Betriebsgeheimnisse berufen. Eine gesetzliche Definition - das ist die Kritik der von Herrn Klein angesprochenen Kommission, die in BadenWürttemberg unter CDU-Führung eingerichtet worden ist -, was alles unter den Begriff „Geschäftsgeheimnis“ fällt, gibt es nicht.

Offen ist außerdem - das ist bisher wohl den wenigsten bewusst -, welche Kosten eigentlich für die Verbraucher entstehen, wenn sie ihre Rechte wahrnehmen wollen. Das liegt zum Teil in Bundes-, zum Teil aber auch in Landesentscheidung.

Die Unternehmen sind fein heraus. Sie sind nicht zur Auskunft verpflichtet. Sie sollen freiwillig tätig werden. Ich gebe zu: Daran fehlt mir der Glaube.

Meine Damen und Herren, gerade die Betriebe müssten ein Eigeninteresse und vor allen Dingen ein wirtschaftliches Interesse daran haben, Verbraucher und Verbraucherinnen mehr Informationen zur Verfügung zu stellen. Das ist Werbung für ihre Produkte. Das schafft Vertrauen in eine sichere Lebensmittelproduktion. Das schafft Gelegenheit, Produkte und Vertriebswege transparent zu machen. Das ermöglicht ein schnelles Ausgrenzen von schwarzen Schafen bis hin zu kriminellen Handlungen. Nicht nur die SPD-Fraktion oder die Grünen fordern Gesetzesänderungen und Verbesserungen - landauf, landab äußern sich Fachleute entsprechend zu diesem Gesetz.

Hier in Niedersachsen - ausgerechnet in Niedersachsen, dem Agrarland Nummer eins, einem Land, in dem die Landwirtschaft einschließlich des vor- und nachgelagerten Bereichs einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellt - wird diese Landesregierung nicht aktiv, will sie keine Vorreiterrolle einnehmen und wird der Antrag der Grünen von den Mehrheitsfraktionen weichgespült.

Dem zuständigen selbst ernannten Verbraucherschutzminister geht der jetzt vorliegende Entwurf vom Prinzip her eigentlich schon viel zu weit, weil er nur eines im Sinn hat: den Schutz der Wirtschaft und nicht den Schutz der Verbraucher und Verbraucherinnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir bedauern es sehr - das sage ich ausdrücklich -, dass die SPD-Bundestagsfraktion leider keine gesetzliche Informationspflicht für Unternehmen, die sie gefordert hatte, beim Koalitionspartner durchsetzen konnte. Auch aus Niedersachsen gibt es dazu leider keine Unterstützung. Es müssen also erst weitere Aufsehen erregende Lebensmittelskandale passieren, bevor es, gerade bei der CDU, zu weiteren Einsichten kommt und Ad-hoc-Aktionspläne erstellt werden. Nachdem wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, verschwinden sie allerdings größtenteils wieder in der Schublade. Nach dem Willen der Koalition soll sich Minister Seehofer EU-weit für einen gesetzlichen Auskunftsanspruch der Verbraucher bei Firmen einsetzen. - Wenn es passt, schreit man nach der EU. Wenn dann aber Regelungen kommen, dann will man sie so natürlich auch nicht haben. Also: Immer

so, wie es gerade passt. Warum aber eigentlich in die Ferne schweifen, liegt das Gute und das Machbare doch so nah? Dann allerdings müsste man ja auch selbst einmal Verantwortung übernehmen.