Protokoll der Sitzung vom 22.06.2006

In der vorangegangenen Legislaturperiode haben wir gemeinsam das niedersächsische Altenpflegeberufegesetz verabschiedet, das gut und richtig ist. In § 8 unseres Altenpflegeberufegesetzes wurde ein Umlageverfahren geregelt, in dem die finan

ziellen Aufwendungen der Ausbildungsvergütung zwischen den Trägern der praktischen Ausbildung ausgeglichen wurden. Die Summe der Ausbildungsvergütungen einschließlich der Pflichtanteile der Arbeitgeber an den Beiträgen zu den Sozialversicherungen und der Arbeitslosenversicherung sowie die Kosten, die durch die Bereitstellung und die Auszahlung der Ausbildungsvergütungen entstanden, und die Kosten der Umlagestelle wurden auf die Träger der Einrichtungen umgelegt.

Den Umlagemaßstab bildete der Bestand an Pflegepersonal. Maßgebend dafür, ob ein Träger der praktischen Ausbildung einen Anspruch aus Zahlung aus der Umlage hatte oder ob er eine Zahlung in die Umlage zu leisten hatte, war die Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem auf ihn entfallenden Anteil an der Umlage und den eigenen Aufwendungen.

Das Umlageverfahren führte die vom zuständigen Ministerium zu bestimmende Umlagestelle für die Gesamtheit der in § 8 Abs. 1 genannten Träger durch. Die beteiligten Träger waren verpflichtet, der Umlagestelle die zur Durchführung des Umlageverfahrens erforderlichen Auskünfte innerhalb einer von dieser gesetzten Frist zu erteilen. Die Umlagestelle war berechtigt, die für das Umlageverfahren maßgeblichen Unterlagen anzufordern bzw. diese bei dem Träger einzusehen. Die Umlagestelle setzte die Höhe der Zahlungen fest, die die am Umlageverfahren beteiligten Träger erhalten haben oder die von diesen an die Umlagestelle zu leisten waren.

Mit dem Erlass des Altenpflegeberufegesetzes im Jahr 1996 sollte eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, die sowohl den Pflegeschülerinnen als auch den Trägern der Schulen sowie den Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit gab, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Die Finanzierung der Ausbildungsvergütungen über die so genannte Umlageerhebung war eine Maßnahme, die einen gerechten Ausgleich darstellen sollte zwischen den ausbildenden Pflegeeinrichtungen und denjenigen Einrichtungen, die sich der Ausbildung verweigern. Leider mangelte es einigen Pflegeeinrichtungen jedoch an Solidarität. Diese haben die Umlage nicht gezahlt und haben darüber hinaus Rechtsmittel eingelegt.

In dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung, ob § 8 des Niedersächsischen Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege vom 20. Juni

1996 wegen Verstoßes gegen Artikel 2 Abs. 1 des Grundgesetzes und Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verfassungswidrig und damit nichtig ist, hat das Bundesverfassungsgericht bereits am 17. Juli 2003 - dieses Datum sollte man sich merken entschieden, dass § 8 mit dem Grundgesetz vereinbar ist, und bestätigt, dass die Umlagefinanzierung verfassungskonform ist. Das heißt, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Umlage rechtssicher ist.

Nun haben CDU und FDP bisher leider nicht die Chance genutzt, die Umlagefinanzierung wieder einzuführen. Wir meinen, dass drei Jahre eine zu lange Zeit des Nichtreagierens sind, und legen unseren Antrag zur Beratung vor.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich die Protokolle der vorherigen Legislaturperiode durchlese, habe ich die große Hoffnung, dass wir wieder gemeinsam, wie auch im Jahre 1999, für die Umlagefinanzierung kämpfen und die Umsetzung des § 8 des Niedersächsischen Gesetzes über die Berufe der Altenpflege einfordern.

Sie, sehr geehrte Damen und Herren der CDUFraktion, haben sich in der Plenarsitzung am 6. Mai 1999 vehement dagegen ausgesprochen, die Umlageerhebung auszusetzen, was zu dem Zeitpunkt wegen des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahrens erörtert werden musste. Ich zitiere Frau Jahns:

„... die Einrichtungen, die ausbilden, erleiden als Strafe auch noch Wettbewerbsnachteile. Ist das mit Ihren Zielen, sozial gerecht zu sein... zu vereinbaren?“

Und weiter:

„Die Pflegeeinrichtungen, die ihren Verpflichtungen nachkommen und sowohl ihre Fachkraftquote vorhalten als auch ausbilden und die Umlage gezahlt haben, dürfen nicht im Regen stehen bleiben.“

Sehr richtig, Frau Jahns. Sehr richtig, sehr geehrte Damen und Herren der CDU-Fraktion. Also spannen Sie bitte endlich den Regenschirm auf!

(Zustimmung bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Bei dem Wetter? - Reinhold Coenen [CDU]: Wir haben nur einen Sonnenschirm!)

- Das hilft auch. Schirm ist Schirm. - Sie haben völlig Recht. Alte Menschen sind nicht das Klientel, um auf ihrem Rücken Wettbewerb auszutragen. Die Kräfte der Pflegenden müssen für die Arbeit an und mit den Menschen gebündelt werden. Gerade die Pflege älterer Menschen ist eine gesellschaftspolitische Verpflichtung für die Gesamtbevölkerung.

(Zustimmung bei der SPD)

Es kann deshalb nicht sein, dass sich das Land Niedersachsen aus der Mitverantwortung für eine qualifizierte Pflege der älteren Menschen ausklinkt.

(Zustimmung bei der SPD)

Deshalb ist es erstaunlich und auch bedauerlich, dass Sie seit Juli 2003 die gesetzliche Grundlage nicht genutzt und nicht darauf reagiert haben.

Sehr geehrte Damen und Herren der Fraktionen der CDU und der FDP und vor allem Sie, Frau Ministerin Ross-Luttmann, ich fordere Sie auf, die Altenpflegeausbildung aus gesamtpolitischer, sozialer Mitverantwortung für Niedersachsen und für die älteren Menschen in unserem Land zu sichern. Mit § 8 des Niedersächsischen Gesetzes über die Berufe in der Altenpflege gibt es bereits eine Norm für die Umlagefinanzierung. Die Landesregierung muss sie nur nutzen, und zwar noch in diesem Jahr, damit die Ausbildungszahlen endlich wieder steigen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD - Bernhard Bu- semann [CDU]: Woher haben Sie die Zahlen eigentlich?)

- Aus dem Landespflegebericht, von Ihnen erstellt

(Bernhard Busemann [CDU]: Man muss ja auch lesen können!)

- Ja, das waren 600 Seiten. Lesen Sie das. Es lohnt sich.

Für die CDU-Fraktion hat nun die Abgeordnete Kohlenberg das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich die Überschrift des Antrags der Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion gelesen habe, war ich doch sehr erstaunt.

(Walter Meinhold [SPD]: Och!)

- Ja. - Sie wollen, dass die Landesregierung das im Jahr 2000 ausgesetzte Gesetz zur Umlagefinanzierung der Ausbildungsvergütung zwischen ausbildenden und nichtausbildenden Einrichtungen wieder einführt. Im Protokoll der 24. Plenarsitzung der 14. Wahlperiode am 11. März 1999 steht unter Tagesordnungspunkt 14: „Landesregierung gefährdet Altenpflegeausbildung“. Das war damals ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es ging darum, dass die damalige Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Anhörung freigegeben hatte, der vorsah, das Umlageverfahren für neue Ausbildungsverträge auszusetzen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Hört, hört!)

- Ja. - Frau Merk als zuständige Ministerin führte dazu aus, was der Grund für die geplante Gesetzesänderung war. Man war davon ausgegangen, dass sich die Träger von Alten- und Pflegeheimen solidarisch an der Finanzierung der Ausbildungsvergütung für Altenpflegeschülerinnen und -schüler in Form einer Umlagezahlung beteiligen würden. Bedauerlicherweise kam es nicht dazu. Gegen Umlagebescheide wurden massenhaft Widersprüche eingelegt und Klagen erhoben. Einige laufen auch heute noch.

Es ging damals um sehr viel Geld. Das Land musste einspringen, um die Liquidität der Umlagestelle sicherzustellen. Es sollen rund 10 Millionen DM zugeschossen worden sein. Etwa ein Drittel der Betroffenen hat sich an den Umlageverfahren nicht beteiligt. Es gab inzwischen 683 Widersprüche und mindestens ebenso viele Klagen. Viele andere Bundesländer hatten ebenfalls Probleme mit dem Umlageverfahren.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das ist doch jetzt geklärt!)

- Nein. - So stellte Frau Merk fest, das Umlageverfahren funktioniere nicht. Das Umlageverfahren wurde also eingestellt.

(Norbert Böhlke [CDU]: Hört, hört!)

Seit dem 1. August 2003 wird die Ausbildung für die Altenpflegerinnen und Altenpfleger bundeseinheitlich durchgeführt. Für die Altenpflegehilfeausbildung sind weiterhin die Länder zuständig. Die Länder haben zwar die Möglichkeit, per Rechtsverordnung zu bestimmen, dass von Einrichtungen Ausgleichbeträge erhoben werden können, aber

nur, wenn ein Ausgleichsverfahren erforderlich ist, um einen Mangel an Ausbildungsplätzen zu verhindern oder zu beseitigen. Dieses nachzuweisen, ist zwingende Voraussetzung.

Laut Landespflegebericht - so habe ich ihn jedenfalls gelesen - entwickeln sich die Schülerzahlen wie folgt: Im Jahre 2000 wurden 4 048 Schüler ausgebildet, im Jahre 2005 4 924. Ich kann also nicht erkennen, dass die Zahl zurückgegangen ist.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Zwei Schulen sind schon geschlossen!)

Aber, meine Damen und Herren, natürlich muss man sich darum kümmern, dass genug Nachwuchs in den Pflegeeinrichtungen ausgebildet wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn auch die Betriebe haben großes Interesse an der Zukunftssicherung und der damit verbundenen Qualitätssicherung. Es gibt Werbekampagnen des Ministeriums für den Altenpflegeberuf. Es gibt den Landesarbeitskreis Personalinitiative Pflege, der Veranstaltungen durchführt, Flyer herausgibt und Workshops veranstaltet. Es gibt auch eine Internetpräsentation. Des Weiteren gibt es den Schulversuch Pflegehilfe, der in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium erarbeitet wurde. Es handelt sich dabei um eine zweijährige Ausbildung. Eingangsvoraussetzung ist der Hauptschulabschluss. Neben der beruflichen Qualifikation als Pflegekraft wird auch die schulische Qualifikation des Realschulabschlusses erworben. Das eröffnet den Absolventinnen und Absolventen die Möglichkeit, in den verschiedensten Themenfeldern zu arbeiten oder eine Ausbildung in der Alten- oder auch Krankenpflege anzuschließen. Ich finde, das ist eine ganz tolle Sache, und meine, dass sich durch diese neue Perspektive viele Menschen für einen Pflegeberuf interessieren und entscheiden werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, für eine Verbesserung der Attraktivität von Pflegeberufen sorgt auch der Modellversuch „Integrierte Pflegeausbildung“. Das ist ein bundesweiter Modellversuch, an dem sich auch die Henriettenstiftung seit Oktober 2004 beteiligt. Dabei erhalten Schülerinnen und Schüler der Alten- und Krankenpflege eine zweijährige gemeinsame Ausbildung und im dritten Jahr die gewünschte Spezialisierung für den gewählten

Berufsabschluss. Dadurch eröffnen sich den Absolventinnen und Absolventen neue Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten, auch im Laufe ihres Berufslebens.

(Heinz Rolfes [CDU] spricht mit einem anderen Abgeordneten der CDU- Fraktion)

Frau Abgeordnete, einen Augenblick bitte! - Herr Rolfes, Sie geben mir oft ein Zeichen, wenn es zu laut ist. Aber Sie hören jetzt seit drei Minuten nicht zu, sondern unterhalten sich. Das ist Ihre Kollegin, die hier spricht.

(Walter Meinhold [SPD]: Ich höre zu und der Rolfes nicht!)

Bitte, fahren Sie fort!