Protokoll der Sitzung vom 12.07.2006

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden erinnere ich.

Nun folgen geschäftliche Mitteilungen der Schriftführerin. Bitte schön!

Für heute haben sich von der Fraktion der CDU Herr Oesterhelweg und von der Fraktion der SPD Frau Hemme entschuldigt.

Nun hat Herr Kollege Möhrmann das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt die Erweiterung der Tagesordnung um einen Antrag unter der Überschrift „Verstoß gegen Artikel 24 der Niedersächsischen Verfassung - Gerade der Ministerpräsident sollte bei der Wahrheit bleiben“. Ich begründe dies kurz.

In der gestrigen Debatte um die Frage, ob Herr Ministerpräsident Wulff an einem Besuch der schönen Stadt Osnabrück zusammen mit der Bundeskanzlerin teilnehmen kann, ging es um die Bewertung des landespolitischen Interesses. Die Frage lautete, ob es für das Land wichtig sei, dass der Ministerpräsident dabei ist. Dazu hatten wir unterschiedliche Auffassungen.

Nach der Einlassung des Abgeordneten Wulff hat die Angelegenheit eine neue Dimension bekommen. Ausweislich des Protokolls hat Herr Wulff erklärt, dass „ich heute Nachmittag bei dem offiziellen Antrittsbesuch der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland in Niedersachsen dabei sein soll“. Meine Damen und Herren, ich stelle hier fest, dass es sich nach unseren Recherchen nicht um einen Antrittsbesuch der Bundeskanzlerin in Niedersachsen gehandelt hat, weil alle Quellen, die wir befragen konnten, genau das Gegenteil sagen. Worum es in Wirklichkeit ging, lese ich Ihnen kurz vor:

„Die Bundeskanzlerin ist zu Fuß auf dem Weg vom Rathaus zum FelixNussbaum-Haus. Ministerpräsident Wulff und die Spitze der Osnabrücker CDU begleiten sie.“

Meine Damen und Herren, es handelt sich also um einen Wahlkampfauftritt. Der Ministerpräsident hat hier vor dem Parlament nicht die Wahrheit gesagt. Dies rügen wir. Deshalb beantragen wir, dass der Landtag heute über dieses Vergehen des Ministerpräsidenten diskutiert, das einen Verstoß gegen die Niedersächsische Verfassung darstellt.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU - Ulf Thiele [CDU]: Es ist so peinlich, was Sie da machen!)

Meine Damen und Herren, ich nenne dafür einen Beleg. In der Presseinformation der Presse- und Informationsstelle der Niedersächsischen Landesregierung vom 7. Juli ist unter der Überschrift „Mi

nisterpräsident Christian Wulff“ für Dienstag, den 11. Juli, Folgendes ausgewiesen:

„15 Uhr: Gemeinsame Termine mit der Bundeskanzlerin, Osnabrück 18 Uhr: Besuch des Handwerkertages der Handwerkskammer OsnabrückEmsland“

Von einem Antrittsbesuch ist keine Rede. Dies hat aber der Ministerpräsident hier gesagt; er hat es nicht zurückgenommen, obwohl wir ihn darauf aufmerksam gemacht haben. Dies lassen wir uns als Opposition nicht gefallen.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zurufe von der CDU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Artikel 24 sagt ganz deutlich, was insbesondere von einem Mitglied der Landesregierung zu erwarten ist, wenn es um Auskünfte geht. Dies gilt vor allen Dingen für einen Ministerpräsidenten. Bei uns zu Hause gibt es ein Sprichwort. Es heißt: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. - Deswegen müssen wir über dieses Thema diskutieren.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU - Heinz Rolfes [CDU]: Es sieht immer so komisch aus, wenn Möhrmann übertreibt!)

Das Wort hat Herr Kollege Althusmann.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Der Erfinder der neuen Wahrheit!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jede Opposition möge mit sich selbst ausmachen, wie sehr sie dazu bereit ist, sich zu blamieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Art und Weise, wie hier die SPD-Fraktion über einen völlig normalen Vorgang debattieren möchte, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wer lügt, handelt völlig normal? Das ist interes- sant, Herr Althusmann! Das ist klas- se!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Vorwurf gegen den Ministerpräsidenten weise ich für die CDU-Fraktion aufs Schärfste zurück.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da wir Ihnen aber immer gern behilflich sind, sich in Ihrer Oppositionsrolle zurechtzufinden, werden wir zustimmen, sofort diesen Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, ihn gleich im Anschluss zu besprechen und dann abzustimmen. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE] meldet sich zu Wort)

Zur Geschäftsordnung? - Bitte schön!

(Zurufe - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir schließen uns dem Antrag der SPDFraktion an. Herr Althusmann, ich freue mich, dass auch Sie schon heute über ihn diskutieren wollen. Es wäre kaum nachzuvollziehen, wenn Sie das Ansinnen, über dieses - gelinde gesagt - sehr seltsame Verhalten des Ministerpräsidenten zu diskutieren, nicht unterstützen würden.

Ich möchte auf zwei Dinge hinweisen. Wir haben schon beim letzten Plenum eine Debatte über Werte geführt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt geht das schon wieder los!)

Ein Wert, den ich persönlich sehr hoch halte, heißt: Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sehr rich- tig! - Zuruf von der CDU: Vorsicht! - Weitere Zurufe von der CDU)

Genau das ist hier aber gestern passiert.

Noch bemerkenswerter finde ich aber, dass sich der Parlamentarische Geschäftsführer der CDUFraktion eben hier hingestellt und gesagt hat, dass

es ein völlig normaler Vorgang sei, wenn das Parlament vom Ministerpräsidenten an der Nase herumgeführt werde.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie mögen ja wirklich anderer Meinung sein, was Wahlkampauftritte zusammen mit der Bundeskanzlerin im Osnabrücker Land angeht. Darüber haben wir gestern diskutiert, und wir haben unsere unterschiedlichen Positionen deutlich gemacht. Dass der Besuch der Bundeskanzlerin kein Antrittsbesuch war, wird schon allein daraus deutlich, dass sich die Bundeskanzlerin schon mehrfach in Niedersachsen aufgehalten hat, z. B. anlässlich der CeBIT, anlässlich der Hannover Messe und gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten sogar anlässlich des Elbehochwassers. Jetzt zu behaupten, das sei der Antrittsbesuch - -

Frau Kollegin, Sie sprechen jetzt zur Sache. Ich lese Ihnen jetzt vor, was unsere Geschäftsordnung sagt. Wenn das Plenum beschlossen hat, dass der SPD-Antrag umgehend beraten werden soll, können Sie hier alles erzählen. Jetzt aber reden Sie bitte zur Geschäftsordnung. Sind Sie dafür, dass der Antrag auf die Tagesordnung kommt, oder nicht?

Ich habe eben dargelegt, dass die Unwahrheit gesagt worden ist. Deshalb muss dieser Antrag heute unbedingt diskutiert werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr gut, vielen Dank. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor.

Mir ist der Antrag soeben übergeben worden. Da ich vermute, dass die Kolleginnen und Kollegen ihn noch nicht haben, werde ich den Antrag - wenn Sie einverstanden sind - ohne Begründung kurz verlesen; denn die Begründung wird sicherlich in der Diskussion noch eine Rolle spielen. Es heißt dort:

„Fraktion der SPD, Hannover, den 12.07.2006

Verstoß gegen Artikel 24 der Niedersächsischen Verfassung - Gerade der Ministerpräsident sollte bei der Wahrheit bleiben!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

1. Der Landtag stellt fest, dass die Behauptung des Ministerpräsidenten, die Bundeskanzlerin habe sich am Nachmittag des 11. Juli 2006 auf einem offiziellen Antrittsbesuch in Niedersachsen befunden, der seine Anwesenheit erfordere, nicht der Wahrheit entspricht.

2. Der Landtag missbilligt diese wahrheitswidrige Behauptung des Ministerpräsidenten.“

Die Frage ist jetzt, ob dieser Antrag jetzt auf die Tagesordnung gesetzt werden soll. Ich interpretiere die bisherigen Redebeiträge so, dass er gleich behandelt werden soll. Wer dieser Meinung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe? - Stimmenthaltungen? - In großer Einmütigkeit ist das so beschlossen worden.