Protokoll der Sitzung vom 14.09.2006

Das ist meine zweite Frage. Ich bin bei der Vorbemerkung, Herr Präsident. Ich komme jetzt zur Frage.

(Bernd Althusmann [CDU]: Nein, nein, das geht nicht!)

Meine Frage ist: Weshalb ändern Sie eigentlich diese zehn Grundsätze zum Küstenschutz, wenn doch alles vorher schon so gut möglich war? Kann es sein, dass Ihnen als Umweltminister die Salzwiesen völlig egal waren, Hauptsache der Deichbau wird billiger?

(Beifall bei den Grünen - Widerspruch bei der CDU - Zuruf von der CDU: Es wird doch besser!)

Ich bin ziemlich sicher - die Landtagsverwaltung kann mir das ja noch einmal bestätigen -, dass Sie, wenn Sie zwei Fragen stellen, nicht zwei Minuten vorher reden dürfen. Das müssen wir einmal klären. Ich jedenfalls verstehe das nicht so. Sonst könnte man auf diese Art und Weise schöne Reden halten. Aber der Sinngehalt einer Zusatzfrage würde dann ausgehebelt. Aber mir ist das egal, wenn der Landtag das so will, dann machen wir das so.

Herr Kollege Klein!

(Bernd Althusmann [CDU]: Nein, nein, Herr Präsident, das ist ein Missver- ständnis!)

- Entschuldigung, der Minister bekommt das Wort. Eine Antwort sollen Sie haben. Wenn Sie schon zwei Fragen stellen, dann sollen Sie wenigstens auch eine Antwort bekommen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Korter, ich habe den Bericht von Herrn Ambrosy ebenfalls gelesen. Er hat sich geäußert, nachdem das Kabinett die Grundsätze verabschiedet hat. Aber ich kann nichts dafür, wenn Herr Ambrosy vor einer Einzelfallprüfung Angst hat. Ich finde es eigentlich eigenartig. Vorher hatten wir Grundsätze, die generell galten. Jetzt gucken wir auf jeden Einzelfall, wie man ihn bestmöglich lösen kann.

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Das ist doch hervorragend!)

Haben Sie eigentlich Angst davor, dass man den Einzelfall prüft? Sie möchten diese Grundsätze weiter pauschal haben. Wir haben ja die Grundsätze fortentwickelt und fortgeschrieben, wir haben sie an die Realität angepasst.

Sehr geehrte Frau Kollegin, ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mir Deichverbände und andere Personen nennen und auch Briefe von kommunalen Vertretern eventuell zusenden würden, die sich gegen die neuen, weiterentwickelten Grundsätze aussprechen.

(Ina Korter [GRÜNE]: Sind Ihnen die Salzwiesen egal?)

- Sie haben gefragt, ob mir die Salzwiesen egal sind. Die Salzwiesen haben für das Ökosystem im niedersächsischen Wattenmeer eine erhebliche Bedeutung. Sehr geehrte Frau Kollegin, dann müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass wir in den letzten 40 Jahren einen erheblichen Zuwachs an Salzwiesen haben, nämlich im Bereich des niedersächsischen Wattenmeers ca. 1 600 ha zusätzlicher Aufbau von Salzwiesen. Bevor es die Grundsätze gegeben hat, haben sich also die Salzwiesen entwickelt,

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der FDP: Aha!)

bei einem Abbruch - das muss man dagegen setzen - von 180 ha. An den ostfriesischen Küsten haben wir einen Zuwachs an Salzwiesen von 1 100 ha. Das ist ein Riesenzuwachs, auch bei den bestehenden Grundsätzen.

Nun habe ich gerade versucht zu erklären: Wir werden uns jeden Einzelfall ansehen, wo Salzwiesen entstanden sind, die auch durch den Aufbau des Vorlandes ökologisch nicht mehr qualitativ so gut sind, weil es zu einer Verbuschung, Verqueckung, Verfilzung geführt hat und sich dementsprechend die sehr wichtigen Vogelarten und Brutarten daraus zurückgezogen haben. Dort werden wir prüfen, ob wir es durch die Kleientnahme ermöglichen, wieder neue Salzwiesen aufzubauen.

Wir haben in einem wissenschaftlichen Gutachten, das seit 1999 läuft - Petersgroden -, feststellen können, dass sich fünf Jahre nach der Kleientnahme wieder Sediment angelagert hat und Salzwiesen aufgebaut haben. Außerdem gibt es dort ein einzigartiges Prielsystem im niedersächsischen Wattenmeer, das es woanders gar nicht gibt.

Wir machen also praktischen Deichbau. Wir lassen ihn wissenschaftlich begleiten, um festzustellen, wie sinnvoll und notwendig es ist.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Für uns alle und für das Protokoll: Wenn Sie zwei Fragen direkt hintereinander stellen, dann steht Ihnen eine Minute für die Einleitung zur Verfügung. Wenn Sie zwei Fragen getrennt stellen, dann haben Sie jeweils eine Minute. Wir wollen uns gemeinsam an die Regeln halten.

Frau Somfleth, bitte schön!

Herr Minister, können Sie mir erklären, wie sich die Kleientnahme im Deichvorland mit der Verordnung über den Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ vereinbaren lässt?

(Anneliese Zachow [CDU]: Das steht im Gesetz!)

- Im Gesetz. Sie haben Recht, Frau Zachow.

Vielen Dank. - Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Somfleth, ich habe Ihnen gerade dargelegt, dass wir nur in den Salzwiesen Klei entnehmen wollen, die ökologisch nicht mehr so wertvoll sind - das ist der Grundsatz Nr. 1 -, weil in diesen Salzwiesen durch Versteppung und Verqueckung die Zahl der Vogelarten zurückgegangen ist. Auch das bestätigt die Nationalparkverwaltung. Wir werden mit der Nationalparkverwaltung im Einzelfall absprechen, wo es sinnvoll ist, das durchzuführen, und wo nicht. Wir werden das nur dort tun, wo mittel- und langfristig - ich sage einmal in 10, 20, 30, 40 Jahren - ein Gewinn für die Ökologie zu erwarten ist. Es ist nämlich sehr unterschiedlich, wie der Aufbau der Salzwiesen erfolgt. Das hängt mit der Überflutung und mit der Lage des mittleren Tidehochwassers in den einzelnen Bereichen zusammen. Wir können Ihnen das gerne zeigen, wenn sich der Umweltausschuss dieses Projekt ansehen möchte. Dann komme ich gerne mit und zeige Ihnen das.

Frau Kollegin Steiner hat das Wort. - Bevor sie ihre Frage stellt, darf ich die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen. - Bitte schön, Frau Steiner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Minister Sander hat uns gerade dargestellt, nun solle der Deichbau noch wirtschaftlicher erfolgen. Es ist klar, dass die Motive für die Änderung dieser Grundsätze rein wirtschaftlicher Natur sind. Nachdem Sie betont haben, dass alle ökologischen Grundsätze beachtet würden und das Ergebnis am Schluss vielleicht sogar noch bessere ökologische Verhältnisse schaffen werde, frage ich Sie: Haben Sie eigentlich das Niedersächsische Naturschutzgesetz geändert, ohne dass wir das im Parlament gemerkt haben, oder haben Sie vor, es in absehbarer Zeit zu ändern? Denn zweifelsohne ist das, was Sie da jetzt betreiben und geändert haben, ein deutlicher Eingriff entsprechend dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Steiner, wir würden niemals das Naturschutzrecht brechen, weil wir an dieses Gesetz gebunden sind.

(Zustimmung bei der CDU - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Nicht aus Über- zeugung!)

In meinen Antworten habe ich eben versucht, Ihnen zu erklären, dass wir die ökologischen Belange, die wirtschaftlichen Belange und die sozialen Belange im Gleichklang betrachten. Ich habe Ihnen dann gesagt - oder Sie konnten es entnehmen -, dass wir, nachdem die Grundsätze von 1995 den wirtschaftlichen Teil gar nicht oder nur unwesentlich berücksichtigt hatten, jetzt die Tür geöffnet haben, dass auch wirtschaftliche Belange berücksichtigt werden. Daher verstehe ich nicht, was Sie daran kritisieren. Der Einzelfall ist entscheidend. Wir prüfen den Einzelfall vor Ort genau. Das ist, glaube ich, das Optimale, was wir im Bereich des Küstenschutzes unter Beachtung des ökologischen Nutzens tun können und tun müssen.

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Janßen hat jetzt das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn Herr Funke schon seit Generationen an der Küste lebt - manchmal denkt auch er zu kurz. Ich komme aus demselben Ort wie er.

Wir hatten bislang die Situation, dass grundsätzlich - sowohl bei den Kleientnahmen als auch bei der Deichverstärkung - zunächst zu prüfen war, ob beides oder eines davon binnendeichs erfolgen kann. Jetzt ist es aber so, dass diese Maßnahmen grundsätzlich außendeichs stattfinden sollen.

Sie haben eben etwas zum Eingriff gesagt. Es ist eindeutig, dass eine Kleientnahme im Außendeichsbereich ein Eingriff ist. Zum Schutzzweck des Nationalparks heißt es: Die natürlichen Prozesse sollen fortbestehen. - Das sagt gleichzeitig aus, dass dort die FFH-Richtlinie anzuwenden ist. Dann ist eine Kleientnahme außendeichs nur möglich, wenn binnendeichs keine Möglichkeit zur Kleientnahme besteht.

Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, wie Sie zukünftig ausschließen wollen, dass im Binnendeichsbereich Klei in bautechnisch geeigneter Form vorliegt, bevor Sie in den Außendeichsbereich gehen. Oder wollen Sie im Prinzip inhaltlich gar nichts verändern, sondern hier nur Klamauk machen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Janßen, ich habe gesagt: Bei allen Maßnahmen, die wir im Einzelfall prüfen, ist es grundsätzlich notwendig, eine FFHVerträglichkeitsprüfung durchzuführen. Sie haben eben versucht darzustellen, welche Folgen das haben kann. Aber wir schreiben in all den Bestimmungen „kann“. Nur: Die Bestimmungen der Grundsätze waren damals andere, weil „nur binnendeichs“ festgelegt worden war.

Das muss ich Ihnen jetzt vielleicht auch einmal sagen: Wollen Sie eigentlich diese schöne Küstenlandschaft durch die Kleientnahme in eine Seenlandschaft verwandeln

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

und diese einzigartige ostfriesische Kulturlandschaft unwiederbringlich zerstören? Wir müssen uns doch Gedanken machen, wie das in der Zukunft zu geschehen hat.

Das kann ich jetzt auch noch verraten: Wenn der Generalplan Küste vorliegt, werden wir eine Abschätzung für die nächsten 10, 20, 30 Jahre vornehmen, wie viel Klei benötigt wird, weil wir dann wissen, an welchen Deichen ein Unterbestick herrscht. Daran können Sie sehen: Wir betreiben eine Umweltpolitik für die Zukunft, die nachhaltig ist, um unsere Kulturlandschaft und die Menschen zu schützen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es gibt Irritationen, ob wir alle Namen erfasst haben. Ich lese deshalb vor, wer auf unserer Redeliste steht: Als Nächste Frau Ortgies, dann Herr Haase, Herr Meihsies, Frau Zachow, Herr Jüttner, Herr Briese, Herr Klein, Frau Janssen-Kucz und Frau Helmhold. - Wir nehmen noch Frau Somfleth und Herrn Hagenah auf. Außerdem nehmen wir Frau Steiner für eine zweite Zusatzfrage auf.

Es geht also mit Frau Ortgies weiter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Endlich hat eine Landesregierung mal wieder den Mut, Dinge in Gleichklang zu bringen, die für die Menschen an der Küste lebensnotwendig sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)