Protokoll der Sitzung vom 26.02.2008

Gesellschaft und insbesondere Jugendliche brauchen Vorbilder, und den Medien kommt eine große Bedeutung bei der Vermittlung zu. Jungen Menschen muss frühzeitig Gelegenheit gegeben werden, Demokratie zu erfahren. In dem Zusammenhang spielt auch der Stil der politischen Auseinandersetzung eine große Rolle. Die beste Werbung für eine künftig stärkere Beteiligung kann nicht das ausgeprägte profillose politische Harmoniebedürf

nis, nicht die „Demoskopie-Demokratie“ mit dem Hang zur politischen Entscheidungs- und Gestaltungsschwäche sein. Die Meinungsumfrage muss Politik reflektieren und nicht umgekehrt.

Nach meiner festen Überzeugung findet eine klare politische Führung, die für ihre Entscheidungen und politischen Vorschläge nachvollziehbar, offen und fair streitet, im Ergebnis mehr Zustimmung in der Öffentlichkeit als eine manchmal ritualisierte Beschimpfung des politischen Gegners. Wir sollten deshalb in der kommenden Periode versuchen, auch für die Besucher des Landtages und für die politisch interessierten jungen Menschen im Land Vorbild in der Achtung vor dem politisch Andersdenkenden zu sein. Vielleicht kann dies ein Mosaikstein sein, für neues Vertrauen in die Politik und die Politiker zu werben.

(Beifall)

Ich möchte heute auch einen Bereich ansprechen, von dem ich mir eine breite politische Zustimmung im Hause erhoffe. Die Öffentlichkeit hat mit regem Interesse nicht nur die Neuordnung des Parlaments, sondern auch die Neugestaltung einiger Sitzreihen verfolgt. Doch ist eigentlich in der breiten Öffentlichkeit bekannt, dass das Leineschloss bereits seit 1962 Sitz des Landtages ist und dass seit 46 Jahren abgeschottet vom Tageslicht in einem baulich unveränderten Plenarsaal getagt wird?

Nicht nur der Plenarsaal, das Herzstück des Landtages, sondern auch die Portikushalle genügen heutigen Ansprüchen nicht mehr.

(Beifall)

Im Portikusbereich mussten sogar kostenaufwendige Maßnahmen durchgeführt werden, um mögliche Unfälle zu vermeiden.

Niemand will einen pompösen Parlamentsbau errichten oder eine Luxussanierung der bestehenden Bausubstanz. Das Konzept muss so ausjustiert werden, dass mit einer angemessenen räumlichen Lösung, die die notwendige architektonische Sensibilität aufzeigt, vorhandene Baumängel nachhaltig und dauerhaft beseitigt werden. Dazu würden nach meiner Auffassung dann auch die Investitionen in die neuen medialen Techniken gehören. Und ich betone ausdrücklich, dass nach meinem Verständnis die Abgeordneten dieses Hauses einen Anspruch auf eine zeitgemäße und angemessene Arbeitsstätte haben.

(Beifall)

Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich um Unterstützung über alle Parteigrenzen hinweg, bei den Medien und in der Öffentlichkeit für den dringend notwendigen Landtagsumbau zu werben. Die Umsetzung wird auch für die Abgeordneten und die Verwaltung erhebliche Einschränkungen und Hemmnisse bedeuten, aber wir sollten als Parlament deutlich machen, dass die Notwendigkeit nicht mehr strittig ist und wir dies gemeinsam wollen. Das wäre mein persönlicher Wunsch.

(Beifall)

Niedersachsen steht in der kommenden Periode vor neuen Herausforderungen, und wir leben nicht auf einer Insel. Veränderungen in der Welt, in Europa und in Deutschland werden nicht an Niedersachsen vorbeigehen. Oft geschehen diese Veränderungen so schnell, dass man Mühe hat zu folgen und politisch angemessen zu reagieren. Es gibt eine Fülle von parlamentarischen Aufgaben, die sich aus der Bevölkerungsentwicklung, aus der Alterung der Gesellschaft und aus der Lage der Familien in unserem Land ergeben. Dies ist oft begleitet von Zukunftsängsten, Angst um den Arbeitsplatz und auch sozialen Problemfeldern. Aber wir müssen diese Herausforderungen mit Mut und Entschlossenheit angehen.

Niedersachsen ist ein starkes Land, und wenn wir neben den vielen politischen Aktivitäten im Bereich der Wirtschaft und der Sozialpolitik, der Forschung, des Umwelt- und Energiebereiches sowie im für Niedersachsen wichtigen Agrarsektor als Parlament ein eindrucksvolles Bekenntnis für den Bildungsbereich und die berufliche Qualifizierung ablegen, kann Niedersachsen den politischen Wettbewerb um die Zukunftsfähigkeit bestehen. Es gibt nach meiner Überzeugung keine Investition mit einer höheren Rendite als im Bildungsbereich - für die Zukunft unseres Landes.

Ich möchte schließen mit einem Leitspruch von Jean Anouilh:

„Die Dinge sind nie so, wie sie sind. Sie sind immer das, was man aus ihnen macht.“

Lassen Sie uns deshalb mit Verantwortungsgefühl, Augenmaß und auch Leidenschaft als Parlament an die Arbeit gehen: Niedersachsen hat es verdient!

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Starker, lang anhaltender Beifall)

Ich komme zum nächsten Punkt der Tagesordnung:

Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages (GO LT) - Drs. 16/1 - hier: Änderungsanträge zu § 5 GO LT - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2 - Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 16/5 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/10

Die geltende Geschäftsordnung des Niedersächsischen Landtages ist als Drucksache 16/1 an Sie verteilt worden.

Vereinbarungsgemäß behandeln wir zunächst die vorliegenden Änderungsanträge, soweit sie sich auf § 5 der Geschäftsordnung, also die Zusammensetzung und die Wahl des Präsidiums, beziehen. Alle übrigen Änderungsanträge zur Geschäftsordnung behandeln wir absprachegemäß im Zusammenhang am heutigen Nachmittag. Nach den Absprachen zwischen den Fraktionen soll über die Änderungsanträge insoweit sofort abgestimmt werden, als sie § 5 der Geschäftsordnung betreffen.

Ich schlage Ihnen folgende Redezeiten vor: für die Fraktion der CDU acht Minuten, für die Fraktion der SPD acht Minuten, für die Fraktion der FDP vier Minuten, für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vier Minuten und für die Fraktion der Linken vier Minuten.

Mir liegen die ersten Wortmeldungen vor. Das Wort hat der Kollege Althusmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst Ihre Ausführungen, Herr Präsident, zum Parlamentsneubau und zum Leineschloss ein bisschen ergänzen. Dieses Parlament war bekanntlich in der Vergangenheit auch einmal ein Armenhaus. Einige sagen, es sei bis heute nicht viel besser geworden. Vieles in diesem Parlament ist neu. Aber die Mikrofonanlage ist dringend sanierungsbedürftig. Ihre Rede, Herr Präsident, war teilweise schwierig zu hören. Es hat sehr gerauscht.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit den vorliegenden Änderungsanträgen zur Geschäftsordnung empfehlen Ihnen die Koalitionsfraktionen

von CDU und FDP gleich zu Beginn dieser neuen Legislaturperiode entscheidende Weichenstellung für eine neue, geänderte Geschäftsordnung, also zum geregelten Umgang des Miteinanders hier im Parlament. Lassen Sie mich vorsorglich und gewohnt sachlich

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war die erste Lüge in dieser Le- gislaturperiode! - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Karl-Heinz Klare [CDU] und Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das wird der erste Ordnungs- ruf! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war die erste Übertreibung!)

auch mit Blick auf die heute Nachmittag zu erörternden Anträge darauf hinweisen, dass die Wähler in Niedersachsen erneut der Regierungskoalition von CDU und FDP und nicht Ihnen, Herr Jüttner, einen Regierungsauftrag erteilt haben,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

jedoch auch eine fünfte Fraktion ins Parlament gewählt wurde. Diesen neuen Mehrheitsverhältnissen wollen wir Rechnung tragen. Sie sollen sich in den kommenden fünf Jahren im Parlament und in seinen Ausschüssen wie in der Vergangenheit widerspiegeln.

Zugegeben: Änderungsanträge zur Geschäftsordnung stehen nicht wirklich im Zentrum der Landespolitik. Sie stehen auch nicht wirklich im Zentrum des öffentlichen Interesses. Aber das Ringen um Posten und Positionen deckt so manches Mal den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf, nämlich wenn Einsparungen konkret werden, wenn CDU und FDP, wie im vorliegenden Änderungsantrag vorgezeichnet, beschließen wollen, nach einer Verkleinerung des Landtages nunmehr auch die Zahl der Vizepräsidenten um einen Sitz zu reduzieren.

Zur Erinnerung: Zu Beginn der letzten Legislaturperiode haben wir die Zahl der Ausschüsse reduziert. Wir haben schon damals die Anzahl der Vizepräsidenten gegen Ihren Willen nicht erhöht und deren zusätzliche Entschädigung um 10 % abgesenkt. Wir haben den Landtag verkleinert, wozu Sie in Ihren Regierungsjahren keinen Mut hatten. Nun sollen wir, wenn es nach den Grünen geht, die Zahl der Vizepräsidenten wiederum auf fünf erhöhen.

Interessant und völlig konträr ist in diesem Zusammenhang die Haltung einer anderen Fraktion,

die selbst für den Fall, dass wir bei der alten Regelung blieben, den Oppositionsfraktionen zwei Vizepräsidenten zuzugestehen, unter keinen Umständen bereit gewesen wäre, einen dieser Posten, unserem Beispiel folgend, demokratisch und fair z. B. an die Grünen abzutreten. Nein, das werde man auf keinen Fall tun, hieß es, Herr Bartling. Stattdessen präsentiert man uns nun quasi in letzter Not einen nicht ganz so glaubwürdigen Änderungsantrag zur Geschäftsordnung, nämlich die Zahl der Vizepräsidenten um einen weiteren Sitz zu reduzieren. Es waren, wenn ich mich richtig erinnere, die Jahre nach 1990 unter SPD und Grünen, in denen das niedersächsische Landesparlament sogar fünf Vizepräsidenten hatte.

Kurzum: Eine parlamentarische Tradition, wonach jede im Niedersächsischen Landtag vertretene Fraktion kraft Gewohnheitsrechts mit einem Vizepräsidenten oder einer Vizepräsidentin im Präsidium vertreten wäre, existiert nicht. In anderen Bundesländern wie z. B. Sachsen stellen CDU, SPD und Linkspartei als die drei größten Fraktionen des Landtages jeweils einen Landtagsvizepräsidenten. In Berlin stellen nur SPD und CDU einen Vizepräsidenten.

Meine Damen und Herren, mit drei Repräsentanten neben dem Präsidenten des Landesparlaments bewegen wir uns exakt in der Mitte aller Bundesländer. Die CDU-Fraktion wird einen ihr zustehenden Vizepräsidentenposten an die Fraktion der FDP abtreten und den Kandidaten der Fraktion der FDP wählen, ebenso aber auch den Kandidaten der Fraktion der SPD. CDU und FDP hier im Landesparlament bekennen sich damit zu einer quantitativ ausreichenden und qualitativ hochrangigen Vertretung der Interessen des Parlaments nach außen wie auch nach innen. Immerhin ist Niedersachsen, bezogen auf die Einwohnerzahl, größer als manches neu in die Europäische Union aufgenommene Land.

Durch die von uns des Weiteren vorgeschlagene Änderung des § 14 kommen wir dem verfassungsrechtlich verankerten Anspruch aller Fraktionen auf Sitz und Stimme in bestimmten Ausschüssen eigener Art, z. B. dem Wahlprüfungsausschuss und dem Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, nach. Wir wahren mit dieser Änderung neben den Minderheitenrechten auch die Mehrheitsrechte in den betroffenen Ausschüssen.

Zu Beginn dieser Legislaturperiode darf ich abschließend betonen, dass wir als CDU-Fraktion uns auf eine gute Zusammenarbeit mit SPD und

Grünen in der Opposition und selbstverständlich auch mit unserem Koalitionspartner, der FDP, in guter Tradition freuen, weil uns alle in erster Linie das Ziel des Wohlergehens unseres Landes und der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Niedersachsen eint, selbst wenn wir auf unterschiedlichen Seiten dieses Hauses nicht nur sitzen, sondern auch arbeiten.

Wir sollten über die Änderungsanträge fair abstimmen und danach, wie zwischen den Parlamentarischen Geschäftsführern vereinbart, wählen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Althusmann. - Das Wort hat jetzt der Kollege Bartling.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Ihnen, Herr Präsident, zunächst einmal dankbar, dass Sie etwas über das Landtagsgebäude gesagt haben. Dazu schließe ich an Worte des Herrn Alterspräsidenten an. Der Herr Alterspräsident hat zum Ausdruck gebracht, dass es doch wichtig sei, dass wir ein richtiges Bild von der Bedeutung des Landtages vermitteln. Wenn ich mir die Diskussion vor Augen führe, die wir über zwei weitere Sitze in der ersten Reihe dieses Landtages geführt haben, bin ich im Zweifel, ob das ein gutes Bild von der Bedeutung des Landtages nach außen gegeben hat. Weil der Vorsitzende der FDP-Fraktion Angst davor hat, dass Herr Wenzel ihm in die Papiere gucken könnte, mussten hier zwei Tische eingebaut werden. Wenn sich die FDP Gedanken darüber gemacht hätte, wie man dieses Landtagsgebäude grundlegend sanieren könnte, dann hätte sie dem Landtag etwas Gutes getan. Ein schöneres Beispiel als die Mikrofonanlage hätte es heute nicht geben können.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Herr Althusmann, nun zu den parlamentarischen Gepflogenheiten bei der Wahl von Vizepräsidenten. Ich habe heute Morgen während des Gottesdienstes Herrn Bischof Weber über Maßlosigkeit sprechen hören. Was Sie, meine Damen und Herren, hier beschließen wollen, ist ein Ausdruck von Maßlosigkeit. Wenn Sie die nach außen gerichtete Repräsentanz des Landtages auf drei zu eins reduzieren - drei Repräsentanten für die Regie

rungskoalition, einen Repräsentanten für die Opposition -, dann weichen Sie von guter parlamentarischer Sitte gravierend ab.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)