Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns alle verbindet der Wunsch, für das Wohl der Kinder zu sorgen. Jeder in diesem Hause will, dass Kinder vor Verwahrlosung und vor Vernachlässigkeit geschützt werden und gesund aufwachsen können. Dies ist im Übrigen auch eine ganz wichtige soziale Forderung; denn Kinder sind dann von der Gesellschaft ausgeschlossen, wenn nicht genügend für sie gesorgt wird, wenn niemand auf sie und ihre Gesundheit achtet, wenn niemand ihnen Zuwendung zukommen lässt.
Die Frage ist nun, wie man dieses Ziel erreichen kann. Die Landesregierung hat in den letzten fünf Jahren schon eine ganze Menge getan, um hier zu Verbesserungen zu kommen.
Herr Humke-Focks, wenn Sie sagen, in unserem Antrag sei nichts drin, dann ist das eindeutig falsch. Wir sagen darin ganz eindeutig, dass wir Kinderrechte in der Verfassung wollen. Ob hier verbindliche einklagbare Kinderrechte oder eine entsprechende Staatszielbestimmung richtiger sind, darüber streiten sich die Geister; ich habe beim letzten Mal schon darauf hingewiesen. Wir haben bereits eine Anhörung dazu durchgeführt und werden das wahrscheinlich noch einmal tun. Uns haben Juristen gesagt, dass man mit einer Staatszielbestimmung einem Kind im Einzelfall unter Umständen besser helfen kann als mit einem einklagbaren Kinderrecht. Wichtig ist doch, dass wir es schaffen, den Kindern tatsächlich zu helfen.
Ich bin gegen „Kindeswohl bricht Elternrecht“. Unser Grundgesetz weist ganz besonders auf die Rechte und auch auf die Pflichten der Eltern hin. Die meisten Eltern - das ist schon verschiedentlich gesagt worden - sorgen ja auch gut für ihre Kinder. Einige wenige tun es nicht: weil sie überfordert sind, weil sie es nicht können, weil sie es nicht gelernt haben, wie auch immer. In diesen Fällen müssen wir den Kindern helfen und sie auch schützen. Das heißt aber doch nicht, dass wir generell die Lufthoheit über die Kinderbetten wollen,
Das verbindliche Einladungswesen wird jetzt gesetzlich umgesetzt. Der Gesetzentwurf befindet sich in der Kabinettsberatung. Er wird also auf jeden Fall kommen. Das ist ein guter Weg, um den Kindern in Abstimmung mit den Kinderärzten, mit den Jugendämtern, mit allen Beteiligten zu helfen. Die Kinder werden zu Untersuchungen gebracht, sodass festgestellt werden kann, ob sie gesundheitliche Beeinträchtigungen aufweisen, gegen die man etwas tun muss, damit sie später, wenn sie in die Schule kommen, überhaupt in der Lage sind, den Unterrichtsstoff aufzunehmen. Darin liegt unser aller Bürgerpflicht. Dass das verbindliche Einladungswesen hier der richtige Weg ist, darin sind sich alle Beteiligten bundesweit einig.
Frau Staudte hat in der letzten Beratung darauf hingewiesen, dass wir das System der Us dichter haben möchten. Neu eingeführt wurde die U 7 a für Kinder im Alter von drei Jahren. Das finde ich gut. Aber in Sachen weitere Us hat sich der Bundesausschuss noch nicht bewegt.
Es gibt auch ein Scheckheft des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, in dem noch mehr neue Us vorgesehen sind: U 10, U 11 und J 2. So weit sind wir aber noch nicht. Wir müssen daran arbeiten, die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu verbessern.
Wir hatten in unserem Antrag auch das Thema Anrufung von Familiengerichten durch die Jugendämter angesprochen. Das ist eigentlich überholt, weil der Bundestag inzwischen beschlossen hat, § 1666 BGB entsprechend anzupassen. Die Schwelle, ab der man tätig werden kann, wird herabgesetzt.
Zu dem flächendeckenden Ausbau der Familienhebammenprogramme haben wir schon viel gehört. Wir investieren dort in die Ausbildung. Wir können allerdings nicht alles finanzieren, was wünschenswert wäre. Wir müssen auch darauf achten, dass wir mit dem Geld, das wir haben, auskommen. Das ist auch im Interesse unserer Kinder und Jugendlichen: damit in Zukunft noch Geld da ist für Krankenhäuser, für Kindertagesstätten und vieles andere mehr.
Es gibt auch weitere Modellprojekte. Ich erwähne sehr gern das Modellprojekt PiAF, das ich für ausgezeichnet halte, auch wenn es natürlich teuer wäre, es auszubauen. Man hat gemerkt: Je stärker man die vor Ort handelnden Personen vernetzt,
umso mehr kann man für Kinder in prekären Situationen erreichen. Dies hinzubekommen, ist ja unser Ziel.
Unser Antrag ist ein guter Antrag. Ich finde es sehr schön, dass Bündnis 90/Die Grünen ihm beigetreten sind. Er enthält nicht mehr die Forderung nach einer entsprechenden Staatszielbestimmung, sondern vermerkt nur noch, dass Kinderrechte in die Verfassung aufgenommen werden sollen. Ich hoffe sehr, dass es dieses Mal möglich ist, eine Zweidrittelmehrheit dafür zu erreichen. Wir sind bereit, uns zu bewegen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Wir wollen den Kinderschutz in Niedersachsen verbessern - wir alle wollen den Kinderschutz in Niedersachsen verbessern -; denn Nachrichten von misshandelten oder vernachlässigten Kindern erschüttern unsere Gesellschaft immer wieder.
Uns liegt heute der gemeinsame Änderungsantrag von CDU, FDP und den Grünen vor, der etliche schon bestehende Maßnahmen würdigt, der im Kern als neues Element das verbindliche Einladungswesen fordert, ein in unseren Augen wirklich richtiges und wichtiges Instrument, um den Staat bei der Ausübung seines Wächteramtes erfolgreich werden zu lassen. Das ist dringend notwendig.
Kritik fand in unserer Fraktion die Tatsache, dass die CDU und die FDP unter Nr. 1 des Antrages eine fertige Ausformulierung zu den Kinderrechten, die ja erst in Kürze beschlossen werden sollen, geliefert haben, eine Formulierung, die nicht den Ansprüchen der anderen Fraktionen genügt und die dem noch anstehenden äußerst schwierigen Einigungsprozess vorgegriffen hätte. Das war in unseren Augen der Versuch, den CDU/FDP-Vorschlag zu den Kinderrechtsartikeln durch die Hintertür zu zementieren. In der Ausschussberatung konnte meiner Anregung, den Punkt zu den Kinderrechten doch allgemein zu formulieren, nicht entsprochen werden. Den schwarz-gelben Ausschussmitgliedern fehlte anscheinend das notwendige Verhandlungsmandat oder die Spontaneität.
Umso mehr freut es mich, Ansgar Focke, dass unsere Anregungen zwischenzeitlich Gehör gefunden haben und die Mehrheitsfraktionen nun den neuen Satz aufgenommen haben und damit auch Verhandlungsbereitschaft im Hinblick auf die anstehende Kinderrechtsdiskussion gezeigt haben.
Deswegen halten wir Ihren Änderungsantrag auch nicht für zielführend. Zum einen machen Sie dasselbe wie zunächst die CDU. Sie wollen einen ausformulierten SPD-Kinderrechtsartikel durch die Hintertür beschließen lassen. Zum anderen bauen Sie unnötige Abgrenzungshürden ein.
Lassen Sie mich an dieser Stelle einmal auf einige herrliche Formulierungsfeinheiten hinweisen. Die Regierungsfraktionen formulieren: Der Landtag bittet die Landesregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Die SPD - auf hartem Oppositionskurs - formuliert: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Sie bauen dann Hürden ein wie den Stichtag in 24 Tagen, der absolut nicht einzuhalten ist. Außerdem teilen wir Ihre Kritik am Kindernotruftelefon nicht. Die Informationsmaterialen sind keine „nutzlosen Werbematerialien“; denn eine Telefonnummer, die niemand kennt, hilft auch nicht weiter. Natürlich muss ein solches Angebot beworben werden.
Sie haben mit Ihrer Forderung nach stärkerer finanzieller Unterstützung der Familienhebammen durch das Land natürlich recht. Aber diese Diskussion werden wir in den Haushaltsberatungen führen.
Wenn heute in dem gemeinsamen Antrag der drei Fraktionen der Satz beschlossen wird, das Land unterstütze den flächendeckenden Ausbau des Familienhebammenprogramms, dann kann das nur hilfreich sein.
Ich kann nur appellieren: Wir müssen beim Thema Kinderschutz auf Einigungskurs gehen. Das gilt für die Mehrheitsfraktionen ebenso wie für uns Oppositionsfraktionen. Alles andere ist nicht im Sinne der betroffenen Kinder. Sie können sicher sein, Herr Klein und Herr Humke-Focks, dass wir an der Umsetzung der genannten Absichten hart arbeiten werden. Krampfhafte Profilbildung, die die SPD scheinbar nötig hat, ist wirklich nicht hilfreich.
Zu einer Kurzintervention auf den Beitrag von Frau Staudte hat sich Herr Schwarz von der SPDFraktion gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, Frau Staudte, ich verstehe die Genugtuung bei den Koalitionsfraktionen. Die frühere Kollegin Meta Janssen-Kucz hat nämlich, wie auch wir, doch immer sehr eindringlich darauf hingewiesen, dass Kinderschutz eine sehr wichtige Aufgabe ist, die sich seitens der Regierung eben nicht auf Symbolpolitik und Showanträge beschränken darf.
Uns wird hier seit zwei Jahren etwas vom verbindlichen Einladungswesen erzählt. Wissen Sie: Wenn die Ministerin das machen will, dann soll sie es doch machen. Aber sie macht es seit zwei Jahren nicht. Im Ausschuss hat sie das jetzt für 2009 angekündigt. Das ist doch nicht zielführend, wenn es um das Interesse von Kindern geht. Und so etwas machen Sie mit, meine Damen und Herren von den Grünen!
Auch einen zweiten Punkt möchte ich Ihnen deutlich benennen. Wir haben versucht, uns in der Frage „Kinderrechte in der Verfassung“ zu einigen. Dies ist unmöglich gewesen.
Dies ist deshalb unmöglich gewesen, weil die CDU auf Bundesebene - und im Übrigen auch die BLänder vor drei Tagen auf der Jugendministerkonferenz - jede Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich des Kinderschutzes und der Kinderrechte ablehnt. Dieses Spielchen wird auch mit uns hier seit zwei Jahren getrieben. Ich sage Ihnen: Solange man diese Position nicht verlässt, solange man Kinder hier nur als Showobjekte heranzieht, sich aber inhaltlich null bewegt,
so lange wird es mit uns keine Verfassungsänderung geben. Und wenn Sie sich auf dieses Spielchen einlassen, dann tut mir das leid. Bisher waren Sie da auch objektiver.
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der FDP - Dörthe Wed- dige-Degenhard [SPD]: Unkenntnis aber auch nicht! - Detlef Tanke [SPD]: Falsche Bündnisse auch nicht!)
Jetzt hat sich Herr Focke von der CDU-Fraktion zu Wort gemeldet. Ihm stehen noch 51 Sekunden Redezeit zur Verfügung. Sie haben das Wort.
Herr Schwarz, ich muss wirklich sagen, Ihre Beiträge zeigen, dass Sie sich völlig verrannt haben. Sie sind völlig weg vom Thema. Wir versuchen, breite Mehrheiten zum Wohle der Kinder in unserem Land zu finden,
Sie mauern bei diesem Thema völlig, weil Sie nur darüber reden, was Sie wollen. Sie hören aber überhaupt nicht zu, was gut für die Kinder in unserem Land ist.