Protokoll der Sitzung vom 06.06.2008

(Beifall bei der CDU)

Bedingt durch das Wahlergebnis sind gemeinsam mit mir sieben von acht Kolleginnen und Kollegen aus der CDU-Fraktion neu in diesem Ausschuss.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Die al- ten wurden abgewählt!)

Wir haben die ersten 100 Tage der 16. Wahlperiode genutzt, um uns in die Materie einzuarbeiten und um viele Gespräche mit Fachleuten und Interessenvertretern zu führen.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das war offensichtlich Stillarbeit!)

Ganz persönlich bin ich fasziniert von der Breite der Themen und begeistert von den Menschen, mit denen ich es zu tun hatte:

(Zuruf von der CDU: Insbesondere von dem Minister! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Studierende, Lehrende, Wissenschaftler, Forscher und Künstler, für die wir als Land eine Plattform schaffen dürfen oder auch nur ein wenig Unterstützung leisten, damit diese Menschen wirken und arbeiten können. Ich möchte zu Beginn meiner Rede auch sagen, dass ich mich über den kollegialen Umgang der Fraktionen untereinander im

Ausschuss gefreut habe. Es ist eine interessante Herausforderung, insbesondere mit den Kolleginnen Frau Dr. Andretta und Frau Dr. Heinen-Kljajić eine Diskussion zu bestreiten.

(Zuruf von der LINKEN: Sie sollen zur Sache sprechen! - Unruhe)

Herr Kollege Nacke, bitte warten Sie einen Moment. - Ich bitte, die Gespräche auf der linken Seite draußen zu führen und nicht hier im Plenarsaal. - Herr Nacke, Sie haben das Wort.

Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich auch in den kommenden Wochen erst die eine oder andere Debatte der vergangenen Jahre nachlesen möchte. Ich freue mich darauf, mich mit Ihnen in den kommenden fünf Jahren über den richtigen Weg im Bereich Wissenschaft und Kultur auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag beschäftigt sich mit der Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“ des Bundes und der geplanten „Qualifizierungsinitiative für Deutschland“. In dieser Initiative werden die für Bildung zuständigen Ministerinnen und Minister des Bundes und der Länder wichtige Maßnahmen verabreden, um die Bildungs- und Zukunftschancen für alle zu verbessern.

Die Qualifizierungsinitiative ist damit ein wirklich gutes Beispiel dafür, wie in einem modernen Föderalismus die Herausforderungen angegangen und Lösungen erarbeitet werden. Die Bundesländer verpflichten sich, ihre Aufgaben nach festen Schlüsseln zu erfüllen. Der Bund leistet Unterstützung im Rahmen seiner Möglichkeiten, ohne sofort die Zuständigkeit der Länder zu kritisieren oder gar in Zweifel zu ziehen. Diese Qualifizierungsinitiative verdient daher die volle Unterstützung des Landes Niedersachsen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Qualifizierungsinitiative beschäftigt sich umfassend mit allen Bereichen der Bildungspolitik: von frühkindlicher Bildung über die Schulen bis hin zur beruflichen Aus- und Weiterbildung. Viele diese Fragen haben uns schon sehr häufig in diesem Haus beschäftigt und werden es auch weiterhin tun.

Der Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP thematisiert aber bewusst nur den Teil der Hoch

schulen und der Weiterbildung, weil dieser wichtige Bereich in allgemeinen Bildungsdebatten häufig zu kurz kommt. Die Frage, ob die deutschen Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten ein ausreichendes Angebot an Studienplätzen für bildungswillige junge Menschen zur Verfügung stellen, ist aber entscheidend für die Zukunft unseres Landes, schließlich werden in den nächsten Jahren noch mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen wollen als bisher. Darüber dürfen wir uns freuen, weil Deutschland im internationalen Vergleich noch unterdurchschnittlich viele Akademiker ausbildet.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Haben Sie das auch schon bemerkt?)

Ganz bewusst beziehe ich mich hierbei auf alle Hochschulen in Deutschland. Die Fragen der Hochschulpolitik können durch eine enge Abstimmung der Länder und feste Vereinbarungen wie beispielsweise den Hochschulpakt 2020 besser gelöst werden. Die doppelten Abiturjahrgänge insbesondere in den einwohnerstarken Bundesländern - also 2011 in Bayern und Niedersachsen, 2012 in Baden-Württemberg und 2013 in Nordrhein-Westfalen und Hessen - werden schließlich auch deutschlandweit zu spüren sein.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, möchte ich kurz auf den Wanderungssaldo der Bundesländer bei den Studierendenzahlen zu sprechen kommen.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Ein trau- riges Kapitel!)

Die statistische Größe für das Kalenderjahr 2006, wonach 27 000 mehr Studierende aus Niedersachsen ein Studium aufnehmen, als Studierende an den niedersächsischen Universitäten aufgenommen werden, ist sicherlich richtig. Daraus aber den Schluss zu ziehen, meine Damen und Herren, Niedersachsen werde seiner Verpflichtung, ausreichend Studienplätze anzubieten, nicht gerecht, ist eine fehlerhafte Deutung.

Man kann nicht ernsthaft die Sogwirkung der Stadtstaaten Bremen und Hamburg außer Acht lassen. Niedersachsen arbeiten in Bremen und Hamburg. Niedersachsen kaufen in Bremen und Hamburg ein. Sie gehen in Bremen und Hamburg ins Fußballstadion. Wer wüsste das besser als der HSV-Fanclub „Die Landtagsraute“ oder der vorgestern gegründete Werder-Freundeskreis in diesem Haus?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Es gibt aber auch 96er-Fans in diesem Haus!)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich studieren Niedersachsen auch in Bremen und Hamburg. Gleiches gilt ausdrücklich für den großen Universitätsstandort Münster in Nordrhein-Westfalen. Diese Niedersachsen, meine Damen und Herren, entscheiden sich häufig gerade deshalb für eine heimatnahe Hochschule, weil sie die Beziehung zu ihrem Heimatort aufrechterhalten wollen. Sie behalten ihren Lebensmittelpunkt in Niedersachsen. Viele von ihnen übernehmen wichtige Aufgaben im Ehrenamt. Wer mit Blick auf diese jungen Menschen von einem Braindrain spricht, benutzt zwar einen schmissigen Begriff des Anglizismus, aber er lässt eine erschreckende Unkenntnis über die Lebensverhältnisse in Niedersachsen erkennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Was heißt denn „Anglizismus“?)

Ich wünsche mir sehr, dass die Statistiker die notwendigen Daten für unsere Arbeit ermitteln. Die politische Bewertung hingegen sollten sie den demokratisch gewählten Repräsentanten überlassen, beispielsweise den Abgeordneten dieses Hauses.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch die großen Städte in Niedersachsen wie Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Osnabrück und auch Göttingen stellen Studienplätze für das Umland, für ganz Deutschland und für Studierende aus der ganzen Welt zur Verfügung. Auch die Bilanz des Bundeslandes Bayern würde negativ ausfallen, wenn die Stadt München ein eigenes Bundesland wäre.

Eines aber macht diese Statistik mehr als deutlich: Der doppelte Abiturjahrgang in Niedersachsen ist auch eine besondere Herausforderung für die Universitäten in Bremen, Hamburg und Münster. Hier muss sich der Föderalismus bewähren. Hier wird die gemeinsame Qualifizierungsinitiative eine große Hilfe sein.

Meine Damen und Herren, der doppelte Abiturjahrgang in Niedersachsen und auch in den anderen Bundesländern ist keine Gefahr. Er ist vielmehr eine Chance, viele junge, gut ausgebildete Menschen früher in die Arbeitswelt zu integrieren. Die norddeutschen Hochschulen und die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber würden unklug handeln,

wenn sie diese Chance nicht nutzen würden. Die Hochschulen stellen sich dieser Verantwortung. Dies habe ich in meinen Gesprächen an den Universitäten deutlich gespürt. Die Landesregierung wird das Ihrige dazu tun, wenn Herr Minister Stratmann neue Zielvereinbarungen und den neuen Zukunftsvertrag verhandelt.

Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, die Bedeutung der Hochschulen im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Universitäten sind keine elitären Einrichtungen für Akademiker. Universitäten sind die Fördertürme für die wichtigste Ressource unseres Landes, Fördertürme für Wissen, Kenntnisse und Bildung. Von einer guten Ausbildung profitieren nicht nur die Absolventen der Bildungseinrichtung, von einem hohen Bildungsniveau haben vielmehr alle einen Vorteil.

Ich würde mich daher sehr darüber freuen, wenn dieser Antrag als Bekenntnis zum Föderalismus und als Unterstützung für unsere Hochschulen in diesem Haus eine breite Mehrheit findet.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Bekennt- nisse allein reichen aber nicht!)

Das Wort hat nun Frau Dr. Lesemann von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In vielen Punkten sind wir sicherlich einer Meinung, Herr Nacke. Dies habe ich an Ihrer Rede gehört. Es freut mich, dass auch Sie das so gesagt haben.

Bildung ist auch für uns der Schlüssel für die Zukunft unseres rohstoffarmen Landes. Wir wissen aber auch: Chancen und Risiken auf dem Arbeitsmarkt hängen sehr davon ab, wo man in der Bildungshierarchie steht. Bildung ermöglicht sozialen Aufstieg. Dies ist nicht nur eine Frage von gesellschaftlicher Teilhabe, sondern auch eine Frage von Zukunftssicherung und vor allen Dingen eine Frage von sozialer Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

In der Analyse mögen wir oft ähnlich denken. Die Gemeinsamkeit hört aber leider beim politischen Handeln auf. Wir wollen, dass Menschen ihre Ta

lente und Fähigkeiten unabhängig von Herkunft und sozialem Status entfalten können.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Das wollen auch wir!)

Ich nenne hier nur die Stichworte „gegliedertes Schulsystem versus Gesamtschule“ und „Studiengebühren versus Gebührenfreiheit“.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Eine neue Chance auf ein Mehr für Bildung gibt es jetzt. Nutzen wir diese Chance!

Bund und Länder haben sich im Dezember 2007 auf die Qualifizierungsinitiative geeinigt. Die Fachminister der Länder sollen bis zum Herbst 2008 eine Qualifizierungsinitiative für Deutschland erstellen. Die Ziele lauten: Bildungschancen für alle stärken, ein durchlässigeres Bildungssystem und Innovation unterstützen.

Meine Damen und Herren, ja, wir brauchen mehr Fachkräfte, und wir brauchen auch mehr Akademiker. Der Arbeitsmarkt verlangt es so. Unbesetzte Stellen im Handwerk, im Erziehungs- und Pflegebereich und besonders der Ingenieurmangel verhindern wirtschaftlichen Erfolg. Schon jetzt fehlen laut BDI in Niedersachsen 2 000 Ingenieure. Woran liegt das? - Viel zu wenige junge Menschen nehmen ein Hochschulstudium auf. Studieren im OECD-Durchschnitt 54 % eines Altersjahrgangs, so sind es in Deutschland nur 37 %. Selbst davon ist Niedersachsen weit entfernt. Mit einer Studierquote von 29 % sind wir die Letzten in dieser Riege.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Unerhört!)

Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und zur Deckung des Fachkräftebedarfs brauchen wir mehr Studierende.