Ein zweiter Aspekt - dieser ist hier mehrfach angesprochen worden, zuletzt gerade von Herrn Professor Zielke - ist, dass der Rechtsweg für alle Niedersächsinnen und Niedersachsen offenstehen muss, und zwar unabhängig vom Geldbeutel.
Aber da muss ich Ihnen schon widersprechen, Herr Professor Zielke. Sie haben gerade von der hohen Quote von Anwälten und Anwältinnen pro Einwohner gesprochen und haben gesagt, dies zeige, dass der Rechtsweg für alle offenstehe. Herr Professor Zielke, Sie wissen so gut wie ich, dass die Frage, ob Sie tatsächlich Zugang zum Recht haben, nicht nur davon abhängt, wie viele Anwälte bei Ihnen in der Nachbarschaft wohnen, sondern es hängt auch davon ab - das haben die Kollegen Tonne und Adler bereits ausgeführt -, ob Sie sich diese Anwälte im Zweifel leisten können bzw. ob Sie anderweitig Beratungshilfe bekommen. Das ist doch der entscheidende Punkt.
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Hans-Dieter Haase [SPD] sowie von Hans-Henning Adler [LINKE])
Die Antworten Ihres eigenen Hauses - das ist bereits angesprochen worden, Herr Minister Busemann - entlarven Ihren Gesetzentwurf, den Sie in der Antwort noch einmal bejubeln, als billige Polemik und als Versuch, auf Kosten der Schwächsten im Justizsystem ein bisschen Geld einzusparen, obwohl es überhaupt keinen Beleg dafür gibt, dass die Kosten im Justizbereich, im Beratungsbereich oder im Prozesskostenhilfebereich explodieren würden, meine Damen und Herren.
Wenn die Kosten ansteigen, dann müssten wir uns die Ursachen anschauen. Das haben Sie leider nicht abgefragt. Der Kollege Tonne hat sich schon an anderer Stelle darüber beklagt, was Sie alles nicht gefragt haben. Wenn Sie z. B. gefragt hätten, warum die Kosten angestiegen sind, dann würde man feststellen, dass einen wesentlichen Batzen natürlich die Kosten im Sozialbereich, im Hartz-IVBereich ausmachen. Darüber haben wir bereits in den Haushaltsberatungen diskutiert. Da können Sie doch nicht sagen: Wir machen schlechte Sozialgesetze und geben schlechte Bescheide in den Argen heraus, und wenn sich die Betroffenen dann rechtlich dagegen wehren wollen, dann vernageln wir ihnen das, weil das die Kosten in die Höhe treiben würde. - Meine Damen und Herren, die Betroffenen können doch nichts dafür, wenn die Bescheide der Argen fehlerhaft sind. Wir als Gesetzgeber müssen gewährleisten, dass ihnen dann in diesem Fall wenigstens der Rechtsweg offensteht.
Noch ein Letztes, was Sie leider überhaupt nicht gefragt haben, obwohl es interessant wäre. Das ist der Umgang mit Anwältinnen und Anwälten in Aufenthalts- und Asylverfahren. Meine Damen und Herren, da wird nämlich von Behörden und Gerichten dem Rechtsstaat leider immer wieder Hohn gespottet. Meine Kollegin Polat und ich hatten erst jüngst einen Fall, in dem einem Rechtsanwalt eine halbe Stunde vor Beginn der Anhörung per E-Mail der Termin dafür mitgeteilt worden ist. Der Anwalt hätte dann in dieser Zeit von Göttingen nach Norddeutschland fahren müssen.
Meine Damen und Herren, wer so etwas macht, der nimmt den Rechtsanwalt nicht ernst, sondern der verspottet ihn, und das in so existenziellen Fragen wie dem Aufenthalts- und Asylrecht. Das kann nicht sein. Wir fordern hier klare Regelungen für eine Beteiligung von Anwälten, gerade in Aufenthalts- und Asylverfahren.
Ein allerletzter Punkt, der auch Aufenthalts- und Asylverfahren betrifft: Schauen Sie sich einmal an, wie sich die Rechtsanwaltsvergütung in diesem Bereich entwickelt! Das wissen Sie, Herr Minister Busemann. Der Bedeutung der gerichtlichen Verfahren wird die Höhe der Vergütung für die betroffenen Rechtsanwälte überhaupt nicht gerecht. Wir fordern hier eine deutliche Erhöhung.
Danke schön, Herr Kollege Limburg. - Ich stelle fest, dass weitere Wortmeldungen nicht vorliegen und dass wir damit die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen haben.
Erste Beratung: JA zu einem gemeinsamen, solidarischen und friedlichen Europa - NEIN zur Ermächtigung zu
Eingriffen in die Haushaltshoheit von EUStaaten und zum marktradikalen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3406
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 24. und 25. März soll beim Treffen des Europäischen Rates eine Änderung des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, also im EU-Primärrecht, beschlossen werden. Dem Artikel 136 des Vertrages soll ein Absatz 3 mit folgendem Wortlaut angefügt werden:
„Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“
Diese Vertragsänderung soll nicht im ordentlichen Verfahren, sondern im vereinfachten Verfahren laut Lissabon-Vertrag erfolgen. Das bedeutet, dass nicht, wie im ordentlichen Verfahren, ein europäischer Konvent und eine anschließende Regierungskonferenz durchgeführt werden, sondern dass der Europäische Rat entscheidet und dass die Parlamente der Mitgliedstaaten, also auch der Deutsche Bundestag, erst danach zur Ratifizierung einbezogen werden.
Jetzt zitiere ich für Sie aus einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, die das Fazit zieht: Aufgrund des unbestimmten offenen Wortlauts - dieser Änderung - ist die Reichweite der Ermächtigung zur Einrichtung eines Stabilitätsmechanismus kaum vorhersehbar. Die Ausarbeitung stellt weiter wörtlich fest, dass die Änderung zu einem Mechanismus führen könne, unter welchem bei einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft massiv in den Staatshaushalt eingegriffen werden könne, ohne dass das Parlament Einfluss auf die Zahlungsverpflichtung nehmen könne. Gemeint ist das nationale Parlament.
Um einmal ganz deutlich zu sagen, was das heißt: Diese Vertragsänderung eröffnet die Möglichkeit von massiven Eingriffen in die Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten, ohne dass im konkreten Fall die nationalen Parlamente noch zu entscheiden hätten. Über die Regelung, die das eröffnet, soll jetzt der Europäische Rat entscheiden, nicht einmal das gewählte Europäische Parlament. Bundestag und Bundesrat sollen hinterher nur noch abnicken.
Meine Damen und Herren, das ist kein transparentes und auch kein besonders demokratisches Verfahren. Wir fordern darum mit unserem Antrag die Landesregierung auf, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Bundesregierung einzuwirken, damit sie auf der Tagung des Europäischen Rates am 24. und 25. März diese Vertragsänderung ablehnt und ein ordentliches Vertragsänderungsverfahren mit der Einberufung eines Konvents einleitet. Und wir fordern, dass sich die Landesregierung auf Bundesebene dafür einsetzt, statt einer so weitgehenden und unkalkulierbaren Öffnung wie jetzt im EU-Primärrecht vorgesehen, in diesem Vertrag einen Pakt für nachhaltige Entwicklung, Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit und Umweltschutz zu verankern. In jedem Fall erwarten wir, dass Sie auf Bundesebene die Ratifizierung solcher entscheidenden Vertragsänderungen nur mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat zulassen, wie es die schon zitierte Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes empfiehlt.
Meine Damen und Herren, eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit der Staaten der Europäischen Union ist notwendig und wird auch von uns gefordert. Was aber die deutsche Bundeskanzlerin hinter verschlossenen Türen mit Herrn Sarkozy ausgebrütet, „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ genannt und ziemlich klamm und ziemlich heimlich am Bundestag und seinen Ausschüssen vorbei im Februar auf die EU-Ebene geschleust hat, bringt Europa nicht voran, sondern gezielt nach unten.
Für ihre mangelnde Transparenz in dieser Sache ist Frau Merkel nicht nur von der Linken, sondern auch aus der eigenen Koalition und vom Bundestagspräsidenten Norbert Lammert scharf kritisiert worden. Gut, dass sich die Linke um die Rechte des demokratisch gewählten Parlaments kümmert und deshalb am Montag auf unseren Antrag hin
Der Pakt wurde jetzt in den Gesprächen der EuroRegierungschefs auf „Pakt für den Euro“ umgetauft. Aber die merkelsche wirtschaftsfreundliche, aber sozialfeindliche Lohndumpinglinie wurde beibehalten.
Ich will das an drei Beispielen der Regelungsinhalte konkretisieren: Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone sollen jährlich konkrete nationale Verpflichtungen eingehen, und zwar nicht zu Kleinigkeiten. Jährlich sollen die Lohnstückkosten - also auch die Löhne - der Länder für die Wirtschaft insgesamt und für jeden wichtigen Sektor bewertet werden. Wenn die Lohnstückkosten, also auch die Löhne, zu sehr steigen, dann sollen die Länder Gegenmaßnehmen ergreifen, und - das wird im Pakt konkret aufgeführt - es soll eine „Überprüfung der Lohnfindungsregelungen“ stattfinden, namentlich „des Grads der Zentralisierung im Verhandlungsprozess“. Meine Damen und Herren, das ist ein Angriff auf das bewährte Prinzip des Flächentarifvertrags und auf die Tarifautonomie.
Dem DGB-Bundesvorstand Claus Matecki kann man daher nur recht geben, wenn er sagt, Herr Rehn - der EU-Währungskommissar, der diese Eingriffe auch befürwortet - solle die Finger aus der Kreissäge nehmen.
Und der Europäische Gewerkschaftsbund warnt zu Recht vor einer Abwärtsspirale der Löhne und Arbeitsbedingungen. Eine weitere Maßnahme in dem Pakt fordert, sicherzustellen, dass die Lohnabschlüsse im öffentliche Sektor - ich zitiere - „den auf eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gerichteten Anstrengungen im Privatsektor förderlich sind (eingedenk der wichtigen Signalwirkung der Löhne des öffentlichen Sektors).“
Meine Damen und Herren, diese Löhne im öffentlichen Bereich sollen also absichtlich niedrig gehalten werden. Warum schieben Sie eigentlich bei der Frage eines anständigen und menschenwürdigen Mindestlohns einerseits die Tarifautonomie immer als Ausrede vor und haben andererseits hier, wenn es um das Niedrighalten oder gar das Senken von Löhnen geht, gar kein Problem mit staatlichen Eingriffen in die Lohnfindung?
Der Pakt erwähnt außerdem die Anpassung - also Erhöhung - des Renteneintrittsalters an die demografische Entwicklung. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, wollen hier erneut die Kosten der Krise statt auf die Urheber auf die kleinen Leute abwälzen, und sie wollen die merkelsche Wettbewerbs- und Exportweltmeisterschaftslogik auf deren Rücken austragen. Dagegen wenden wir uns als Linke entschieden. Das ist weder solidarisch noch nachhaltig und deshalb auch nicht klug.
Wir fordern von der Bundeskanzlerin, solche wichtigen Entscheidungen künftig transparent zu debattieren. Und wir fordern von der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung, solchen Angriffen auf Tarifautonomie, Flächentarifvertrag und jetzige und künftige Mindestlohnsysteme nicht zuzustimmen -
In diesem Sinne sollte dieser Landtag heute ein Stoppzeichen setzen und unseren Antrag beschließen. Weil die Zeit drängt und am 24. bzw. 25. März schon entschieden werden soll, beantrage ich, dass über diesen Antrag sofort abgestimmt wird.
Herzlichen Dank, Frau Flauger. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Klein. - Herr Wenzel schaute zwar gerade irritiert und erschrocken, aber Herr Klein hatte sich zu Wort gemeldet.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht hier inhaltlich ja um zwei Punkte: zum einen um den Europäischen Stabilitätsmechanismus als Fortführung des gegenwärtigen, zeitlich begrenzten Euro-Rettungsschirms und zum anderen um die Diskussion über eine sogenannte EU-Wirtschaftsregierung, die uns auch als Diskussion über den „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ begegnet.
Der Antrag der Fraktion der Linken legt einen Kritikschwerpunkt auf das formale Vorgehen der Bundesregierung. Dazu kann ich nur sagen: Diese Kritik teilen wir absolut. Die intransparente und