Protokoll der Sitzung vom 16.03.2011

Unser Antrag basiert auf einem fraktionsübergreifenden Beschluss aus Schleswig-Holstein. Er ist dort von einer ganz breiten Mehrheit des Hauses getragen worden. Das könnte aus unserer Sicht auch eine Grundlage sein, um hier im Landtag zu einer Einigung zu kommen.

Wie gesagt, haftungsrechtliche Fragen beim Thema CCS-Speicherung sind noch völlig ungeklärt. Wir halten daher den großtechnischen Einsatz der CCS-Technologie sowie Großversuche zur unterirdischen Speicherung für derzeit nicht vertretbar.

Die Weiterentwicklung der CO2-Abscheidung macht nur dann Sinn, wenn das Gas danach als Wertstoff wieder eingesetzt werden soll. In diese Richtung laufen auch entsprechende und zum Teil auch recht vielversprechende Forschungsarbeiten.

Was wir nicht wollen, ist, dass gegen die Vernunft und gegen den Willen der Bevölkerung ein Großversuch gestartet wird, dessen Ausgang nicht absehbar ist. Wir haben - bei einem zugegebenermaßen anderen Thema, nämlich der Lagerung von Atommüll - mit der versuchsweisen Ablagerung in der Asse sehr, sehr schlechte Erfahrungen gemacht.

Daher glaube ich, dass es nicht sinnvoll ist, beim Thema CO2 wieder mit einem Großversuch so stark ins Risiko zu gehen. Ich halte es nicht für verantwortbar, gewaltige Mengen CO2 unter die Erde zu pumpen und dann zu warten, ob die Speicherräume dicht bleiben und das Gas dort bleibt, wo es bleiben soll. Für solche Versuche kann es nicht unsere politische Zustimmung geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unsere energiepolitischen Ziele sehen den Ersatz der atomaren und fossilen Energiequellen durch regenerative Quellen vor. Wenn wir es schaffen, das auch nach vollständiger Umstellung der Energieerzeugung noch bei der chemischen Industrie oder etwa bei der Stahlherstellung anfallende CO2 sinnvoll wiederzuverwerten, brauchen wir keine CO2-Speicher. Dann brauchen wir auch dieses Gesetz nicht.

Als politisches Signal halten wir es daher für notwendig, wie die Fraktionen in Schleswig-Holstein ein eindeutiges Signal nach Berlin zu senden, dass ein CCS-Gesetz, soweit der Bund es für notwendig hält, eine klare Regelung enthalten muss, die dem Land die Möglichkeit gibt, zu sagen: Bei uns nicht!

Der Einwand, dass eine - wie auch immer geartete - Opt-out-Klausel in diesem Gesetz nicht verfassungskonform sei, trägt meiner Ansicht nach nicht. Das ist ein Problem, dem sich die Verantwortlichen in Berlin stellen müssen.

Sie müssen auch eine Antwort auf die Frage geben, warum die CO2-Speicherung dem Allgemeinwohl dienen soll, obwohl der Schutz der Allgemeinheit auf Hunderte oder Tausende von Jahren doch gerade nicht sichergestellt ist, weil man nicht weiß, ob die Speicher auf Dauer dicht bleiben.

Dies soll ein Gesetz sein, das nur eine versuchsweise Einlagerung von CO2 zulässt. Gegen solche Versuche muss sich ein Land wehren können. Versuchs- und Erkundungsanlagen haben wir in Niedersachsen schon zu viele. Diese Versuche sind leider nicht rückgängig zu machen.

(Zustimmung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Eine Studie, die das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie im letzten Jahr vorgelegt hat, kommt zu dem Ergebnis, dass die großtechnische Verfügbarkeit von CCS nicht vor dem Jahr 2025 zu erwarten ist und dass es durchaus wahrscheinlich ist, dass zu diesem Zeitpunkt die Kosten für regenerativ gewonnenen Strom günstiger sein können

als für Strom aus Kraftwerken mit CO2-Abscheidung. Das ist die Meinung des Gutachters. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir zu diesem Zeitpunkt bei den Preisen eindeutige Signale haben.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Da gibt es aber auch andere Auffassun- gen!)

Die Abschätzungen der in Deutschland verfügbaren CO2-Speicherpotenziale liegen, je nach den zugrunde gelegten Annahmen, sehr weit auseinander. Sie variieren nach einer anderen Studie zwischen 4 und 44 Milliarden t. Bei der konservativsten Annahme von 4 Milliarden t wäre der verfügbare Speicherraum schon nach neun Jahren erschöpft. Die von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe vorgelegten Berechnungen sind vor diesem Hintergrund gründlich zu hinterfragen.

Jetzt stehen wir mit drei Anträgen hier und müssen gucken, dass wir zu einer gemeinsamen Positionierung finden.

Die SPD-Fraktion geht mit ihrem Antrag meines Erachtens nicht weit genug. Sie formuliert einige Bedingungen an die Opt-out-Klausel. Das klare Nein zum CCS-Gesetz müsste aus unserer Sicht aber in der Beschlussfassung auftauchen.

Die CDU-Fraktion formuliert in der Einleitung sehr radikal. Im Forderungsteil wird es dann sehr dünn. Auch das ist zu wenig. Verbalradikalismus allein hilft uns hier nicht weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN - Oh! bei der CDU - Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Der kommt aus der anderen Ecke! - Jens Nacke [CDU]: Wo Sie sich doch so gut damit auskennen! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir haben Ihnen daher einen salomonischen Vorschlag vorgelegt, der im zweiten Absatz den Vorschlag aus Schleswig-Holstein aufgreift. Das ist der Satz, der in Schleswig-Holstein beschlossen wurde. Er dürfte eigentlich nicht strittig sein. Der erste Absatz ist auch sehr weitgehend mit den Positionierungen identisch, die sich in den Anträgen der anderen Fraktionen wiederfinden.

Wir wären heute auch zu einer sofortigen Abstimmung bereit. Wir können uns aber auch vorstellen, dass wir im Ausschuss nach einer Kompromissmöglichkeit suchen. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn wir es bei diesem Thema

nicht schaffen würden, am Ende eine einstimmige Beschlussfassung zu erwirken!

(Martin Bäumer [CDU]: Das hört man aber gern!)

Das würde mich jedenfalls freuen.

(Martin Bäumer [CDU]: Uns auch!)

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Herzog zu Wort gemeldet. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als das Nordwestradio am 6. Oktober letzten Jahres mit den umweltpolitischen Sprechern der fünf Landtagsfraktionen eine Sendung zum Thema CCS machte, hat mich die Haltung von CDU und FDP eigentlich nicht überrascht. Man fand CCS grundsätzlich gut - eine zukunftsträchtige Technik, die man brauche, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Zwar wollten auch CDU und FDP keine flächendeckende CO2-Speicherung im Nordwesten Niedersachsens; aber die Tür solle für Pilotvorhaben offen bleiben. - Mit Verlaub: Um nichts anderes geht es Ihnen heute auch hier, Herr Langspecht und Herr Hocker.

Nun, auch dem schwergewichtigen Peter Harry musste erst vom breiten Protest der schleswigholsteinischen Bevölkerung aufs Pferd geholfen werden.

(Jens Nacke [CDU]: Herr Herzog, was soll das denn?)

Aber David McAllister hüllte sich beim Thema CCS - wie so oft bei heiklen Dingen - lange in Schweigen.

(Jens Nacke [CDU]: Was hat das Ge- wicht denn mit der Politik zu tun?)

- Herr Nacke, da sollten Sie mal nachdenken.

(Zustimmung bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Das sind persönliche Angriffe! So etwas ist richtig mies!)

Bevölkerungsproteste wirken aber blutdrucksteigernd, und das ist gut so. Die Aufsuchungsanträge von E.ON sickerten durch. Bürgermeister und Landräte waren not amused. Die Bürgerinitiativen hatten sich längst gegründet. Sie organisieren sich

immer besser, immer schnell und durch gute Vernetzung auch immer kompetenter.

Obwohl die Zeiten vorbei sein sollten, in denen ein Ministerpräsident - wie im Falle Gorleben - mit dem Finger auf der Landkarte das Schicksal der örtlichen Bevölkerung besiegelt, war es trotzdem wie immer:

(Jens Nacke [CDU]: Sie sind ja so et- was von gestern!)

Nicht die Betreiber informierten im Vorfeld, Herr Nacke, nicht die zuständigen Behörden, nicht das zuständige Ministerium und nicht der Ministerpräsident; nein, es waren wieder mal die Initiativen und Organisationen wie BUND und Greenpeace, die Fakten und schon bestehende Gutachten ausgruben und veröffentlichten. Die Karte der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wurde eben nicht von der BGR selbst der Bevölkerung zugänglich gemacht, sondern von Greenpeace. Sie enthielt 408 Standorte und, wie die BGR sagte, längst noch nicht alle.

Es war ein Schlag in manches kommunale Kontor, plötzlich Standort für diese unsichere und gefährliche, uneffiziente und teure Verpressung in seinen Untergrund sein zu sollen.

Nun fühlte sich plötzlich auch die CDU berufen, sich der Tatsache zu widmen, dass CO2 über Leckagen wieder austreten könnte, sogar Erdbeben verursachen könnte und das Grundwasser versalzen könnte.

(Ingrid Klopp [CDU]: Mann, Mann, Mann!)

Im Zusammenhang mit auszupressenden, fast erschöpften Erdgasfeldern wie z. B. in der Altmark würde dann gleich noch hoch toxisches Lagerstättenwasser das Trinkwasser gefährden - und das alles für lediglich 20 Jahre Speicherkapazität, wobei sich schon andeutet, dass sich der großtechnische Einsatz inklusive einer nötigen PipelineInfrastruktur weit nach hinten verschieben würde.

Ein echtes Dilemma für Schwarz-Gelb, Frau Klopp! Das passt nämlich nicht zum geplanten gigantomanen Ausbau von Kohlekraftwerken. Es passt auch nicht zu Sanders hoch effizienten Kohlekraftwerken, wenn durch CCS der Wirkungsgrad insgesamt wieder gegen lächerliche 30 % marschiert.

Auch die Konkurrenz zur Geothermie oder zur Speicherung von Erneuerbaren, die Sie früher in meinen früheren Landtagsreden immer so gern

belachten, ist bei Ihnen angekommen. Man kann den Untergrund eben nur einmal nutzen.

(Zustimmung bei der LINKEN - Chris- tian Dürr [FDP]: Was reden Sie da ei- gentlich?)

Da half nur die Flucht nach vorn: Niedersachsen habe mit dem Ärger um die atomaren Endlager und dem Widerstand gegen Hochspannungsfreileitungen schon genug am Hals, ließ Fraktionschef Thümler verlauten. Aber Vorsicht! E.ON lässt seine Anträge lediglich ruhen, und das Gesetz der schwarz-gelben Bundesregierung ist nicht nur wegen eklatanter Mängel wie bei der Haftungsfrage in Bausch und Bogen abzulehnen.

(Zustimmung von Victor Perli [LINKE])