Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Das war erforderlich; denn der Landeswahlleiter hat zu Recht an drei Stellen bei uns im Lande darauf hingewiesen, dass wir dort gegenüber der Wahl 2008, würden wir die Wahlkreise unverändert lassen, in einen verfassungswidrigen Zustand hineingeraten würden.

Im Durchschnitt gibt es in einem Landtagswahlkreis 70 000 Wahlberechtigte - genau genommen 69 838. Es gibt einen gewissen Korridor, der inzwi

schen wohl von allen verfassungsrechtlich akzeptiert ist. Der Landeswahlleiter ist verpflichtet, bei Abweichung der Zahl der Wahlberechtigten um mehr als 25 % nach oben oder nach unten einen Änderungsvorschlag zu unterbreiten. Das ist im Landeswahlgesetz so geregelt.

Weiter darf die Zahl der Wahlberechtigten in einem Wahlbereich nicht abweichen, da ansonsten der Grundsatz der Wahlgleichheit verletzt sein könnte und der gleiche Erfolgswert der Stimme nicht gegeben sein könnte.

Dann hätten wir einen verfassungswidrigen Zustand, den wir bei einer Landtagswahl nicht hinnehmen können und wollen - erst recht nicht, wenn das tatsächlich dazu führen könnte, dass Wahlen wiederholt werden müssen. So müssen wir den verfassungswidrigen Zustand in drei Wahlkreisen im Lande korrigieren. Das hat sich bereits in der Berichterstattung in den Zeitungen niedergeschlagen.

Ich möchte kurz auf die einzelnen Gebiete eingehen. Emotional am nächsten ist mir natürlich - das wird jeder nachvollziehen können - der Wahlkreis Ammerland, mein Heimatwahlkreis. Wir alle freuen uns sehr darüber, dass es dort eine erfolgreiche Entwicklung gegeben hat. Aber die Abweichung bei der Anzahl der Wahlberechtigten liegt deutlich über 25 %, nämlich bei 31,1 %. In diesem Zusammenhang muss man vielleicht eines berücksichtigen: Es gibt mehrere Gründe, warum man Wahlkreise wie zuschneidet. 2008 haben wir in besonderem Maße darauf geachtet, dass Kreisgrenzen und Wahlkreisgrenzen möglichst übereinstimmen. Deswegen haben wir 2008 relativ große Abweichungen hingenommen,

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Diep- holz! Nienburg!)

wenn damit erreicht werden konnte, Kreisgrenzen und Wahlkreisgrenzen in Übereinstimmung zu bringen - so beispielsweise im Ammerland. Wohl wissend, dass wir damit die Obergrenze des verfassungsrechtlich Zulässigen sehr nahe erreichen, haben wir das Ammerland zu einem Wahlkreis gemacht und uns alle darüber gefreut. Alle Ammerländerinnen und Ammerländer, mit denen ich gesprochen habe, hätten gerne, dass das so bleibt.

Allein einen verfassungswidrigen Zustand können und wollen wir nicht hinnehmen. Deswegen muss eine Gemeinde aus dem Ammerland ausgegliedert werden, so leid uns das vor Ort tut. Wir haben uns das überlegt. Wir möchten im Hinblick auf die his

torischen Gegebenheiten nicht, dass eine Oldenburger Gemeinde zu einem ostfriesischen Wahlkreis kommt; liebe Hanne Modder, darüber haben wir schon ab und an gesprochen. Wir möchten auch nicht, dass ein Wahlkreis drei Landkreisgrenzen überschreitet. So ist hier die Entscheidung gefallen, die Gemeinde Rastede dem Wahlkreis 71 - Wesermarsch - zuzuordnen.

Einen ähnlichen Zustand gibt es in Lüneburg. Dort gibt es noch eine höhere Überschreitung, nämlich von 32,6 % - also deutlich über 25 %. Beim Landkreis Lüneburg, der für einen Wahlkreis zu groß war, hat man seinerzeit entschieden, dass ein Wahlkreis nur die Lüneburger Gemeinden - u. a. die Stadt Lüneburg selbst - und der andere Wahlkreis den anderen Teil von Lüneburg zusammen mit dem Landkreis Lüchow umfasst, sodass deckungsgleich die Kreisgrenzen umfasst werden und beide Landkreise gemeinsam zwei Wahlkreise bilden.

Nun sind diese beiden Wahlkreise zusammen zu groß, als dass sie zwei Wahlkreise bleiben könnten. Würde man aus dem zu großen Wahlkreis 49 - Lüneburg - etwas dem Wahlkreis 48 - Elbe - zuordnen, würde dieser dann seinerseits zu groß sein. Wir kommen nicht umhin, eine Gemeinde aus beiden Landkreisen in einen anderen Wahlkreis auszugliedern. Wir haben uns dafür entschieden, nicht eine Gemeinde aus Lüchow-Dannenberg auszugliedern, obwohl die Lüneburger - das ist ja beschrieben worden - sich das wünschen würden, sondern eine Lüneburger Gemeinde. Die eine Lüneburger Gemeinde wechselt also zum anderen Lüneburger Teil und Ilmenau kommt zum Wahlkreis Uelzen. Das ist dort die Entscheidung.

(Andrea Schröder-Ehlers [SPD]: Das ist Ihre!)

Die anderen beiden Wahlkreise sind die Wahlkreise Northeim und Einbeck - ich benenne sie zusammen. Im Landkreis Northeim, wo Kreisgrenze gleich Wahlkreisgrenze ist, sind wir damals dem großen geäußerten Wunsch nachgekommen, aus diesem Landkreis zwei Wahlkreise zu machen. Wir möchten, dass das so bleibt.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Die wa- ren schon immer da!)

- Vielen Dank, Frau Kollegin. Ich korrigiere mich gerne an der Stelle: Wir möchten das so belassen, wie es schon immer gewesen ist. - Ich glaube, es ist ein nachhaltiger Wunsch, dass das auch zukünftig so bleibt. Viele haben dort gesagt, sie wür

den gerne beide Wahlkreise behalten. Das ist aber verfassungsrechtlich nur möglich, wenn zwischen den beiden Wahlkreisen ein Ausgleich stattfindet.

(Zuruf von Frauke Heiligenstadt [SPD])

Da gibt es rechnerisch mehrere Möglichkeiten, Frau Kollegin. Wir haben uns dafür entschieden, die Gemeinden Kalefeld und Moringen in den Wahlkreis 19 zu verlegen und aus dem Wahlkreis 19 Bodenfelde und Uslar in den Wahlkreis 18 einzufügen. Das ist eine sehr kleine Veränderung bei den Wahlberechtigten,

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: 25 000!)

aber sie vermeidet einen verfassungswidrigen Zustand.

Ich bin aber auch an dieser Stelle - das sage ich ganz klar, Frau Kollegin Heiligenstadt - sehr offen für einen anderen Vorschlag - aber bitte nicht zulasten der Nachbarlandkreise. Das ist immer etwas wohlfeil, das ist immer etwas „billiger Jakob“, wie das beispielsweise in Lüneburg vorgeschlagen wurde: Lasst uns doch in Lüneburg etwas zulasten von Lüchow-Dannenberg machen. - Das funktioniert immer ganz schlecht, weil dann die LüchowDannenberger ihrerseits sagen: Damit sind wir nicht so recht einverstanden.

(Johanne Modder [SPD]: Das ist ein bisschen kurz gedacht!)

Wenn also aus dem Landkreis Northeim ein Vorschlag käme, der zulasten benachbarter Landkreise ginge, würden wir dem nur schwer zustimmen können. Innerhalb des Landkreises sind auch wir für unterschiedliche Lösungen offen. Eine will ich ausdrücklich erwähnen: Ob es wohl zulässig und möglich wäre, nur die Gemeinde Bodenfelde vom einen Wahlkreis in den anderen wechseln zu lassen? - Das würde rechnerisch reichen. Es wäre der geringste Eingriff. Allerdings wäre es eine Exklavenlösung. Wir können darüber reden. Rechnerisch wäre es denkbar.

Natürlich ist das Verändern und Neuzuschneiden von Wahlkreisen immer eine sehr emotionale Angelegenheit, insbesondere vor Ort. Ich kann gut verstehen, dass es auf wenig Verständnis bei den betroffenen Gemeinden stößt, wenn aus einem Landkreis, einer gebundenen Verwaltungseinheit, eine Gemeinde herausgenommen werden muss, um die Wahlgleichheit zu gewährleisten. Auch in meinem Heimatlandkreis ist das so. Aber dieser Landtag muss Regelungen finden, die die Verfassungsmäßigkeit der Wahl sicherstellen. Das haben

wir hiermit gemacht. Ich freue mich auf die Diskussion, insbesondere im Rechtsausschuss.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion spricht Frau Modder. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Modder. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt der Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes und des Volksabstimmungsgesetzes vor. Der Kollege Nacke hat den Gesetzentwurf gerade eingebracht und begründet. Ich muss das nicht in allen Einzelheiten wiederholen.

Neben der Harmonisierung mit bundeswahlrechtlichen Neuerungen und dem niedersächsischen Kommunalwahlrecht gibt es eine Klarstellung bezüglich der Fristenberechnung zur Wählbarkeit. Außerdem werden aus dem Bundeswahlrecht die Regelungen zur Parteizugehörigkeit übernommen. Damit werden Doppelmitgliedschaften ausgeschlossen.

Kern des Gesetzentwurfes ist allerdings etwas ganz anderes; Herr Nacke hat darauf hingewiesen. Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf nimmt den Bericht des Landeswahlleiters vom 22. Mai 2009 auf. Aufgrund der Berichtspflicht wird dargelegt, ob und welche Änderungen bei der Einteilung der Landtagswahlkreise für die nächste Landtagswahl erforderlich werden, weil sich die Zahl der Wahlberechtigten in Niedersachsen weiter ungleichmäßig entwickelt hat. Der Grundsatz der Wahlgleichheit - d. h. dass die Zahl der Wahlberechtigten überall im Land einigermaßen gleich sein muss - ist zu berücksichtigen. Nach den Berichten des Landeswahlleiters vom 22. Mai und vom 13. August 2009 über- bzw. unterschreiten drei Wahlkreise - Northeim, Lüneburg und das Ammerland - die gesetzliche Toleranzgrenze von plus/minus 25 %.

Meine Damen und Herren, natürlich haben wir dafür zu sorgen, dass die nächste Wahl des Niedersächsischen Landtages verfassungskonform ist. Aber ob die vorliegenden Abweichungen eine Neueinteilung zwingend erforderlich machen, möchte ich zumindest hinterfragt wissen, zumal die jetzt vorgeschlagene Neuordnung nicht gerade von Weitsicht geprägt ist.

(Beifall bei der SPD)

Und genau da setzt unsere Kritik ein. Bislang galt die Verabredung - und zwar parteiübergreifend -, zunächst noch die demografische Entwicklung abzuwarten und zu beobachten, um dann gemeinsam über eine Neuordnung der Landtagswahlkreise ins Gespräch zu kommen - eine Neuordnung, die auf Weitsicht und Nachhaltigkeit setzt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es gehört für mich zum guten Umgang, dass, wenn man solche Neuordnungen vorsieht, man sich zumindest gegenseitig informiert, auch um die örtlich Betroffenen frühzeitig in den Prozess mitzunehmen sowie Hinweise und auch Bedenken bezüglich gewachsener Strukturen und örtlicher Besonderheiten mit aufzunehmen. Das war und ist von Ihnen nicht gewollt. Wir nehmen das so zur Kenntnis. Den Ärger, den Sie sich durch diese Hinterzimmerpolitik und die Veröffentlichung über die Presse vor Ort - und zwar auch von Ihrer eigenen Partei - einfangen, haben Sie sich, wie ich finde, verdient.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man sich etwas genauer mit Ihren Vorschlägen auseinandersetzt, die übrigens vom Vorschlag des Landeswahlleiters abweichen, stellt sich natürlich die Frage: Warum und was steckt eigentlich dahinter?

(Christian Grascha [FDP]: Die Verfas- sung steckt dahinter!)

Fangen wir mit dem Bereich Lüneburg an! Eine in erfreulicher Weise weiterhin wachsende Region. Im Wahlkreis 49 - Lüneburg - liegt die Zahl der Wahlberechtigten - Grundlage sind die Zahlen vom 31. Dezember 2009 - um 32,6 % über der durchschnittlichen Zahl der Wahlberechtigten. Aus diesem Wahlkreis soll nun die Gemeinde Adendorf dem Wahlkreis 48 - Elbe - zugeordnet und dafür die Samtgemeinde Ilmenau an den Wahlkreis 47 - Uelzen - abgegeben werden. Damit liegen dann der Wahlkreis Uelzen mit plus 17,7 %, der Wahlkreis Elbe mit plus 19,2 % und der Wahlkreis Lüneburg mit plus 21,2 % innerhalb der maximalen Sollabweichung. Bei allen ist die Tendenz allerdings weiter steigend.

Wenn ich darf, will ich kurz den Vorsitzenden der CDU-Kreistagsfraktion, Alexander Blume, zitieren:

„Wir sind doch keine Verteilungs- und Verfügungsmasse. Der Landkreis Lüneburg hat im Landtag in Hannover

keine Stimme mehr, die Geschicke werden von anderen bestimmt.“

Die Landeszeitung vom 6. April 2011 titelt:

„Ein CDU-Vorsitzender sieht rot. - Rolf Storjohann wehrt sich gegen Neustrukturierung der Wahlkreise.

Sauer ist der CDU-Mann auch deshalb, weil er von dieser Neustrukturierung aus der Zeitung erfahren musste: ‚Ich bin enttäuscht, dass innerhalb meiner Partei nicht vorab das Gespräch mit mir gesucht wurde.’“

(Beifall bei der SPD)

Man muss dazu wissen, dass der Wahlkreis 48 - Elbe - erst vor fünf Jahren neu geschaffen wurde und nun erneut verändert werden soll. Mittlerweile liegt Ihnen auch das Schreiben der Samtgemeinde Ilmenau an den Landeswahlleiter vor. Auch dieses Schreiben lässt es an Deutlichkeit nicht fehlen und spricht von einer widersinnigen und in keinster Weise historisch oder räumlich nachvollziehbaren Zuordnung.

(Zustimmung bei der SPD)

Ein weiterer Kritikpunkt ist auch hier die bislang totale Nichtinformation bzw. Nichtbeteiligung der Betroffenen vor Ort. Hier drängt sich in der Tat der Verdacht auf, meine Damen und Herren, dass diese Rechenspielchen am grünen Tisch lediglich der strukturellen Absicherung des Herrn Dr. Althusmann dienen sollen.