Herrschaftszeiten! Da geht es doch wirklich um mehr. Zuerst stellt sich doch die Frage nach Umfang und Sinnhaftigkeit der Warengesellschaft, also konkret nach dem Umdenken im Verbraucherverhalten, nach sozialer Gerechtigkeit, es geht um Konsum- und Wegwerfmentalität und die Notwendigkeit von dezentralen regionalen Verbrauchsstrukturen.
Kein Wort über die Notwendigkeit, den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern, den Individualverkehr mehr in die öffentlichen Verkehrsformen zu
Bundesumweltminister Röttgen überraschte mich vor einigen Tagen mit der Aussage, jetzt gelte in der Energiefrage das Primat der Politik. Holla, dachte ich, dann wird jetzt Ernst gemacht gegenüber der übermächtigen Automobilindustrie, endlich wird das längst fertige Zweiliterauto zum Standard, verbrauchsarm, weil stark gewichtsreduziert, und zwar jetzt; denn Elektromobile werden erst dann wirklich sinnvoll, wenn die Batterie nur noch einen Bruchteil ihres jetzigen Gewichts wiegt und die Quote der Erneuerbaren deutlich über den schwächelnden niedersächsischen 17 % liegt.
Herr Thümler, wie ein Ertrinkender am Balken im Meer klammern Sie sich an ständig teurer werdende Offshoreparks, die in ihrer Struktur wieder nur den großen Vieren in die Taschen arbeiten, wie geschmiert mit Milliarden aus öffentlichen Mitteln.
Bis zum Jahr 2020 werden lediglich Anlagen für einige tausend Megawatt in der Nordsee stehen, und darauf wollen Sie Übertragungsnetze ausrichten, immer schön nach dem Motto: mehr, größer, bunter, obwohl Ihnen das Fraunhofer-Institut vorrechnet, wie schnell installierbare Windkraft an Land möglich ist, wenn man die Nachsitzer Bayern und Baden-Württemberg endlich auf Trab bringt.
Herr Thümler, es wirkt schon beinahe rührend, wie Sie Ihre noch vor einem Jahr so geliebten Kohlekraftwerke einfach vergessen und der CCSTechnik eben keine klare Abfuhr erteilen. Nein, Sie retten sich in die Wahnsinnsformulierung: International wird nach einer Verstromung bei wesentlich verringerten CO2-Emissionen geforscht. - Dittsche würde sagen: Ein echter Energietitan!
Und mit Verlaub, Herr Thümler: Den Ausstieg aus der Atomenergie regeln Sie gar nicht. Nichts über Abschalten und nichts über Laufzeiten oder Über
tragung derselben. Nein, Sie bejubeln Merkels „drei Monate über Fukushima das Gras wachsen lassen“. Für mich ist das das politische Abklingbecken Ihrer ideologischen Kernschmelze.
(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Das ist erstens unver- schämt und zweitens auch noch gelo- gen! Sie sollten sich schämen! - Karl- Heinrich Langspecht [CDU]: Das ist einfach dämlich! - Heinz Rolfes [CDU]: Gegen alles sein und sich hier groß hinstellen! - Christian Dürr [FDP]: Sprechen Sie doch wenigstens einmal über Inhalte! - Weitere Zurufe - Unru- he - Glocke des Präsidenten)
Sie kleben weiter an Gorleben wie die Fliegen am Mist und wollen a bisserl im Labor mit Granit probieren - zapperlot! - und die Frage der Rückholbarkeit klären.
Die Nebenwirkungen der sanderschen Mogelpackung diesbezüglich - also eine 50-jährige Rückholbarkeit während der Betriebphase, in der die Schächte sowieso offen sind - haben wohl auch bei Ihnen zu Unverträglichkeiten geführt.
Herr Thümler, Ihr „konstruktiver Beitrag“ ist ein Braten im alten Saft, nach allen Seiten ergebnisoffen, schwarz-gelbe Thesenlyrik ohne Substanz!
(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Miriam Staudte [GRÜNE] - Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Un- erträglich! - Victor Perli [LINKE]: Zu- gabe! - Gegenruf von Editha Lorberg [CDU]: Dass der das ruft, war klar!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Naturkatastrophen in Japan haben mehrere Parteien dieses Hauses ihre energiepolitischen Vorstellungen der Vergangenheit auf den Prüfstand gestellt und sich teilweise neu positioniert. Auch meine eigene Partei hat am vergangenen Wochenende ihre Vorstellung über eine rationelle Energiepolitik verabschiedet.
Gleichzeitig haben wir während der bisherigen Dauer des Moratoriums sozusagen einen Ausstieg light erlebt und damit einen kleinen Eindruck davon gewinnen können, zu welchen Konsequenzen ein ungeplanter und vollständiger Ausstieg führen würde.
Das reine Gewissen, das einige von Ihnen verspürt haben mögen, als das Kernkraftwerk Unterwesen vom Netz genommen wurde, ist trügerisch. Ich nenne nur zwei Zahlen: Bis zur Verkündung des Moratoriums hat Deutschland im Monat März durchschnittlich etwa 35 Gigawattstunden Strom aus Frankreich importiert. Mit dem Abschalten der sieben deutschen Kernkraftwerke während der zweiten Märzhälfte ist diese Zahl auf durchschnittlich fast 70 Gigawattstunden explodiert.
Ein noch extremeres Bild ergibt sich beim Stromhandel mit Tschechien. Während des Moratoriums hat sich die Importquote tschechischer Kernenergie mehr als verdoppelt, und das trotz ergiebiger Windausbeute im Monat März.
Wer vor diesem Hintergrund tatsächlich glaubt, dass ein überhasteter Ausstieg wirklich zu mehr Sicherheit in Deutschland und in Europa führt, der macht sich und den Menschen in Deutschland etwas vor.
Mit Spannung wurde auch das sogenannte enkelsichere Energieszenario erwartet, das der Kollege Wenzel vor einigen Tagen vorgestellt hat: Die Grünen möchten bis zum Jahre 2017 das letzte niedersächsische Kernkraftwerk vom Netz nehmen, und
- einer applaudiert! - bis 2030 soll abgesehen von der Mobilität die Energieversorgung allein aus erneuerbaren Energien erfolgen.
Zunächst einmal begrüße ich es, dass sich die grüne Partei, die seit 1980 die Forderung nach dem Ausstieg aus der Kernenergie in ihrem Programm hat, nach 31 Jahren endlich auch einmal mit Zahlen an die Öffentlichkeit traut, wie die Energielücke geschlossen werden soll. Wenn man sich aber mit den Annahmen dieses Konzeptes ein bisschen intensiver beschäftigt, dann kann einem
um die eigenen Kinder und Enkel schon angst und bange werden. Die ehrgeizigen Ziele des GrünenPapiers wären erreichbar durch Energieeinsparung von sage und schreibe 50 %. Außerdem benötigt man für die Versorgung der Biogasanlagen mit Energiepflanzen mehr Fläche. Deshalb gilt: Weg mit der Vieh- und Schweinewirtschaft und her mit dem Energiemais! Dann isst der Verbraucher eben weniger Fleisch. So einfach ist das also.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben das Konzept nicht gelesen; denn sonst würden Sie keine solche Rede halten!)
Weniger als 30 % des Energieverbrauchs in Deutschland entfallen auf private Haushalte. Selbst wenn ab morgen weder Licht noch Heizung benutzt werden, niemand mehr in diesem Lande mehr warm duscht und alle Tiefkühlgeräte sofort abgetaut und sämtliche Wäschetrockner, Fernseher und Föne verschrottet werden, fehlen immer noch rund 20 % Energieeinsparung.
Aber weil wir ja auch kein Fleisch mehr essen dürfen, weil die Fläche, auf der bis vor Kurzem noch Vieh gestanden hat, für Energiepflanzen genutzt wird, bleibt der Herd ja ohnehin kalt.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben nichts gelesen, gar nichts! Das ist un- fassbar! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)
Die fehlenden 20 % muss dann die Industrie beisteuern. Als ob Unternehmen und Betriebe bei steigenden Energiepreisen nicht ohnehin schon ein Interesse daran haben, Energie einzusparen.
Meine Damen und Herren, diesem Konzept liegen Annahmen zugrunde, die nicht nur weltfremd sind, sondern die den Rückschritt in eine vorindustrielle Gesellschaft bedeuten, zu elementaren Einschnitten in unsere Lebensgewohnheiten führen und auch unsere persönliche Freiheit begrenzen.
Es tut mir leid, aber ich möchte, dass die Zukunft meiner Enkel anders aussieht. In dieser Phase ist eben kein hektischer Aktionismus gefragt, sondern
Unser Energiepapier sieht vor, dass nach dem Ende des Moratoriums über die Zukunft der sieben deutschen Kernkraftwerke entschieden wird. Die Brennelementesteuer sorgt dafür, dass der Umbau zugunsten der erneuerbaren Energien aus den zusätzlichen Gewinnen der Kernkraftwerksbetreiber gezahlt wird. Unsere Kernkraftwerke werden in den kommenden Jahren schrittweise vom Netz gehen. So können Potenziale bei den erneuerbaren Energien genutzt, Netze und Speicher finanziert und flexible Kraftwerke gebaut werden.
Wer nicht auf diese Finanzierungsquelle zurückgreifen möchte, der muss den Menschen auch erklären, wie er seine Ideen bezahlen möchte. Das Grünen-Papier verliert leider - vielleicht vorsorglich - kein einziges Wort darüber, wer die horrenden Kosten dieses Umbaus zu tragen hat. Aber ich habe die böse Ahnung, dass es am Ende wieder einmal der Verbraucher ist, der die Zeche zu zahlen hat.