Protokoll der Sitzung vom 13.04.2011

Der Kollege Jüttner hat sich dazu zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Glücksspiel kann man nicht erfolgreich verbieten. So sind wir Menschenkinder. Ein bisschen Kitzel muss sein.

(Zuruf von der CDU: Aha!)

Aber gerade deshalb ist es wichtig, wie wir mit den Risiken umgehen. Mein Vorschlag ist ein Mix aus persönlicher Freiheit und gesellschaftlicher Verantwortung. Das heißt erstens: Wir erkennen an, dass es diesen Spieltrieb gibt, dass man schon auch Möglichkeiten dafür einbauen muss.

Zweitens. Wir kanalisieren dies. Wir dämpfen die Aggression, und wir optimieren die Suchtprävention.

Drittens. Alles das, was an Geld hereinkommt - aus Konzessionen, Abgaben -, nutzen wir, um das Gemeinwohl in dieser Gesellschaft zu stärken. Das ist ein Konzept, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Konzept könnte auch Zukunft haben. Eine moderate Weiterentwicklung des Staatsvertrags, eine Änderung der Spielordnung zum Thema Spielautomaten und - das füge ich ausdrücklich hinzu - eine konsequente Anwendung der rechtlichen Bestimmungen in diesem Bereich könnten kohärent sein, könnten rechtlich sauber sein und dieses Thema in Zukunft gestalten.

Ich bin mir sicher: Eine Mehrheit in allen Landesparlamenten sieht das so wie ich. Auch große Teile der CDU stimmen mir ja inhaltlich zu.

(Beifall bei der SPD)

Trotzdem, meine Damen und Herren, passiert etwas völlig anderes: Eine kleine Regierungsfraktion möchte hier, nachdem sie mit dem Steuerprivileg für Hoteliers ihr Gesellenstück gemacht hat, ihr Meisterstück abliefern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das Ziel ist, den Spieltrieb marktfähig zu machen. Aber ich sage Ihnen: Ihnen geht es hier nicht allein um Marktradikalität.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Son- dern?)

Die Glücksspielindustrie ist das Schwesterle vom Brüderle, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wie ist es anders erklärbar, dass Ihr NochVorsitzender Westerwelle als Werbeträger für eine illegal wirkende Firma herumläuft? Wie ist es anders erklärbar, dass Ihr Wirtschaftsminister im letzten Herbst bereit war, der Grunderwerbsteuer zuzustimmen, wenn er dafür die Zuständigkeit für das Glücksspiel bekommt, meine Damen und Herren? - Was sind das für Signale in diese Gesellschaft hinein!

(Beifall bei der SPD)

Die FDP nutzt das Konsensinteresse aus. Denn eines ist klar: Wenn ein Land aussteigt, ist es kompliziert, das in Deutschland angemessen zu regeln. Deshalb haben Sie über Ihre Regierungsbeteiligung sämtliche Ministerpräsidenten unter Druck gesetzt und ein Maßnahmenpaket, ein Eckpunktepapier in der letzten Woche erreicht - wenn man so will -, das von vorne bis hinten nicht aufgeht.

Das ist der Paradigmenwechsel, den Sie wollen. Gleichzeitig haben die CDU- und SPD-Ministerpräsidenten versucht, es letztlich zu unterlaufen und zu torpedieren. Das Ergebnis, das da herauskommt, ist ethisch, moralisch - hochmoralisch, wie ich finde - angreifbar, es ist rechtlich vermintes Gelände, und es ist finanzpolitisch höchst waghalsig, meine Damen und Herren, was Sie da entwickelt haben.

(Beifall bei der SPD)

Der Ministerpräsident des Saarlands macht aus seiner Meinung keinen Hehl. Er hat öffentlich erklärt, dass das eine fatale Entwicklung ist, die er schweren Herzens hat tolerieren müssen. Der Niedersächsische Ministerpräsident hat sich nicht geäußert. Warum wohl, meine Damen und Herren?

Herr McAllister, das, was im Eckpunktepapier verabredet worden ist, ist Ihnen peinlich. Es ist Ihnen peinlich, dass Sie hier von Herrn Bode und Herrn Dürr am Nasenring durch die Manege gezogen werden.

(Beifall bei der SPD und von Christian Meyer [GRÜNE])

Die Auswirkungen dieses angepeilten Staatsvertrages sind höchst problematisch, meine Damen und Herren, in vielfacher Hinsicht, und noch ist die Entscheidung nicht getroffen. Er ist noch nicht unterschrieben, und es hat noch kein Landesparlament zugestimmt. Deshalb können wir Sie nur eindringlich auffordern, Herr McAllister: Ziehen Sie die Reißleine! Dieses Paket ist Gift, wie es schlimmer nicht sein kann. Noch können wir die fatalen Folgen abwenden!

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt dem Kollegen Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf der Ministerpräsidentenkonferenz ist ein ziemlich fauler Kompromiss ausgehandelt worden, der sehr viele rechtliche Fragen offenlässt. Aber eines hat er ganz klar gezeigt: Die FDP ist nicht bloß eine Klientelpartei für Hotels, Zahnärzte oder Steuerberater, sondern sie ist auch Klientelpartei der Glücksspielindustrie.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Bode, Sie haben einen schönen Ausflug auf das mondäne Sylt gemacht und dort im weichen Luxusbett übernachtet. Warum das mit dem Ministergesetz vereinbar ist, können Sie diesem Hohen Haus ja noch einmal erklären. Worin dabei aber insgesamt der Gewinn für das Land Niedersach

sen bestand, habe ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden. Sie sind in erster Linie dem Land und den Menschen verpflichtet und nicht der Glücksspielindustrie. Auch das muss man Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Diese Reise war ungefähr so wertvoll - oder auch so wertlos - wie ein heißer Tipp beim Pferderennen. Die Glücksspielindustrie arbeitet in der Bundesrepublik insgesamt mit sehr fragwürdigen Methoden. Der König der Automatenspielindustrie, ein Herr Gauselmann, ist ein sehr eifriger Parteispender.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Auch bei den Grünen!)

- Ja, die Grünen haben aber noch am wenigsten von ihm kassiert.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Ihr kompen- siert das durch die Windanlagen- betreiber, das ist schon okay! - Hans- Henning Adler [LINKE]: Wir kriegen gar nichts! - Zurufe von der CDU und von der FDP - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Wird die Zeit angehalten?

Meine Damen und Herren, wenn Sie Ihre Freude etwas zurücknehmen könnten, dann könnte Herr Kollege Briese seine Rede jetzt fortsetzen. Herr Kollege, ich gebe Ihnen eine halbe Minute dazu. Bitte!

Herr Hilbers, das zeigt natürlich, dass mit sehr harten Bandagen gekämpft wird.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist ja Neid!)

Aber ich will Sie gerne aufklären: Unsere Partei hat gar kein Geld von Herrn Gauselmann angenommen - im Gegensatz zu Ihnen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das meiste Geld ist an die CDU gegangen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Eben war es noch am wenigsten!)

- Hören Sie einmal zu! Es gab zwei Kreisverbände in NRW, die nicht wussten, woher das Geld ge

kommen ist. Als sie es gemerkt haben, haben sie es zurückgegeben. Die Grünen haben in dieser Frage eine saubere Weste - ganz im Gegensatz zu CDU und FDP. Das wollen wir hier einmal ganz klarstellen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Wir merken: Das ist ein Milliardenmarkt, da geht es um richtig viel Knete. Es geht um knallharten Lobbyismus. Aber es geht auch um das Thema Spielsucht und zerstörte Existenzen. Mich würde auch einmal interessieren, Herr Bode, ob über dieses Thema auf Sylt auch gesprochen wurde. Wurde über das Thema Spielsucht auch ein Referat gehalten, oder gab es da nur die schöne Welt der neuen Spielotheken?

(Beifall bei den GRÜNEN)