Es ist ein Unding, dass die Bundesregierung die Souveränität Deutschlands in der Bankenaufsicht aufgegeben hat und das Land Niedersachsen von der EBA entgegen nationalem Recht zum Handeln gezwungen wird.
Ein Konstruktionsfehler der EBA ist auch, dass Malta genauso viele Stimmen hat wie Deutschland, nämlich eine. Ich habe hingegen im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsschirm noch nicht gehört, dass Malta mit der gleichen Kraft antritt wie Deutschland. Auch das sollte man einmal europaweit diskutieren und auch der Bundesregierung sagen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wer ist „man“? - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)
Unser gutes Investment wird durch die Ausgestaltung des Stresstests durch die EBA, die geltendes Recht und Übergangsfristen von Basel III einfach ignoriert, gefährdet. Das dürfen wir nicht hinnehmen, und deshalb müssen wir handeln. Das ist bitter, aber es ist leider notwendig. Wenn wir jetzt keine Maßnahmen treffen, besteht die NORD/LB den Stresstest nicht. Sie kann ihn wegen der unfairen Bedingungen derzeit nicht bestehen. Das ist so angelegt, und dagegen müssen wir uns wehren.
Erstens: Umwandlung eines Gesellschafterdarlehens in Höhe von 38 Millionen Euro. Die Ermächtigung zur Umwandlung dieses Darlehens in eine besondere Kapitaleinlage hat der Gesetzgeber, also wir, durch Zustimmung zum NORD/LB-Staatsvertrag bereits in § 15 Abs. 2 im Jahre 2005 erteilt.
Zweitens: Umwandlung der „besonderen Kapitaleinlage“ in Höhe von 51 Millionen Euro. Die Möglichkeit zur Umwandlung der „besonderen Kapitaleinlage“ gemäß § 15 Abs. 1 des NORD/LB-Staatsvertrages in Stammkapital muss durch Änderung des Staatsvertrages geregelt werden. Dieser Staatsvertrag besteht zwischen drei Ländern. Wir brauchen also die Zustimmung von drei Landesparlamenten. Da muss auch die Aufsicht wissen: Keine Regierung kann schon beim eigenen Parlament erzwingen, dass das ein bisschen hopp, hopp geht. Aber bei fremden Parlamenten wird man da auf noch mehr Unverständnis stoßen.
Drittens: Umwandlung der vom Land gehaltenen stillen Einlagen, der Perpetuals, in Stammkapital in Höhe von 700 Millionen Euro. Zur Kündigung des Vertrages zwischen dem Land Niedersachsen und der NORD/LB über eingebrachte 700 Millionen Euro stille Einlagen sowie den Erwerb von Stammkapital in gleicher Höhe bedarf es einer haushaltsrechtlichen Ermächtigung. Das heißt, hierzu muss ein Gesetz hier im Landtag beschlossen werden.
Viertens: Neuerwerb von 278 Millionen Euro Stammkapital und Wiederveräußerung an die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft, die HanBG. Die HanBG hält eine Nachranganleihe in Höhe von 150 Millionen Euro sowie stille Einlagen zum einen in Höhe von 117,6 Millionen Euro und zum anderen in Höhe von 11 Millionen Euro an der Norddeutschen Landesbank.
Die Wandlung dieser Einlagen in Stammkapital kann wie folgt geregelt werden: Zunächst erwirbt das Land Stammkapital in Höhe von 278 Millionen
Euro über eine entsprechende, noch zu schaffende gesetzliche Ermächtigung. Die NORD/LB löst die von der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft gehaltenen Einlagen ab, sodass aus diesem Erlös die HanBG wiederum dem Land das frisch erworbene Stammkapital abkaufen kann. Das soll in dieser Form steuerrechtlich erforderlich sein; das ist ein Dreiecksgeschäft. Das Engagement des Landes kann insofern haushaltsneutral dargestellt und abgewickelt werden.
Fünftens: Erwerb von weiteren 600 Millionen Euro Stammkapital durch Errichtung eines Sondervermögens. Das einzurichtende Sondervermögen soll eine getrennte Darstellung einer zweckgebundenen Kreditaufnahme ermöglichen. Diese 600 Millionen Euro sind also eine zusätzliche Kreditaufnahme. Die Landesregierung geht davon aus, das der zusätzliche Finanzierungsbedarf nur auf Zeit besteht, bis die NORD/LB durch die vorgesehenen eigenen Maßnahmen zur Kapitalstärkung in der Lage ist, die fraglichen Kernkapitalanteile vom Land zurückzuerwerben. Entsprechende Rückflüsse werden dann zur Tilgung der im Sondervermögen in Anspruch genommenen Kredite verwendet. Auch das müsste gesetzlich geregelt werden.
Erst diese Maßnahmen zusammen ermöglichen es uns, den Stresstest erfolgreich zu bestehen. Dies haben längere Verhandlungen mit der Bankenaufsicht ergeben. Gestern Abend habe ich um 18.24 Uhr eine E-Mail von der BaFin mit folgendem Wortlaut erhalten:
ich darf Ihnen nachstehend die Erklärung übermitteln, die schon Gegenstand Ihres soeben geführten Telefonats mit Herrn Sanio war:“
„Angesichts des europäischen Stresstests habe ich mit der deutschen Aufsicht die Kapitalsituation der NORD/LB erörtert. Die Aufsicht hat mir gegenüber auf Grundlage der vorliegenden Berechnungen der Bank erklärt, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Kapitalstärkung, insbesondere die geplante Umwandlung stiller Einlagen und eine Kapitalerhöhung in der Größenordnung von 600 Millionen Euro notwendig sind, um das Ziel zu erreichen, dass die Bank den Stresstest besteht.“
Sie sehen: In den letzten zwei Tagen hat sich viel getan. Ich weiß, dass das, was ich eben vorgetragen habe, für uns alle, insbesondere für Sie, eine Zumutung ist. Ich sehe aber leider keine andere Möglichkeit, als diesen Weg zu gehen. Die Fristen, die uns gesetzt worden sind, sind unverschämt kurz. Die Bedingungen sind unseriös. Es sind WildWest-Methoden. Ich kann es leider nicht ändern. Aber die Bundesrepublik Deutschland hat leider ihre Souveränität in der Bankenaufsicht an die EBA übertragen. Nun sind wir ihr ausgeliefert, und entsprechend müssen wir handeln, damit die NORD/LB diese Tests besteht; denn wenn man in einem solchen Test durchfällt - auch das könnte man machen, da, wie ich sagte, der Test freiwillig ist -, wird man bei allen anderen ausländischen Banken ausgelistet. Testverlierer gelten als nicht mehr kreditwürdig, und das können wir uns nicht leisten. Deshalb bitte ich um Verständnis.
Ich stelle fest, dass die Regierungserklärung 20 Minuten gedauert hat. Nach unseren Gepflogenheiten erhalten für die nun folgende Aussprache die beiden großen Fraktionen jeweils die gleiche Zeit und die drei kleinen Fraktionen jeweils die Hälfte dieser Zeit. Damit ergeben sich folgende Redezeiten: Die Fraktionen der CDU und der SPD erhalten jeweils 20 Minuten, die Fraktion der FDP, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion DIE LINKE jeweils 10 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NORD/LB ist als regionale Bank ein wesentliches Element des Wirtschafts- und Finanzstandortes Niedersachsen und seit vielen Jahren sowohl der Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand in Niedersachsen ein zuverlässiger Partner. Im Gegensatz zu anderen Landesbanken hat die NORD/LB schon deutlich vor der Finanzmarktkrise ihr Geschäftsmodell angepasst und sich auf ihre Kernkompetenzen und ihre Kernregionen konzentriert. Für diese eher konservative Geschäftspolitik ist sie zum Teil auch öffentlich belächelt worden.
Finanzierung von Schiffen und im Bereich der Finanzierung von Anlagen für erneuerbare Energien, profitiert. Neben anderen Banken hat gerade die NORD/LB auch unter schwierigen Rahmenbedingungen die Realwirtschaft mit Krediten versorgt. Gerade während der Finanzkrise konnten wir feststellen, wie richtig diese frühzeitige Entscheidung für ein konservatives Geschäftsmodell war; denn neben der Helaba konnte die NORD/LB als einzige Landesbank bisher ohne staatliche Hilfe die Auswirkungen der Finanzmarktkrise bewältigen.
Meine Damen und Herren, die Finanzmarktkrise hat nicht nur die Bankenwelt, sondern auch die Realwirtschaft stark erschüttert. Ich erinnere daran, dass wir auch in diesem Hause vor Monaten intensiv darüber diskutiert haben, welche Maßnahmen auf nationaler, aber auch auf europäischer und internationaler Ebene erforderlich sind, um eine Wiederholung dieser krisenhaften Situation zu vermeiden.
Ich erinnere auch daran, dass wir uns darüber einig waren, dass Regelungen nur dann wirksam werden können, wenn sie mindestens auf europäischer Ebene einheitlich und verbindlich gestaltet werden. Es hat sich schon sehr früh herausgestellt, dass es zukünftig neue und strengere Anforderungen an die Qualität und an die Quantität des anerkannten Eigenkapitals geben wird. Diese Stärkung des Eigenkapitals soll dazu beitragen, zukünftig unerwartete Verluste besser zu absorbieren.
Auch wenn man über die Einzelheiten der Aussagekraft des letzten Bankenstresstests unterschiedlicher Meinung sein kann, so war nach dessen Ergebnis eines unstrittig: Es gibt konkreten Handlungsbedarf, um die Eigenkapitalquote der NORD/LB zu verbessern, und es wird auch zukünftig einheitlichere Standards bei der Bewertung des Eigenkapitals geben.
Dem hat die NORD/LB mit der Erarbeitung eines Kapitalstärkungsprogramms auch zeitnah Rechnung getragen, das sie so bald wie möglich aus eigener Kraft begonnen und schon teilweise umgesetzt hat, so z. B. im Zusammenhang mit der Begrenzung des Geschäftsvolumens, mit der Trennung von Beteiligungen und dem Aufbau von zusätzlichem Kernkapital durch Gewinnthesaurierung.
Aber wenn es um das konkrete Handeln der Landesregierung und um Handlungsnotwendigkeiten ging, haben wir in den vergangenen Wochen und
Monaten festgestellt, dass die Landesregierung im Hinblick auf Dinge, die sie zu erledigen hat, immer ausweichend und beschwichtigend reagiert hat, gerade auch im Hinblick auf die Umwandlung der stillen Einlagen in hartes Kernkapital.
Herr Möllring, waren Ihnen da vielleicht die Vorteile, die sich für den Landeshaushalt aus den stillen Einlagen im Vergleich zu anderen Beteiligungsformen ergeben, wichtiger als die Interessen der NORD/LB im Hinblick auf ihre Zukunftsfähigkeit? Das werden wir demnächst an anderer Stelle sicherlich noch einmal zu thematisieren haben.
Wir sind der festen Überzeugung, dass es vor allem für die NORD/LB hilfreicher gewesen wäre, wenn die Landesregierung nicht bis zur letzten Minute taktiert, sondern rechtzeitig damit begonnen hätte, die Erkenntnisse, die sie im Hinblick auf die Bewertung der stillen Einlagen zumindest im Grundsatz, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, hatte, auch umzusetzen.
Und eines ist auf jeden Fall klar: Ein Minister, der sich seiner Verantwortung als Aufsichtsratsvorsitzender der NORD/LB bewusst ist, hätte eines auf jeden Fall unterlassen müssen: forsche öffentliche Angriffe gegen die EBA und gegen die von ihr formulierten Bedingungen des neuen Stresstests.
(Lebhafter Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Wilhelm Heide- mann [CDU]: Holla! - Weitere Zurufe von der CDU)
Selbst wenn die Rahmenbedingungen und die zeitlichen Abläufe für den aktuellen Stresstest durchaus kritisch hinterfragt werden können, ist eines unstrittig: Die NORD/LB wird auch künftig mit der EBA, die ja auch mit der Unterstützung der deutschen Bundesregierung installiert wurde, vertrauensvoll zusammenarbeiten müssen.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ernst-August Hoppen- brock [CDU]: Das ist unterwürfig! - Weitere Zurufe von der CDU)
Jeder von uns kann sich ausmalen, dass eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Partnern von Anfang an beeinträchtigt ist, wenn
die europäische Aufsichtsbehörde der Presse entnehmen kann, mit welcher Häme und Polemik sich ein Finanzminister, der gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender einer Landesbank ist, über diese Institution äußert. Das klingt ein bisschen nach einer Boykottandrohung gegenüber diesem Stresstest.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ernst-August Hoppen- brock [CDU]: So stellen Sie sich die große Welt vor! - Weitere Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten)
Ich stelle auch die Frage, ob die Form und der Inhalt der heutigen Regierungserklärung diesem Thema angemessen waren.
Herr Minister, ich fürchte, mit der Pressekampagne der letzten Tage haben Sie unserer eigenen NORD/LB einen Bärendienst erwiesen.