Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Erstens. Die Landesregierung soll sich auf Bundesebene für eine Reform des Energiewirtschaftsgesetzes einsetzen, um den kommunalen Unternehmen dieselben Ausgangsbedingungen wie den großen Energieversorgern zu geben. Die gleichen Ausgangsbedingungen sind aber bereits in § 46 des Energiewirtschaftsgesetzes garantiert. Dort ist nämlich von einem diskriminierungsfreien Interessenbekundungsverfahren die Rede. Danach darf ein kommunaler Mitbewerber überhaupt nicht benachteiligt werden. Deshalb geht Ihr Antrag an dieser Stelle eigentlich am Ziel vorbei.

Zweitens. Auch die Forderung, nach Auslaufen der Konzessionsverträge die Überlassungsregelung von Netzen so zu ändern, dass bei erklärtem Willen der Kommunen das jeweilige Netz zu veräußern ist, ist keine Forderung, die man stellen kann, weil es im Gesetz so schon steht. Lesen Sie § 46 Abs. 2 des Energiewirtschaftsgesetzes. Danach sind die Verteilungsanlagen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung zu überlassen. Das Problem in den Fällen, in denen es eine Rekommunalisierung gegeben hat, war immer, dass man auf der Grundlage dieses Gesetzes vor Gericht um den angemessenen Kaufpreis prozessieren musste. Aber nicht das Gesetz ist an dieser Stelle überarbeitungsbedürftig.

Drittens. Sie fordern dazu weitere verbindliche Regelungen, sodass die kaufinteressierten Kommunen alle verbindlichen Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation der Netze

erhalten. Das ist auf den ersten Blick sehr nachvollziehbar. Aber ein diskriminierungsfreies Interessenbekundungsverfahren, an dem sich Kommunen mit der Option eigener Stadtwerke beteiligen und ausdrücklich auch beteiligen sollten, ist nur möglich, wenn der Interessent, der ein Gebot abgeben will, alle erforderlichen Informationen über die technischen Einzelheiten und den Wert der zu übernehmenden Netze erhält.

In den Hinweisen der Landeskartellbehörde vom März 2011 an die Kommunen heißt es deshalb zutreffend, dass zu diesen Netzinformationen Mengengerüste der Gas- und Stromversorgungsleitungen, Länge und Qualität der Leitungen, Anzahl der Umspannstationen und Gasverteilerstationen und die Strom- und Gasabnehmermengen gehören müssen. All das ist den jeweiligen Konzessionsträgern schon längst vorgeschrieben. Die Städte müssen diese Informationen bei ihnen abholen.

Das wirft ein Schlaglicht auf die Kommunalpolitik. Da sind sozialdemokratische Ratsmehrheiten und sozialdemokratische Bürgermeister gefragt, den Mut aufzubringen, sich an dieser Stelle mit den Altkonzessionären anzulegen. Diesen Mut kann ich bei den sozialdemokratischen Politikern nicht immer erkennen.

Sie haben ein landespolitisches Thema aufgemacht. Das geht im Grunde nicht, weil es Bundespolitik ist. Da, wo die Kommunen gefordert sind, bin ich darauf gespannt, dass die sozialdemokratischen Politiker vor Ort auch handeln. In dem Sinne kann Ihr Antrag vielleicht eine Funktion als Anregung für Ihre sozialdemokratischen Kollegen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Herr Dr. Hocker, Sie haben für die FDP-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Meyer, ich finde es toll, dass Sie sich in Ihrer Rede auf die Beschlüsse des FDP-Bundesparteitags beziehen. Aber das eine oder andere scheinen Sie falsch verstanden zu haben. Mein Büro wird Ihnen die Beschlüsse zuschicken. Ich wäre dankbar, wenn Sie mir zu erkennen gäben, wo sich die FDP Niedersachsen Ihrer Meinung nach nicht durchgesetzt hat. Ganz im Gegenteil, wir haben uns in den zent

ralen Forderungen durchgesetzt. Darauf sind wir sehr stolz.

Zu Ihrem Antrag. Der erste Satz der Begründung Ihres Antrags lautet: Rekommunalisierung stärkt den Wettbewerb im Sinne des Energiewirtschaftsgesetzes. - Grundsätzlich begrüße ich es sehr, dass die SPD hier das Hohelied auf Wettbewerb und Effizienz anstimmt. Ich begrüße es, wenn Sie dieselbe Ausgangssituation für alle Marktteilnehmer fordern und unterstellen, dass Wettbewerb Effizienz und günstige Preise für den Verbraucher bewirkt. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch in Zukunft dem Thema Wettbewerb Vorfahrt gewähren und den Wettbewerb auch in anderen Politikbereichen stärken würden.

Wenn Ihr Antrag zur Rekommunalisierung tatsächlich einen neuen Geist in Ihrer Fraktion repräsentiert, würde mich das aufrichtig freuen. Allerdings befürchte ich, dass Ihre neue Wettbewerbsfreundlichkeit eher den bevorstehenden Kommunalwahlen als einem neuen Vertrauen in Wettbewerb und Effizienz geschuldet ist.

Mir gefällt Ihr Antrag an den Stellen besonders gut, an denen Sie gleiche Chancen für alle Marktteilnehmer fordern und sich dafür einsetzen, selbst wenn Sie damit vier Monate vor der Kommunalwahl recht durchsichtig nur beabsichtigen, sich als Freund der Kommunen zu profilieren.

(Rolf Meyer [SPD]: Was wollen Sie denn, Herr Dr. Hocker?)

Aber dabei scheint die inhaltliche Sorgfalt ein bisschen auf der Strecke geblieben zu sein. Ich weiß nicht, ob einer Ihrer Abgeordneten oder Referenten Volkswirtschaftler ist. Wenn ja, dann hätten Sie ihn oder sie für die Formulierung des Antrages hinzuziehen sollen. Wettbewerb bedeutet für den Verbraucher, die Wahl zwischen verschiedenen Alternativen zu haben. Dieses Prinzip funktioniert immer dann, wenn es diese Wahlmöglichkeiten gibt.

Dies ist zwar bei der Wahl eines Stromanbieters möglich, aber bei dem Betrieb eines Stromnetzes nicht denkbar. Bei Stromnetzen handelt es sich um ein natürliches Monopol. Wahlmöglichkeiten und damit Wettbewerb könnte es hier nur geben, wenn verschiedene Stromleitungen zu Ihrem Haus führen würden und Sie sich jeden Tag neu dafür entscheiden könnten, welches Netz Sie an diesem Tage verwenden wollten. Das wäre ungefähr so, als hätte ich am Freitag, wenn ich in meinen Wahlkreis nach Verden fahre, die Wahl zwischen ver

schiedenen Autobahnen, die parallel zur A 7 und A 27 verliefen. Die Kosten für den Unterhalt würden die Kostenersparnis, die sich durch den Wettbewerb ergibt, übersteigen. Deshalb wäre das volkswirtschaftlich nicht sinnvoll.

Meine Damen und Herren, vieles von dem, was Sie fordern, wird mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes ohnehin auf den Weg gebracht werden, z. B. die Transparenzregeln für die Marktteilnehmer, aber auch die Berechnungsgrundlagen für den Netzkauf und die Einrichtung einer unparteiischen Schiedsstelle. Diese Forderungen sind richtig und wichtig, aber sie werden mit der Novelle des EnWG bereits berücksichtigt werden.

Ich schlage vor, Sie bewahren sich Ihre neue Offenheit für Wettbewerb und Effizienz für Debatten auf, wo dieses Prinzip der Allgemeinheit wirklich Nutzen stiftet. Ich werde Sie an die heutige Diskussion erinnern, wenn Sie das nächste Mal dem Staat den Vorrang vor den Privaten geben und Monopole schützen wollen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Dr. Hocker. - Nun hat Herr Dr. Deneke-Jöhrens für die CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Meyer, Sie geben mit Ihrem Antrag im Wesentlichen die Positionen des VKU wieder

(Rolf Meyer [SPD]: Das ist korrekt!)

und damit auch unsere Position, weil auch die CDU gewissermaßen über den VKU organisiert ist.

(Rolf Meyer [SPD]: Die FDP will das offenbar nicht!)

Von daher enthält Ihr Antrag für uns auch interessante Ansätze.

Ich werde mich jetzt nicht in Allgemeinplätzen verlieren, sondern vielmehr versuchen, mich mit Ihrem Antrag auseinanderzusetzen.

Für uns ist es so, dass die bestehende kommunale Stadtwerkestruktur wie geschaffen ist für die Aufgabe der dezentralen Energieerzeugung und -verteilung. Selbstverständlich ist das so. Also kann es unserer Meinung nach nur richtig sein, wenn man

diese, glücklicherweise in Deutschland bereits vorhandene Struktur weiter stärkt.

(Beifall bei der CDU)

Die Rekommunalisierung der Energienetze ist ein Thema, mit dem ich mich seit Längerem auch in meinem Wahlkreis beschäftige. Wir betreiben in Lehrte das Gas-, Wasser- und Abwassergeschäft zu 100 % in kommunaler Hand. Wasser, Abwasser und der Netzbetrieb Gas dienen der kommunalen Daseinsvorsorge. Mit dem Gasvertrieb verdienen die Stadtwerke im Wettbewerb mit allen anderen Anbietern am Markt das Geld.

Für die nächsten Jahre rechnen die Stadtwerke Lehrte angesichts des demografischen Wandels, des erklärten Wunschs nach Ausstieg aus den fossilen Energieträgern und zunehmend höherer Energieeffizienz und damit geringerem Verbrauch mit sinkendem Gewinn.

Als Lösungsweg für unser Unternehmen sehen wir die Übernahme der Stromversorgung als weiteres Geschäftsfeld an. Wir setzen auf Synergien und verhalten uns eben wie andere Wettbewerber auch. Die Gründe, warum man so etwas macht, haben Sie und Herr Adler angeführt. Das will ich nicht wiederholen. Wir wollen vor Ort auch mitbestimmen. Wir können uns auch anders entscheiden.

Um uns auf die Übernahme des Stromnetzes vorzubereiten, haben wir uns bei Stadtwerken informiert, die den Schritt gerade gegangen sind. Dort sind viele der kritischen Punkte, die Sie in Ihrem Antrag aufnehmen, genannt worden. Es wird beispielsweise moniert, dass die bisherigen Netzbetreiber Informationen über die technische und wirtschaftliche Situation zurückhalten. Außerdem sollen die Übergeber sehr auf Zeit spielen. Es gibt keine unabhängige Stelle, die den Wert des Netzes feststellt. Alle Entscheidungen und Wertfestsetzungen müssen vor Gericht eingeklagt werden.

Ich stelle fest: Ein Großteil Ihrer Forderungen nach Vereinfachung geht in die richtige Richtung. Aber Vorsicht: Im neunten Spiegelstrich geht es um die Entlastung kleinerer kommunaler Stadtwerke von in der Tat überbordender Bürokratie. Sie wollen den Kleinen ermöglichen, Netzentgelte von vergleichbaren Regionalversorgern zu übernehmen. Das darf nur als Kannbestimmung gelten. Ansonsten ginge diese Forderung für kleine Stadtwerke dann nach hinten los, wenn die Netzentgelte eines solchen Regionalversorgers sehr niedrig wären.

(Zustimmung bei der CDU)

Nochmals Vorsicht: Rekommunalisierung um jeden Preis wird es mit uns nicht geben. Wir stehen zum Wettbewerbsgedanken. Das Unternehmen muss sich am Markt behaupten können. Wir werden zu kleine und damit unrentable Einheiten vor einem wirtschaftlichen Abenteuer bewahren.

Herr Meyer, Ihr Beispiel enercity Hannover ist nun gerade nicht das Beispiel und die Norm, sondern die Ausnahme. Bei Fernwärme ist es okay. Aber so ein großes Unternehmen verhält sich völlig anders als alle anderen und hat auch einen anderen Umfang.

Meine Damen und Herren, über die Einführung einer Ländernetzagentur denken wir in der CDU angesichts der Erfahrungen anderer Bundesländer durchaus nach. Sie wäre bei uns für 58 Strom- bzw. 66 Gasnetzbetreiber zuständig. Aber bevor man die Landesregulierungsbehörde einrichtet, sollte man zunächst einmal überprüfen, ob der gesetzliche Regulierungsrahmen überhaupt zu dem passt, was alle deutschen Parteien jetzt wollen. Das hat Herr Adler auch schon angerissen.

Wir wollen nämlich den beschleunigten Ausstieg aus der Kernkraft und den Umbau des gesamten Energieversorgungsnetzes von bisher wenigen Großkraftwerken auf viele Hunderttausende kleine Wind-, Biomasse- und Photovoltaikkraftwerke, und das in verhältnismäßig kurzer Zeit. Wenn der Rahmen dann nicht stimmt, hilft auch eine niedrigere zusätzliche Verwaltungsebene nicht. Dazu brauchen wir dann Berlin.

Das bisherige Energiewirtschaftsgesetz und die daraus abgeleitete Vorgehensweise der Bundesnetzagentur sind auf stringente Kostenkontrolle für Netzinvestitionen ausgelegt. Das halten wir für richtig. Ziel dieser Politik ist es, Netzkosten zu begrenzen. Auch das ist vom Ansatz her richtig. Aber wie Sie wissen, erzeugen Neuinvestitionen in Netze über die Abschreibung erhebliche Kosten, die in die Entgelte sofort einfließen müssen, nicht erst bei der nächsten Regulierungsperiode in fünf Jahren. Ansonsten investiert eben niemand.

(Beifall bei der CDU)

Bisher wird von der Bundesnetzagentur für jedes einzelne Unternehmen festgelegt, bis zu welcher Höhe Neuinvestitionskosten genehmigungsfähig sind und im Netzentgelt enthalten sein dürfen.

Meine Damen und Herren, es wird große Energieparks geben müssen, z. B. Offshore. Das ist das Aufgabenfeld für die großen Konzerne, ebenso wie der Betrieb der bundesweiten und europäischen

Übertragungsnetze. Der Großteil der zukünftigen regenerativen Energie, auch und vor allem im Energieland Niedersachsen, wird aber aus der Fläche der Städte und Landkreise kommen müssen, dezentral erzeugt. Hier sind die kommunalen Energieversorgungsunternehmen die natürlichen Partner. Das wird aus unserer Sicht keine alleinige Domäne der großen Energiekonzerne sein. Ein ausgewogener Mix von groß und klein wird das Erfolgsrezept sein. Dann wird die Energiewende gelingen.

Ich freue mich auf interessante Beratungen im Ausschuss.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Das Wort hat nunmehr Herr Wenzel für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich begrüße den Antrag der SPD-Fraktion, die Stoßrichtung und auch das Ziel dieses Antrages, die Daseinsvorsorge zu erhalten und zu stärken, Energienetze zu rekommunalisieren und den Kommunen ein Handlungsfeld zu erschließen, das einige in den letzten Jahrzehnten bewahrt haben, aber manche Kommunen auch aufgegeben haben. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, hier den Hebel anzusetzen und den Kommunen, die heute noch Stadtwerke haben, die Möglichkeiten zur Arrondierung ihrer Netze zu verbessern, und den Kommunen, die keine Stadtwerke mehr haben, im Zweifel auch die Möglichkeit zur Neugründung zu geben.