Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Ohne deren finanzielles und zeitliches Engagement - Herr Hillmer, da bin ich vollkommen bei Ihnen - wären kulturelles Leben und kulturelle Vielfalt in diesem Land kaum denkbar. Die Ehrenamtlichen tun viel, um den Kulturbetrieb auf allen Ebenen zu erhalten, und gehen dabei bis zur Selbstausbeutung. Hochprofessionell erbrachte Arbeit bieten sie kostenlos dar. Wir alle haben das wirklich mit Respekt und Lob zu würdigen. Wer in diesem Landtag würde das eigentlich nicht tun, Herr Hillmer? Da sind wir alle bei Ihnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dafür braucht es aber keine Aktuelle Stunde.

Schön wäre es gewesen, wenn Sie uns heute aufgezeigt hätten, wie Sie die Ehrenamtlichen in der Kultur stärken wollen, wie Sie dafür sorgen wollen, dass jedes Kind - unabhängig davon, wo in Niedersachsen es lebt - kulturelle Bildung erfahren kann, wie man - unabhängig von den Möglichkeiten der Elternhäuser - kulturelle Teilhabe sichern kann, wie man die Ehrenamtlichen im Bereich ihres kulturellen Engagements stärken kann.

Der Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ zeigt eine Fülle von Möglichkeiten auf. Selbst der Ministerpräsident hat Anfang dieses Jahres eine Studie zum Ehrenamt in Niedersachsen vorgestellt. Schauen Sie in diese Studie! Schreiben Sie ab, was die Ehrenamtlichen in Kultur- und anderen Vereinen brauchen! Das ist relativ einfach. Aber verschonen Sie uns bitte mit Aktuel

len Stunden zum Thema Ehrenamt. Ehrenamt braucht mehr als fünf Minuten Lob, Herr Hillmer.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Das Feuerwerk ist zu En- de! Peinlich, die Kollegin so vorzufüh- ren! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Haben Sie überhaupt zuge- hört?)

Ich erteile dem Kollegen Perli von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Niedersachsen ist heute um eine Sonntagsrede reicher geworden. Herzlichen Dank, Herr Hillmer! Sie haben bei der Benennung Ihres Antrages zur Aktuellen Stunde allerdings den entscheidenden Halbsatz vergessen. „Engagierte Bürger tragen die niedersächsische Kultur“ - weil die Landesregierung, weil CDU und FDP die Kultur und die engagierten Bürger im Stich lassen!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, bei den Kulturausgaben pro Einwohner liegt Niedersachsen weit unten, tief abgeschlagen im Tabellenkeller. Kein westdeutsches Bundesland hat sich seit 1995 bei den Kulturausgaben so schlecht entwickelt wie Niedersachsen.

(Ulf Thiele [CDU]: Wer hat Ihnen denn diesen Unsinn aufgeschrieben?)

Aber die CDU-Landtagsfraktion hat selbst festgestellt, dass es bei der Kulturpolitik alles andere als rund läuft, und deshalb im Januar das Jahr der Kultur ausgerufen und die Internetseite kultur.schwerpunktthema-niedersachsen.de eingerichtet. Ein Blick darauf verrät, warum die CDUFraktion diese Aktuelle Stunde beantragt hat: Die Rubrik „Parlamentarische Initiativen“ ist eine einzige Leerstelle.

(Jens Nacke [CDU]: Das kann ich aber ganz schnell widerlegen!)

Außer einer Großen Anfrage zum Thema „Lage des Plattdeutschen“ findet sich dort überhaupt nichts.

(Ulf Thiele [CDU]: Das haben Sie schon letztes Mal geringgeschätzt!)

Aber ab heute Mittag wird dort auch dieser Antrag zur Aktuellen Stunde aufgeführt sein, Ihre zweite parlamentarische Initiative. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der LINKEN)

Was seit einem halben Jahr fehlt, sind nicht Sonntagsreden, sondern Antworten zur Zukunft der Kultur. Schöne Worte alleine reichen nicht aus, um die wertvolle und dankenswerte Arbeit der ehrenamtlichen Kulturschaffenden zu würdigen. Wenn wir dieses Thema in einer Aktuellen Stunde behandeln, sollten alle Fraktionen auch über die aktuellen Probleme und Herausforderungen im Bereich der Kulturpolitik sprechen.

Der Schlussbericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ spricht völlig zu Recht davon, dass „das bürgerschaftliche Engagement … ein Eckpfeiler des Kulturbereiches in Deutschland“ und „in fast allen künstlerischen Sparten … ein wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens“ ist. Es heißt weiter, dass „die Aktivitäten bürgerschaftlich Engagierter … das Leistungsspektrum kultureller Einrichtungen nachhaltig“ erweitern und zur Identifikation, zur Bürgernähe und zur Beteiligung vieler am kulturellen Leben beitragen.

Es gibt in diesem Hause wohl niemanden, der diese Sätze nicht unterschreiben würde. Wie aber sieht es in 10, 20 oder 30 Jahren aus? Sowohl der Freiwilligensurvey als auch der Enquete-Bericht stellen übereinstimmend fest, dass der Mangel an Finanzmitteln das dringendste Problem vieler Kulturprojekte ist. Insbesondere durch zwei Entwicklungen haben sich die Probleme verschärft: zum einen durch den Rückgang der Mittel für die Kulturarbeit, zum anderen durch die Konzentration der öffentlichen Mittel auf eine Projektförderung, weg von einer institutionellen Förderung. Die Kulturpolitik der letzten Jahre zeigt, dass insbesondere kleinere kulturelle Projekte, Initiativen und Organisationen zunehmend in ihrer Existenz bedroht sind.

Meine Damen und Herren, unter diesen Voraussetzungen droht das ehrenamtliche Kulturengagement zum Ersatz für das schwindende Engagement der öffentlichen Hand zu werden.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Traurig, aber wahr!)

Ein Staat aber, der sich schleichend aus der Kultur und ihrer Finanzierung zurückzieht, gefährdet das

bürgerschaftliche Engagement in der Zukunft. Wer sich als ehrenamtlich Engagierter immer stärker als Lückenbüßer missbraucht sieht, verliert die Motivation und die Freude an seiner Tätigkeit.

Die kulturelle Vielfalt Niedersachsens ist, wie das bürgerschaftliche Engagement, auf einen handlungsfähigen Staat, auf starke Kommunen und professionelle Strukturen angewiesen. Es reicht, einen Blick auf die Entwicklung der Kulturhaushalte der Kommunen, der Personalstellen und die Zahl der kulturellen Einrichtungen zu werfen, um festzustellen, dass der Trend kein positiver ist. Der Negativtrend gefährdet unter den Vorzeichen des Bevölkerungsrückgangs in den ländlichen Gebieten und des Rückzugs des Staates mittelfristig dann auch Teile unseres kulturellen Erbes. Das gilt es abzuwenden.

Meine Damen und Herren, ein Kulturabbau unter dem Deckmantel des bürgerschaftlichen Engagements - das sei hier ganz deutlich gesagt - ist mit den Linken nicht zu machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt der Kollegin Frau von BelowNeufeldt das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Respekt, meine Damen und Herren! Niedersachsen liegt mit den vielen Ehrenamtlichen ganz vorn an der Spitze im Vergleich der Bundesländer.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn ich das so sage, dann meine ich den Respekt, den ich den vielen Ehrenamtlichen zolle. Es sind in Niedersachsen etwa 2,8 Millionen Menschen, die über 14 Jahre alt sind. Sie zeigen Niedersachsen als freundliches, hilfsbereites und auch kulturell wertvolles Land. Dafür gebührt ihnen unser aller Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Er richtet sich übrigens an etwa 41 % der Erwachsenen in Niedersachsen. Sie sind als Ehrenamtliche in der Feuerwehr, im Krankenhaus als grüne Schwester, in den Schulen als Lesepaten usw. unterwegs. Es gibt vielfältige Betätigungsfelder; das Spektrum ist also breit. Viele von den Ehrenamtlichen zeigen lieber ihr Werk und ihr Arbeitsergebnis als sich selbst. Aber ohne all sie, diese

guten Geister, würde unsere Gesellschaft nicht so richtig funktionieren und nicht den Zusammenhalt haben, den sie zum Glück hat.

Das Engagement der Ehrenamtlichen macht Niedersachsen sympathisch und lebenswert. Ehrenamt stiftet damit Identität und erhält Werte.

(Beifall bei der FDP)

Den älteren Menschen liegt das ehrenamtliche Engagement und die ehrenamtliche Kulturarbeit am Herzen. Mehr als 40 % der unter 60-Jährigen und knapp 40 % der über 60-Jährigen engagieren sich in Niedersachsen ehrenamtlich. Weitere 11 % würden ihr Wissen auch gerne einbringen. Das zeigt, dass gerade die Bereitschaft älterer Menschen zur Übernahme eines Ehrenamtes gestiegen ist.

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich die Landesregierung für soziokulturelle Projekte mit und von älteren Menschen sowie für generationenübergreifende Projekte einsetzt. Hier hat die Landesregierung in den Jahren 2006 bis 2009 über 272 000 Euro sehr gut investiert.

Herr Perli, wir lassen uns das nicht schlechtreden. „Im Stich lassen“ - das ist hier keine Frage. Das Ehrenamt ist zum Glück eigeninitiiert, autark und braucht keine staatliche Vorgabe oder eine Ehrenamtsbrigade.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Behrens, bei einem Aufsatz hätte ich Ihnen wohl eine Fünf oder Sechs gegeben.

(Widerspruch bei der SPD)

Statt das Ehrenamt anzuerkennen und das in den Mittelpunkt zu stellen, reden Sie typischerweise von vermeintlichen Lücken. Dabei ist doch wohl die Wahrheit, dass das Ehrenamt verbindet, dass das Ehrenamt die Menschen mitnimmt und Generationen verbindet, z. B. in dem Musikprojekt „Triangel“ im Marienstift, Braunschweig.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Reden Sie mal mit den Ehrenamtlichen! Dann wissen Sie, was Sie sagen!)

Das Ehrenamt ist also bereichernd. Die Arbeit im Ehrenamt ist eben nicht ein Job oder Lückenbüßerei.

Das Ehrenamt in der Kultur ist von ganz besonderer Bedeutung. Kultur ist Erleben, Kultur spricht an und bietet Wissen. Warum kommen Besucher von nah und fern nach Niedersachsen? - Land und

Leute mit ihrer Kultur kennenzulernen, ist wohl immer noch eine große Motivation für einen Besuch oder Urlaub in Niedersachsen. Da hat Niedersachsen in seiner Vielfalt viel zu zeigen.

Wir zeigen aber die Kultur nicht nur anderen. Kultur bietet auch immer wieder den Anlass für unsere Familien aus Niedersachsen, Orte der Kultur - Museen - oder auch Feste der Kultur zu besuchen. Sie bietet auch den Kleinsten Gelegenheit, Werte kennenzulernen. Das Erkunden fängt meistens mit der berühmten Frage „Warum?“ an. Viele der kleinen Kulturorte werden ausschließlich im Ehrenamt betreut.