Protokoll der Sitzung vom 26.05.2011

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer mehr Probleme mit den schwarz-gelben „Ganztagsschulen light“ kommen ans Tageslicht. Immer deutlicher stellt sich heraus, dass das angeblich so wunderbare Billigmodell der CDU/FDP-Ganztagsschule so nicht mehr zu halten ist. Dienstleistungsverträge sind rechtswidrig. Sozialversicherungsbeiträge wurden nicht bezahlt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Statt auf seit Jahren geäußerte rechtliche Bedenken einzugehen und mit rechtskonformen Arbeitsverträgen nachzusteuern, statt die Ganztagsschulen so auszustatten, dass, wo Ganztagsschule drauf steht, auch Ganztagsschule drin ist, haben sich drei CDU-Kultusminister, einer nach dem anderen, um die Probleme herumgemogelt: Erst haben sich alle für jede neu genehmigte Ganztags

schule selbst gefeiert. Dann haben sich zwei von ihnen schnell vom Acker gemacht, bevor ihnen die Probleme auf die Füße fielen. Und jetzt versichert der augenblicklich amtierende Kultusminister Dr. Althusmann seit Monaten, dass alles in Ordnung ist.

Seit Freitag vergangener Woche - erst seit vergangenem Freitag - dürfen die Schulen jetzt doch unbefristete Arbeitsverträge mit außerschulischen Fachkräften abschließen. Wieso, Herr Althusmann, haben Sie das eigentlich jahrelang vorher nicht erlaubt? Musste erst bei Ihnen die Staatsanwaltschaft ermitteln, bis Sie sich bequemen, auf dem Boden des geltenden Schulrechts und des geltenden Arbeitsrechtes zu wandeln? Wer im Kultusministerium übernimmt die Verantwortung für diesen jahrelangen schlampigen Umgang mit Recht und Gesetz?

Ich bin gespannt, was Sie uns auf unsere Große Anfrage zu diesem Komplex antworten werden. Aber die Große Anfrage wollen Sie erst im September beantworten, merkwürdigerweise erst im September, nach der Kommunalwahl!

Aber, meine Damen und Herren, wer gehofft hat, jetzt würden sich auch die Abgeordneten der CDU und FDP wirklich bemühen, rechtsfeste Lösungen für die Ganztagsschulen zu finden, Lösungen, bei denen nicht ständig die Kommunen für das mangelnde Engagement des Landes bluten müssen, der sieht sich einmal wieder enttäuscht.

Nicht einmal ernsthaft beraten wollte man den Antrag der Linken, Ganztagsschulen mit ordentlichen Stundenzuweisungen auszustatten und mit rechtskonformen Arbeitsverträgen zu versehen. Die einzige Einlassung der Kollegen der CDU war: Das sei nicht finanzierbar. - Den Antrag, den ich dort gestellt habe, das Kultusministerium möge uns einmal vorrechnen, was es eigentlich kostet, wenn jetzt alle „Ganztagsschulen light“ mit den Stunden aus dem Ganztagsschulerlass ausgestattet werden, wurde einfach mit Mehrheit abgelehnt; man wollte gar nicht wissen, was es kostet. So gering ist das Interesse von CDU und FDP an einer wirklichen guten Ausstattung unserer Ganztagsschulen! Lieber den Antrag ohne Beratung und ohne etwas zu wissen einfach ablehnen!

(Zuruf von den GRÜNEN: Sehr be- zeichnend!)

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sind offensichtlich völlig überfordert, auch nur ein bisschen kreativ und innovativ zu sein, weil Ihnen das

Kultusministerium immer vorgibt, ob und was Sie überhaupt sagen und denken dürfen.

Wir werden deshalb heute den Antrag der Linken unterstützen, auch wenn unsere Vorstellungen von Ganztagsschule noch darüber hinaus gehen. Wir werden zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Borngräber das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An dieser Stelle scheint sich die Opposition ja sehr einig zu sein.

In der Tat: Die Bilanz der Ganztagsbeschulung in Niedersachsen ist glanzlos. Sie ist blass, und sie ist mit Mehltau belegt. Zwei Dritteln unserer Schulen, Herr Minister, wird die personelle Ausstattung für eine pädagogisch sinnvolle Ausgestaltung einer Ganztagsschule vorenthalten. Das ist die wahre Bilanz dieser Abfeierregierung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch im November 2010 haben Sie, Herr Minister Althusmann, gemeinsam mit Ihrem Kabinettschef die 1 000. Ganztagsschule abgefeiert. Nur drei Monate später, am 27. Januar, stand ganz plötzlich die Staatsanwaltschaft in Ihrem Ministerium. Im Volksmund nennt man so etwas ja Razzia. Da gab es also eine Razzia im Kultusministerium: staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Sozialversicherungsbetrugs!

(Björn Thümler [CDU]: Ist Ihnen das eigentlich peinlich?)

Die von dieser schwarz-gelben Landesregierung seit 2004 praktizierten Vertragsabschlüsse mit nicht lehrenden Honorarkräften führen allem Anschein nach zur Scheinselbstständigkeit und könnten den Tatbestand des Sozialversicherungsbetrugs erfüllen.

(Zuruf von der CDU: Könnte! Konjunk- tiv!)

Zwischenzeitlich liegt der Bericht der Landesregierung zu diesen rechtswidrigen Honorarverträgen vor. Sie, Herr Minister, mussten am letzten Freitag im Kultusausschuss einräumen, dass 38 % bis

39 % aller Dienstleistungs- oder Honorarverträge rechtswidrig sind.

Sie, Herr Minister, gehen davon aus, dass niemandem ein strafrechtlicher Vorwurf zu machen sei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das mag ja so sein; das bleibt noch abzuwarten. Aber, Herr Minister, es gibt ja auch eine politische Verantwortung für Schwarzarbeit, für Scheinselbstständigkeit und für staatlich verordnete prekäre Beschäftigungsverhältnisse.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Noch im Januar haben Sie, Herr Minister Dr. Althusmann, die Ursache für diese Misere ins Jahr 2002 zurückdatiert. Der Bericht Ihrer eigenen Arbeitsgruppe formuliert aber deutlich, dass zwischen 2002 und 2004 Probleme im Zusammenhang mit Honorarverträgen, soweit ersichtlich, überhaupt nicht aufgetreten sind. Das können Sie nachlesen. - So viel, Herr Dr. Althusmann, zur versuchten Legendenbildung in Bezug auf die Vorgängerregierung!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Zuruf von der CDU: Es gab noch keine Ganz- tagsschulen!)

- Dann zitieren Sie einmal aus Ihrem eigenen Bericht!

Minister Busemann, Heister-Neumann, Dr. Althusmann - das ist ein achtjähriges System arbeits- und dienstrechtlicher Vergehen im Wissen um die Ganztagsbeschulung in Niedersachsen. Acht Jahre lang sind Sie und Ihre Vorgänger darauf hingewiesen worden - und haben bis zum Eintreffen der Ermittlungsbehörden wenig bis gar nichts getan. Deutlich wird aber auch: Diese Landesregierung hat kein Ganztagskonzept, null.

(Beifall bei der SPD)

Bei Ihnen galt und gilt das Prinzip „Quantität vor Qalität“: Klotzen und immer raus mit den Dingern. Auf Deutsch: Hauptsache, ein Schild „Ganztagsschule“ über dem Eingang. Personal, seht zu, wie ihr das macht!

(Zurufe von der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Etikettenschwindel!)

Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten stellen uns gute Ganztagsschulen anders vor. Damit Sie uns nicht vorwerfen, wir hätten nicht

auch Eckpunkte zu vermelden, will ich sie Ihnen gerne nennen.

Wir ermöglichen allen Schulen, beginnend mit den Grundschulen, auf Antrag den teilgebundenen Ganztag.

(Ulf Thiele [CDU]: Jetzt kommt wieder die Geschichte „Im Himmel ist Jahr- markt“!)

Alles Ganztag. Nur Lehrerstunden, das wird es natürlich auch mit uns nicht geben. Aber zu einer guten Schule gehören natürlich viele Professionen, und dann bitte schön ausgestattet mit anständigen Anstellungsverträgen.

(Beifall bei der SPD)

Ganztag mit Scheinverträgen geht nicht, Herr Minister!

(Beifall bei der SPD)

Darauf können sich die Schulen schon heute einrichten. Wir schaffen Ordnung, Rechtssicherheit und Verlässlichkeit beim Ganztag und bei den Verträgen, und das Ganze, meine Damen und Herren, ab 2013.

Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Frau Meyer zu Strohen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Das Wohl unserer heranwachsenden Generation ist uns wichtig. Daher ist eine gute und den Schülerinnen und Schülern gerecht werdende Ganztagsbetreuung unser aller Ziel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich habe das Gefühl, Ihr Ziel ist das nicht. Ihren Redebeiträgen konnte ich entnehmen, dass Sie nur versuchen, unserem Minister oder der Landesregierung irgendwas anzuflicken, was Sie nicht genau definieren können.

(Zurufe von der SPD)

Ihre Redebeiträge, habe ich festgestellt, befassen sich nur mit irgendwelchen Verträgen aus der Vergangenheit. Dazu komme ich gleich noch.

„Damit der Ganztag ein Ganztag wird“ - in diesem Antrag der Linken werden Forderungen formuliert,

die längst gegenstandslos sind; denn die Landesregierung hat frühzeitig reagiert und Fakten geschaffen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)