Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dritter Punkt: Keine Qualitätssteigerung seit 1992. - Dem haben Sie nichts entgegensetzen können. Betreuungsquote, Fachkraftquote, Gruppengröße - es gab keine qualitativen Verbesserungen. Sie haben in diesem Bereich nichts unternommen.

Nächster Punkt: Inklusion in Krippen. - Sie mussten erst ein Modellprojekt auflegen, um herauszufinden, ob man behinderte Babys mit nicht behinderten Babys gemeinsam fördern kann. Das finde ich eigentlich nur peinlich. Das hätten Sie selbstverständlich landesweit einführen und finanzieren müssen.

(Glocke des Präsidenten)

Letzter Punkt: Zum Erzieherinnenmangel - - -

Vielen Dank, Frau Korter. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit stelle ich fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage abgeschlossen ist.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 28:

Erste Beratung: Gleiches Geld für gleiche Arbeit - das muss auch im Schulunterricht gelten - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3626

Einbringen wird diesen Antrag Frau Reichwaldt. Frau Reichwaldt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es bei diesem Antrag? - Gleiches Geld für gleiche Arbeit. Wir alle hier im Landtag bekommen als Abgeordnetenentschädigung jeden Monat 6 000 Euro. Stellen Sie sich einmal vor, der Kollege Försterling bekäme als Mitglied des Kultusausschusses und Steuerinspektor a. D. fortan 300 Euro weniger, ich als ausgebildete Lehrerin bliebe bei den 6 000 Euro und Herr Poppe als ehemaliger Leiter eines Gymnasiums bekäme 300 Euro oben darauf!

(Heinrich Aller [SPD]: Da würde er sich freuen!)

Das ist natürlich ein völlig absurder Vorschlag. Aber das ist die Situation, die wir an den Schulen haben. Die angestellten Lehrkräfte werden nach den Richtlinien der Tarifgemeinschaft der Länder gemäß ihrer Qualifikation eingruppiert. Ihre Aufgaben sind aber grundsätzlich identisch. Die Lehrerinnen und Lehrer geben selbstverantwortlich Unterricht, verteilen Noten und urteilen über das Sitzenbleiben, über Schulempfehlungen und vieles mehr. Manche bilden auch den Lehrernachwuchs aus. Eine kleine Gruppe der Lehrkräfte, die die gleichen Aufgaben hat, bekommt 4 % weniger Gehalt.

Das sind zum einen Lehrkräfte, die in der DDR geboren und dort ausgebildet wurden. Sie hatten keine Möglichkeit, eine Ausbildung nach niedersächsischen Standards zu bekommen und müssen nun jahrzehntelang dafür büßen, indem sie hier den Lehrermangel mildern und dabei Abstriche beim monatlichen Einkommen und bei der Altersvorsorge hinnehmen müssen. Das ist nicht fair. Die sogenannten Unterstufenlehrkräfte werden in die Entgeltgruppe 10 eingruppiert, die Grundschullehrer aus Niedersachsen in die Entgeltgruppe 11. Das ist ein Bruttolohnunterschied in der Stufe 1 von 100 Euro oder knapp 4 %.

Zum anderen sind es Lehrkräfte, die ihre Qualifikation im Ausland erworben haben, die in Niedersachsen nicht als gleichwertig anerkannt wird. Das mag im Einzelfall durchaus richtig sein. Ich beantrage nicht, dass jede Lehramtsberechtigung aus jedem Teils dieser Erde automatisch anerkannt wird. Aber wenn sie nicht als gut genug erachtet werden, müssen sie Angebote zur Nachqualifizierung erhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen die Frage beantworten, warum Sie diese angeblich schlechteren Lehrerinnen und Lehrer eigenverantwortlich in die Klassen schicken. Entweder haben sie ausreichende Qualifikationen für den Unterricht oder nicht. Wenn sie ausreichendes Wissen haben, muss grundsätzlich gelten: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ihr Wissen nicht ausreicht, muss nachqualifiziert werden, als Übergang gegebenenfalls auch berufsbegleitend.

Wir hatten im Landtag die Petition einer Lehrerin mit DDR-Ausbildung, die inzwischen selber Lehrernachwuchs ausbildet. Damit sie dieselbe Bezahlung wie ihre Kolleginnen und Kollegen bekommt, wurde ihr von der Landesregierung dazu geraten, noch einmal die Schulbank zu drücken, weil eine berufsbegleitende Nachqualifikation nicht machbar sei, da ihre Grundausbildung zu schlecht sei. Meine Damen und Herren, das ist absurd! Diese Lehrerin bildet selber Lehrer aus.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Um diese Ungerechtigkeiten zu beheben, schlagen wir drei Schritte vor:

Erstens. Um eine sofortige Besserstellung für einen kleinen Kreis zu erreichen, schauen wir nach Berlin. Dort gilt die gleiche Bezahlung immerhin für Lehrkräfte im herkunftssprachlichen Unterricht; denn hier können die ausländischen Lehrkräfte eine besondere Qualifikation vorweisen, nämlich die Sprache.

Zweitens. Derzeit findet die Eingruppierung weniger anhand von Tätigkeiten, sondern mehr anhand von Qualifikationen statt. Um innerhalb dieses Systems zu einer Verbesserung zu kommen, verlangen wir eine Einzelfallprüfung mit konkreten Angeboten für jede benachteiligte Lehrkraft.

(Beifall bei der LINKEN)

Welche bestehende Qualifikation kann vielleicht noch angerechnet werden, um eine Höhergruppierung zu erreichen? Welche Qualifikation wird benötigt und kann wie erreicht werden, um die Benachteiligung aufzuheben? - Das sollte bei der Prüfung geklärt werden.

Drittens geht es darum, den Ansatz der Bezahlung ganz grundsätzlich zu überdenken und zukünftig dem Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu folgen. Dafür müssen die TdL-Richtlinien überar

beitet werden, was nur im Verbund geht. Aber Niedersachsen sollte hier die Initiative ergreifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn es geht um ein Menschenrecht. Ich zitiere aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 23 Abs. 2:

„Jeder, ohne Unterschied, hat das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.“

Dieses Menschenrecht gilt derzeit nicht an niedersächsischen Schulen. Das wollen wir ändern.

Meine Damen und Herren, im frühkindlichen Bereich hat der Kultusminister zusammen mit seiner Kollegin Özkan aus dem Sozialministerium eine Initiative für mehr interkulturelle Kompetenz und mehr Erzieherinnen und Erzieher mit Migrationshintergrund gestartet. Ich denke, das gilt auch für unsere Schulen. Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund. Diese Lehrkräfte müssen entsprechend ihrer Tätigkeit fair behandelt werden, genauso wie die in der ehemaligen DDR ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen. Das heißt zuallererst: gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Dr. Lesemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. So lautet eine bekannte Redensart. Sie trifft auch auf die geübte Praxis ungleicher Bezahlung für gleiche Arbeit im niedersächsischen Schuldienst zu. Der Grundsatz „gleiche Arbeit, gleiches Geld“ findet hier keine Anwendung. Und das, meine Damen und Herren, kritisieren wir.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Den Betroffenen brennt das Thema unter den Nägeln, und es herrscht große Verbitterung über die Ungleichbehandlung. Sie hat mit dem Sonderweg der westdeutschen Lehrerausbildung zu tun, die ihrerseits auf den Merkwürdigkeiten des westdeutschen gegliederten Schulsystems beruht. So wenig

wie andere Länder ein gegliedertes Schulsystem kennen, so wenig ist bei ihnen die Zwei-FachLehrerausbildung bekannt. Rumänien ist das einzige Land in der EU, das Zwei-Fach-Lehrer und -Lehrerinnen ausbildet und in dem die Ausbildung mit Prüfungen abgeschlossen wird, die einem Staatsexamen vergleichbar sind. Warum auch sollte die Anerkennung einer ausländischen Lehrqualifikation einfacher sein, wenn schon ein Wechsel zwischen einzelnen Bundesländern mit deutschen Qualifikationen ein Hürdenlauf ist, meine Damen und Herren?

Bisher vertritt die Landesregierung den Standpunkt, die Gleichwertigkeit mit der hiesigen Lehramtsausbildung sei aufgrund der unterschiedlichen Studienstrukturen in den einzelnen Ländern in der Regel nicht gegeben. Dort umfasst ein Lehramtsstudium meist nur ein Unterrichtsfach. Mitunter fehlt dort auch eine dem Vorbereitungsdienst ähnelnde schulpraktische Ausbildung.

Im Fall der Lehreranerkennung wird besonders deutlich, dass bei Anerkennungsverfahren nicht immer geprüft wird, wie kompetent jemand in seinem Beruf ist. Stattdessen stehen formale Vorgaben der Prüfungsordnung im Zentrum des Verfahrens. Deutschland wurde von der Europäischen Kommission und auch vom Europäischen Gerichtshof mehrfach wegen seiner harten Haltung in der Frage der Lehreranerkennung kritisiert. Insbesondere das Bestehen auf zwei Fächern, das mit Ausnahme von Rumänien - ich erwähnte es - bei Lehrerausbildungen nicht üblich ist, stößt auf Unverständnis.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Grundsatz der Lohngleichheit muss allerdings auch für Lehrkräfte gelten, die nach DDR-Recht ausgebildet worden sind und inzwischen mehr als 20 Jahre lang die gleiche Tätigkeit ausüben wie ihre in den alten Bundesländern ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen.

Bevor wir allerdings Lösungen im Detail diskutieren, benötigen wir genauere Zahlen über das Ausmaß des Problems: Aus welchen Ländern stammen die betroffenen Lehrkräfte? Worin unterscheidet sich die dortige Ausbildung von der hiesigen? Wie wird in anderen Bundesländern mit diesem Thema umgegangen? - Wir wollen auch wissen, wie es um Nachqualifizierung an den Hochschulen und in den Studienseminaren bestellt ist. Noch gibt es hierzu keine statistischen Auskünfte, wie wir aus einer Anfrage der Grünen aus dem

Jahre 2009 wissen. Es ist Zeit, dass solche Erhebungen stattfinden.

Bei der Eingruppierung von Lehrkräften in Niedersachsen sind die Vorgaben der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, der TdL, zu beachten. Uns interessiert deshalb sehr, ob und wie sich Niedersachsen bei der Tarifgemeinschaft der Länder für eine Gleichbehandlung einsetzen wird.

(Beifall bei der SPD)

Angesichts des allseits bekannten Fachkräftemangels, der in den Lehrämtern auch einen Mangel an bestimmten Fächern darstellt, insbesondere einen Mangel an Pädagogen für Fächer wie Mathematik, Naturwissenschaften und Technik, aber auch für Sprachen wie Spanisch, kann es sich Niedersachsen nicht länger leisten, durch ungleiche Bezahlung dafür zu sorgen, dass qualifiziert ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern die Tür vor der Nase zugeschlagen wird.

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Korter. Bitte!