Protokoll der Sitzung vom 28.06.2011

(Jens Nacke [CDU]: Herr Adler, sagen Sie doch einmal etwas dazu! Wollen Sie auch das Strafgesetzbuch aufhe- ben?)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, Sie haben eben mehrfach den Begriff „Verantwortung“ benutzt; die Hochschulen würden doch verantwortungsvoll mit dem Geld umgehen usw. Ich sage Ihnen: Ein Vormund geht auch verantwortungsvoll mit seinem Geld um.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Der wird auch gegängelt!)

Trotzdem schreibt ihm das Bürgerliche Gesetzbuch vor, dass er das Geld nur mündelsicher anlegen darf.

(Beifall bei der LINKEN)

Zwischen verantwortungsvollem Umgang mit Geld, das ihm nicht gehört, sondern das anderen gehört, und der Kontrolle durch ein Gesetz, das ihm vorschreibt, dass er es nur mündelsicher anlegen darf,

(Christian Grascha [FDP]: Das ist aber nicht das, was hier drinsteht!)

besteht überhaupt kein Gegensatz. Das sollte Ihnen doch einmal klar sein.

Was wir hier fordern, ist nicht mehr und nicht weniger, als dass die gleichen Kriterien angelegt werden, die auch das Bürgerliche Gesetzbuch bei der Anlage von fremdem Geld anlegt.

Zur Aufgabe einer Hochschule gehört es nicht, das Vermögen durch Aktienspekulationen zu vermehren - mit dem Risiko, Verluste zu verzeichnen. Ihre Aufgaben liegen vielmehr im Bereich Wissenschaft, Forschung und Ausbildung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie sagen, dass da nichts passieren kann, weil man ja nur warten muss, bis die Aktienwerte wieder steigen - dieses Argument habe ich eben auch gehört -, kann ich nur sagen: Das ist ja wirklich toll! Dann sagen Sie doch auch jedem Bürger, er solle sein Geld in Aktien anlegen, weil da überhaupt nichts passieren kann. - Mir ist unbegreiflich, wie man so etwas sagen kann.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Im Ergebnis führt das mindestens dazu, dass die Hochschule ein Liquiditätsproblem bekommt, wenn sie Geld ausgeben muss, dies aber nicht darf, weil sie warten muss, bis die Aktienwerte wieder steigen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Als Nächste hat Frau Dr. Andretta das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Frau Kollegin, ich bedauere sehr, dass der Innenminister nicht anwesend ist. Ich hätte ihn nämlich gerne gefragt, was er eigentlich davon hielte, wenn die Kommunen mit liquiden Mitteln so umgingen und spekulierten. Dann gäbe es hier doch große Proteste.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Gute Frage! - Klaus Rickert [FDP]: Das ma- chen die doch schon! Haben Sie schon einmal etwas von Cross-Bor- der-Leasing gehört?)

Der entscheidende Punkt ist: Es gibt eine Zweckbindung für diese Mittel, übrigens, Frau von BelowNeufeldt, auch für die Studiengebühren. Dass Sie hier gefragt haben „Was sollen die armen Hochschulen denn mit den 100 Millionen Euro machen? - Die müssen sie doch zur Börse tragen“, zeigt, wes Geistes Kind Sie sind und dass die Studiengebühren abgeschafft gehören.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Frau von Below-Neufeldt möchte antworten. Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Zunächst möchte ich auf die Einlassung von Frau Dr. Heinen-Kljajić eingehen und mich für das Lob bedanken. Aber wahrscheinlich, Frau Dr. Heinen-Kljajić, haben Sie nicht gehört, dass ich gesagt habe, dass die Hochschulen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften agieren müssen und dass diese Vorschriften längst erlassen sind. Ich habe auch davon gesprochen, dass ein nomineller Buchverlust eingetreten ist, jedoch kein realer. Ich frage Sie: Wo sollen Hoch

schulen eigentlich noch Geld anlegen? - Ein Verlustrisiko gibt es nämlich überall.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber das ist doch unterschiedlich! Das wissen auch Sie!)

Zu Herrn Adler möchte ich sagen: Die Verantwortung liegt bei den Hochschulen, und das soll selbstverständlich auch so bleiben, aber eben innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Das habe ich in meiner Rede ganz deutlich gemacht. Mündelsicherheit wird nirgendwo verlangt, und das wollen wir auch nicht. Stiftungsuniversitäten müssen frei sein.

Die Kernfrage ist nach wie vor: Was soll eigentlich noch erlaubt sein? - Es herrschen die Marktgesetze. Bei den großen Summen, die zur Verfügung stehen, muss Geld zwischendurch angelegt werden, damit es nicht der Inflationsrate zum Opfer fällt.

(Lachen bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich glaube, das reicht an Ausführungen dazu.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächste hat sich Frau Ministerin Wanka zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, alle hier im Raum trauen unseren Hochschulen sehr viel zu, wenn es um die Wissenschaft geht, wenn es um Forschung und Lehre geht. Dieses Vertrauen scheint aber sehr stark reduziert zu sein - ich habe dazu gerade drastische Vokabeln vernommen -, wenn es um die Frage geht, ob Hochschulen wirtschaftlich denken und verantwortungsvoll handeln können.

Was die Anlage von Studienbeiträgen, Stiftungsgeldern etc. angeht, befinden wir uns allerdings nicht in einem regelungsfreien Raum; denn dieser Bereich ist im NHG geregelt. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem diese Regelung verändert werden soll.

Ich habe schon im Januar gesagt, dass diese Frage nicht trivial ist. Auch aus meiner Sicht ist es

völlig legitim zu überlegen, ob das, was wir seinerzeit festgelegt haben, gerade auch nach den Erfahrungen mit der Finanzkrise noch zeitgemäß ist.

Ich bin auch froh und möchte mich dafür bedanken, dass wir im Rahmen der Ausschussbefassung eine Anhörung durchgeführt haben, weil wir so die verschiedenen Meinungen erfassen konnten.

Herr Perli, ein Minimum an Fairness muss aber schon sein! Sie können doch nicht einfach sagen, 18 Hochschulen seien mit Ihrem Gesetzentwurf einverstanden -

(Victor Perli [LINKE]: Nein!)

- meinetwegen 17 -, obwohl Sie nur die Landesrektorenkonferenz als Repräsentantin aller Hochschulen, die Stiftungshochschulen und den Landesrechnungshof angefragt haben. Die anderen Hochschulen haben Sie nicht dezidiert angefragt, und deswegen können sie auch nicht einfach vereinnahmt werden.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte meine Rede gerne erst fortsetzen. Danach können wir dann diskutieren.

Ich finde es gut, dass wir im Rahmen dieser Anhörung ein Votum der Landesrektorenkonferenz erhalten haben. Diese ist ja nicht irgendwer, sondern sie ist die Repräsentantin der niedersächsischen Hochschulen. Die Landesrektorenkonferenz sagt - ich zitiere -, der Gesetzentwurf stehe im Widerspruch zu einem zeitgemäßen Verständnis von Hochschulautonomie, insbesondere auch mit Blick auf die herausgehobene Eigenverantwortung der die Hochschulen tragenden Stiftungen für einen effizienten Einsatz der ihnen überlassenen Mittel. - Zitatende.

Die Hochschulrektorenkonferenz - also die Vertretung aller Universitäten in Deutschland, nicht nur die der niedersächsischen Universitäten - hat kürzlich festgestellt - und das muss man ernst nehmen -, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland viele Jahre zu verzeichnen hatten, in denen es bei den Hochschulen einen Zuwachs an Autonomie gab, dass es jetzt aber an unterschiedlichen Stellen Bewegung gibt, diese Autonomie wieder einzuschränken.

Autonomie, meine Damen und Herren, heißt in ganz starkem Maße auch Finanzautonomie. Die Finanzautonomie ist ein Kernstück des Hochschulwesens; denn über Geld geht an den Hochschulen sehr viel. Dabei wird gerne vergessen, dass Freiheit zu geben auch bedeutet, von den Hochschulen Eigenverantwortung zu erwarten und diese zu stärken.

Meine Damen und Herren auf der linken Seite, im Gegensatz zu Ihnen traue ich es den Hochschulen zu, mit ihrer Finanzautonomie verantwortungsbewusst umzugehen. Das sage ich nicht nur vor dem Hintergrund, dass die meisten Hochschulen ihre Anlagen als Tagesgeld oder Termingeld tätigen,

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Göttin- gen nicht!)

sondern auch im Blick auf die Universität Göttingen.

Wir haben Ihnen in der Antwort auf eine Anfrage das gesamte Anlagespektrum der Universität Göttingen dargestellt: Über welche Rücklagen verfügt sie? Wo hat sie wie viel angelegt? Sind die Anlagen breit gestreut? Zu welchem Nennwert, Kurswert, mit welcher Rendite? - All das ist Ihnen ganz transparent zugearbeitet worden.

Ich bitte Sie, sich einmal anzuschauen, welche Anlagen die Universität Göttignen getätigt hat. Über sie ist hier ja schon fast hetzerisch, wie ich fand, hergezogen worden. Es fielen Vokabeln wie „Zockerei“ usw. Ich denke, über den Gebrauch dieser Vokabeln sollte man sehr genau nachdenken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Universität Göttingen hat seit ihrer Umwandlung in eine Stiftungshochschule, also in den Jahren 2003 bis 2009 - in diesem Zeitraum lag auch die Finanzkrise; wir wissen, was die Finanzkrise z. B. für die Städte und Gemeinden bedeutet hat -, mit ihren Geldanlagen 13,6 Millionen Euro an Zinsen und Erträgen erwirtschaftet. 13,6 Millionen Euro! Frau Andretta, manche Kommune würde sich darüber freuen, wenn sie darüber verfügen könnte.