Auf dieser Grundlage sind wir bereit, das Gebot einer nachhaltigen Finanzpolitik in der Verfassung zu verankern. Darum geht es hier in dieser Diskussion. Nachhaltig heißt für uns, dass man Haushalte konsolidiert, gleichzeitig aber auch in Zukunft investieren muss. Darauf müssen wir Wert legen. Für beides muss Vorsorge getragen werden.
Deshalb wäre es unverantwortlich, die Finanzhoheit des Landes massiv zu schwächen oder gar die Menschen in Niedersachsen schutzlos schweren Krisen auszusetzen. Deshalb fordern wir eindring
lich in dieser Diskussion, dass es zu einer Verankerung von Ausnahmeregelungen bei großen Einnahmeverlusten, z. B. durch Wirtschaftskrisen oder für Sonderausgaben bei Katastrophen, kommen muss.
Meine Damen und Herren, eine Verfassung ändert man nicht einfach mal so im Schnellverfahren. Die Änderung muss sehr gut durchdacht und gut diskutiert sein.
Zuallererst gehört aber auch dazu, dass man sich nicht aus seiner Verantwortung für die Vergangenheit stiehlt. Ich sage es ausdrücklich: Die Schulden der Vergangenheit sind keine CDU- und FDPSchulden, sie sind aber auch keine SPD- und Grünen-Schulden, meine Damen und Herren.
Alle ehemaligen, alle jetzigen und auch alle künftigen Regierungsfraktionen und -parteien haben die Vergangenheit mitzuverantworten, meine Damen und Herren. Wir alle haben Schulden gemacht,
wir alle haben auch Schattenhaushalte und Rücklagen gebildet, und wir alle haben es auch an Klarheit und Transparenz in der Haushalts- und Finanzpolitik missen lassen. Die Erkenntnis tut weh. Aber diejenigen, die jetzt gerade dazwischenrufen, versuchen im Augenblick überhaupt nicht, Verantwortung in einer Regierung zu übernehmen, meine Damen und Herren.
Gerade deshalb sage ich jetzt auch zu Herrn Thümler: Die Einführung eines strikten Schuldenverbots für Zukunft muss zuallererst die Stunde der finanzpolitischen Wahrheit sein. Herr Thümler, wir brauchen eine ehrliche und vollständige Zwischenbilanz, damit sich Parlament und Öffentlichkeit ein klares Bild von der Finanzlage des Landes verschaffen können.
Diese ehrliche Zwischenbilanz kann aber nur die Regierung liefern, meine Damen und Herren. Es gehört nämlich zu den politischen Grundlagen einer Verfassungsänderung, dass in Niedersachsen in Zukunft haushalts- und finanzpolitische Transparenz herrscht. Das müssen neue Zeiten sein, meine Damen und Herren.
Wir brauchen auch, bevor wir beschließen, eine seriöse Folgenabschätzung in Bezug auf das, was wir beschließen wollen. Unsere Anforderung an Sie in dieser Diskussion heißt sehr konkret: Es muss eine komplette Finanzplanung bis zum Jahr 2017 vorgelegt werden. Darin müssen alle staatlichen Aufgaben definiert, priorisiert und mit Ihren Angaben zu ihrer zukünftigen Finanzierung unterlegt werden, meine Damen und Herren. Da ist mehr erforderlich als das, was Sie in dieser Veranstaltung bisher geboten haben.
Frau Geuter hat in einem Zwischenruf schon darauf hingewiesen. Sie reden immer von der Rechnungslegung. Der Landesrechnungshof sagt in seinem Bericht ausdrücklich, dass die derzeitige Mipla auf der Ausgabenseite dramatisch unrealistisch sei. Lassen Sie sich das von ihm bitte sagen, meine Damen und Herren!
(Björn Thümler [CDU]: Das ist doch nicht die Mipla! Das ist etwas ande- res! Das ist der Jahresabschluss 2010, Herr Schostok!)
Das, was Sie in der Diskussion bisher vorgelegt haben, war nur ein simples Balkendiagramm zur Reduktion der Neuverschuldung. Das reicht uns nicht aus, meine Damen und Herren.
Auch Ihre lapidare Aussage, das Ganze ließe sich durch Personalabbau oder durch künftige Mehreinnahmen irgendwie finanzieren, ist zu dünn, meine Damen und Herren. Von Ihnen haben wir kein einziges Wort dazu gehört, wie Sie zukünftig mit Belastungen des Landeshaushalts durch Bundesgesetze umgehen wollen. Wir haben keinerlei Gewähr - auch nicht dadurch, dass Sie das hier behaupten -, dass sich das Land am Ende nicht doch auf Kosten der Kommunen saniert, meine Damen und Herren.
Schulden weg und alles andere regelt ein Gesetz - so einfach dürfen wir uns diese Verfassungsänderung nicht machen. Wir beginnen heute eine Debatte, in der viel mehr gesagt und erklärt werden muss, als heute vielleicht möglich ist.
Die Landesregierung muss ein politisches Konzept zu einer Schuldenbremse vorlegen, meine Damen und Herren. Dazu gehören eine ehrliche Zwi
schenbilanz und eine seriöse Folgenkostenabschätzung. Denn ohne ein solches Konzept wäre das ein dramatischer politischer Blindflug. Den sind wir nicht bereit mitzumachen. Wir sind aber bereit, darüber zu reden, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen und wenn sie wirklich verhandelbar sind. Nur dann ist eine verantwortliche Verfassungsänderung möglich. Nur dann ist die Regelung einer nachhaltigen Finanzpolitik zum Wohle des Landes und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger gestaltbar. Es liegt also zunächst an Ihnen, ob wir gemeinsam Erfolg haben oder ob Sie, meine Damen und Herren, scheitern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Thümler, am Interessantesten an Ihrer Rede fand ich die Hinweise auf den kommunalen Finanzausgleich. Sie sind wahrscheinlich dem nahen Kommunalwahltermin geschuldet; denn bei allem Respekt vor der gewichtigen Funktion eines CDUFraktionsvorsitzenden: Das schöne Wort hier vor dem Plenum wird die Verfassungsrahmenbedingungen natürlich nicht außer Kraft setzen. Diese Bedingungen sind eindeutig.
Auf einer sehr guten Konferenz, die der DGB letzten Freitag veranstaltet hat - auch von der CDU waren einige vertreten; u. a. waren auch der Wirtschaftsweise Herr Bofinger und Herr Dunkel von der NORD/LB da -, rückte genau die Sorge, die Sie ein bisschen weggewischt haben, in den Mittelpunkt, nämlich dass man dann, wenn Sie das ohne weitere Rahmenbedingungen deckeln - Herr Schostok hat darauf hingewiesen -, das Nettokreditverbot nur noch aus der freien Spitze realisieren kann. Zur freien Spitze, die nicht nur durch Bundes- oder andere Gesetze beeinträchtigt ist, gehört ganz zentral der kommunale Finanzausgleich. Deshalb gab es die massive Sorge: Ihr geht uns Kommunen an den Kragen! - Ihre CDU-Abgeordneten, die sich dort zu Wort gemeldet haben, haben keinen Pieps zu dieser Problematik gesagt. Deshalb sage ich in Ergänzung dessen, was Herr
Schostok zutreffend gesagt hat: Wer ohne massive Änderung der Steuerpolitik und ohne Umverteilung von oben nach unten und ohne Lösung der Altschuldenproblematik ein Nettokreditverbot über den niedersächsischen Haushalt verhängt, der plant eine weitere finanzielle Strangulierung unserer Städte und Dörfer! - Das ist der Kernzusammenhang zwischen dem kommunalen Finanzausgleich und diesem Nettokreditverbot.
Allerdings, liebe SPD, haben Sie im Bund diesem unsäglichen neuen Artikel 109 des Grundgesetzes zugestimmt. Dadurch sind Sie jetzt ein bisschen im kurzen Gras. Die Schwierigkeit, die Sie haben, ist ein bisschen selbst verschuldet. Unser Mitleid mit Ihnen hält sich deshalb auch in Grenzen.
(Beifall bei der LINKEN - Heinrich Al- ler [SPD]: Aber die Regelung gilt auch für Sie, Herr Kollege!)
Der Niedersächsische Beamtenbund hat eine Stellungnahme herausgegeben - ich zitiere Herrn Schäfer -:
„Ich erwarte eine breite und nicht unter Zeitdruck stattfindende Diskussion über die Umsetzung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse … Es geht um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, damit verbietet sich jeder Schnellschuss“.
Herr Kollege Sohn, Sie haben eben deutlich darauf hingewiesen, dass auf der Bundesebene die Schuldenbremse in der Verfassung verankert sei.
Natürlich! Wir unterliegen der Verfassung. Damit gilt der Handlungsrahmen. Herr Aller, die eigentlich interessante Frage, die im Übrigen bereits mehrere aufgeworfen habe, ist, warum es nötig ist, unsere Verfassung zu ändern. Sie gehört in den Diskussionskranz mit hinein.
Die Regelung, die in der Verfassung steht, sagt nichts darüber, dass auf der Ebene der Länder die entsprechenden Regelungen - Konjunkturausgleich und alles das, was darin steht; der Artikel 109 ist ja in den Artikel 71 eingeflossen, den Sie ändern wollen - in die Verfassung oder in ein einfaches Gesetz geschrieben werden müssen.
Wir sind der festen Überzeugung, dass ein einfaches Gesetz ausreicht und dass man das nicht in die Verfassung schreiben muss. Aber das gilt natürlich; das ist völlig klar, Herr Aller.