Protokoll der Sitzung vom 13.09.2011

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Kollege Adler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hogrefe, zu Ihrer Kurzintervention konnte ich nicht Stellung nehmen. Nun bin ich aber dran, und von daher will ich Ihnen noch etwas dazu sagen.

Die drei Buchstaben EWE hätte ich an Ihrer Stelle nicht in den Mund genommen; denn dieses Unternehmen ist wirklich kein Beispiel für günstige Stromtarife, sondern ein Beispiel dafür, dass sich ein zu drei Vierteln kommunales Unternehmen wie ein kapitalistischer Konzern verhält. Das liegt an der Geschäftspolitik der EWE, die wir immer kritisiert haben. Wir wollen, dass sich die EWE auf ihre Aufgaben als Regionalversorger zurückbesinnt und nicht länger die gegenwärtige Unternehmensstrategie betreibt, nämlich so zu sein wie die vier Großen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kritik an der kapitalistischen Marktwirtschaft mündet häufig in das Argument, dass sie die Akkumulation und Konzentration des Kapitals vorantreibt, sodass die Tendenz besteht, immer neue Oligopole und Monopole zu bilden. Als Gegenargument wird dann immer auf das Kartellrecht verwiesen; das Kartellrecht würde diese Auswüchse begrenzen.

Wie aber ist die Situation auf dem Strommarkt? - E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall beherrschen 80 % der Stromerzeugung. Sie kontrollieren die Übertragungsnetze. Sie haben auch einen bestimmenden Einfluss auf viele kommunale Unternehmen, darunter auch auf Stadtwerke, an denen

sie beteiligt sind. Sie sorgen dafür, dass die Strompreise für den Endverbraucher steigen, während die im Einkauf gesunken sind. Den Verbrauchern wurde auf diese Weise 2 Milliarden Euro entzogen. Das beweist: Der Markt kann es nicht richten, und die Wettbewerbskontrolle in diesem Bereich funktioniert nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun kam von den Regierungsfraktionen der Einwand, das Bundeskartellamt habe doch im Januar 2011 festgestellt, dass keine Preisabsprachen vorlägen. Diese Feststellung ist aber nichts weiter als eine Bewertung des Zustandes. Man kann auch zu anderen Ergebnissen kommen. Man kann auch abgestimmtes Verhalten analysieren. Wenn dem so ist, wäre es meines Erachtens Aufgabe der Landeskartellbehörde, bei der Bundeskartellbehörde vorstellig zu werden und sie auf die Dinge aufmerksam zu machen, die sie übersieht. Das aber tut sie nicht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die gesetzliche Grundlage dafür ist § 50 c des Gesetzes über Wettbewerbsbeschränkungen. Dort heißt es ausdrücklich, dass die Kartellbehörden - die Landes- und Bundeskartellbehörden - zur Zusammenarbeit verpflichtet sind. Ich frage mich aber: Wo ist die Zusammenarbeit? Wo war Herr Bode beim Bundeskartellamt? Wo hat er sich beschwert? Wo hat er auf der Matte gestanden und gesagt: „So geht das aber nicht, hier funktioniert der Wettbewerb nicht, und hier müsst ihr eingreifen.“? - Er hat nichts gemacht. Er war sogar froh darüber, dass die anderen nichts machen; denn von daher brauchte auch er nichts zu machen. Das ist die Situation.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich abschließend nur noch eines sagen: Strompreise betreffen jeden und sind Bestandteil der Daseinsvorsorge. Sie gehören in öffentliche Hand und öffentlich kontrolliert. In dem Bereich brauchen wir Sozialtarife, aber nicht die Tarife, die gegenwärtig von Monopolisten und Oligopolisten zulasten der Verbraucher einseitig bestimmt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat das Wort Frau Kollegin König für die FDPFraktion. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir ist nicht ganz klar, was die Grünen mit ihrem Antrag eigentlich erreichen wollen. Es soll hier wohl um die Prüfung möglicher Preis- und Gebietsabsprachen der vier großen Energiekonzerne gehen - so viel haben wir eben ja auch gehört -, die nach den Unterstellungen der Grünen von der Landesregierung weder überwacht noch sanktioniert werden. Diese Konzerne - E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall - unterstehen aber nicht der Landeskartellbehörde, sondern wegen ihrer länderübergreifenden Marktstruktur dem Bundeskartellamt. Deshalb ist hierfür das Bundeskartellamt zuständig. Das Bundeskartellamt hat seine Prüfungen auch vernünftig durchgeführt.

In diesem Zusammenhang wäre es sicherlich auch einmal interessant zu hören, wie Grün-Rot in Baden-Württemberg als Eigner von EnBW - mit einem Anteil von immerhin 47 % - damit umgeht. Aber dort herrscht einvernehmliches Schweigen.

Das Bundeskartellamt hat schon im November 2009 nach eingehender Prüfung festgestellt, dass kein Missbrauch vorliegt. Es gibt laut Bundeskartellamt für den Grundversorgungstarif keinen netzbetriebsbezogenen Strompreis mehr, sondern einen zunehmenden Wettbewerb von ca. 30 alternativen Stromlieferanten pro Netzgebiet. Eine Missbrauchsaufsicht ist somit nach den §§ 19, 20 und 29 des GWB nicht mehr einschlägig. Das müssen Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen. Dieser Auffassung schließt sich das Landeskartellamt an. Es ist also durchaus beteiligt gewesen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Meine Gü- te, Sie sind ja blauäugig!)

Auch ein kartellrechtswidriges Verhalten in Bezug auf Erzeugungs- bzw. Kraftwerksebene kann nach einer Prüfung des Bundeskartellamtes, die im Januar nach Auswertung der letzten zwei Jahre abgeschlossen wurde, nicht festgestellt werden.

Meine Damen und Herren, nach einer abgeschlossenen Prüfung, die ohne Beanstandungen verlief, kann es nicht unsere Aufgabe sein, den Stromkonzernen vorzuschreiben, wie sie ihre Unternehmen gewinnbringend führen sollen. Darüber sollten Sie sich besser einmal mit den Aktionären unterhalten.

(Rolf Meyer [SPD]: Ja, so wie Sie mit den Verbrauchern!)

Wenn Sie den Verbraucher vor zu hohen Energiepreisen schützen möchten, sollten Sie Ihr Augen

merk auf die hohe Besteuerung der Energie bzw. auf die Zusammensetzung des Strompreises lenken. Das habe ich Ihnen schon beim letzten Mal nicht nur verbal, sondern auch anhand eines Showplanes klar und deutlich aufgezeigt. Ich glaube, das haben Sie aber schon wieder vergessen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ach, die armen Energiekonzerne!)

Seit 1998, als Rot-Grün an der Macht war, sind die Abgaben auf den Strompreis um 90 % gestiegen. Heute erhält der Staat einen Anteil von immer noch 40 % jeder Stromrechnung für einen durchschnittlichen Haushalt. Darauf hätte die Politik einen direkten Einfluss. Beim Mineralkraftstoff - darauf will ich jetzt aber nicht weiter eingehen - haben wir mit der Mineralölsteuer und der Ökosteuer sogar eine Doppelbesteuerung. Auch hier also eine zusätzliche höhere Besteuerung, von Rot-Grün eingeführt! Wir erinnern uns: „Rasen für die Rente“.

Im Auge behalten müssen wir hingegen die Durchleitungskosten. Diese machen gerade neuen Anbietern häufig Probleme. Der jährliche Monitoringbericht der Bundesnetzagentur gibt hierüber genaue Auskunft; insbesondere über die Wettbewerbssituation. Auch hier untersucht das Bundeskartellamt im Zweijahresrhythmus und gibt Sondergutachten zu den Energiemärken ab. Der schnelle Umstieg auf die regenerativen Energien wird nicht gerade die Kosten senken können, im Gegenteil. Mithin ist es wesentlich wichtiger, Energie zu sparen, den Bürger dabei zu unterstützen und ihm dafür geeignete Programme zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön, Frau König. - Zu einer Kurzintervention auf Frau König hat sich Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau König, meiner Erinnerung nach ist Ihre Partei früher immer für Wettbewerb und Marktwirtschaft eingetreten. Mich wundert, dass Sie sich diesem Thema so völlig verweigern und sich auch weigern, dem Landtag ein bisschen mehr Informationen an die Hand zu geben, die Situation zu prüfen, sich die unterschiedlichen Berichte anzugucken, um Aufschluss darüber zu bekommen, welche Erkenntnisse das Bundeskartellamt, die Mo

nopolkommission und das Landeskartellamt haben. Ich stelle fest, dass es sich lohnt, sich damit zu beschäftigen.

Vielen Bürgerinnen und Bürgern im Land sagt ihr gesunder Menschenverstand, dass irgendetwas nicht stimmen kann, wenn die Einkaufspreise sinken, die Preise, die jeder Haushalt auf der Rechnung sieht, aber gleichzeitig steigen. Es lohnt sich, hier hinzugucken. Ich empfehle gerade Ihrer Partei, sich mit diesem Thema etwas genauer auseinanderzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin König möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten.

Herr Wenzel, selbstverständlich sind wir für Wettbewerb auf dem Markt, und zwar überall. Wir müssen aber auch ordnungspolitisch eingreifen, wenn irgendetwas nicht ganz stimmt. Diese Ordnungspolitik haben Sie doch in der Vergangenheit immer von uns gefordert. Sie haben doch gesagt: Neoliberalismus darf überhaupt nicht stattfinden. Die Wirtschaft muss auch eine Ordnung haben. - Genau das sehen wir hier gewährleistet.

Ich bin nicht der Meinung, dass wir das Bundeskartellamt in der Art und Weise abqualifizieren sollten, wie das die Vorredner hier zum Teil getan haben.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das habe ich gar nicht gemacht!)

Ich bin der Meinung, dass vom Bundeskartellamt - das zeigen auch etliche Beispiele aus der Bauwirtschaft, der Zementindustrie und weiß der Geier woher überall; ich muss ja nicht alles aufzählen - in der Vergangenheit an vielen Stellen Missstände aufgezeigt worden sind. Und ich bin mir 100-prozentig sicher: Gerade beim Strommarkt hätten wir dann, wenn dort etwas nicht in Ordnung wäre, längst darüber Kenntnis erhalten.

Ich bin auch ganz sicher, dass die Landeskartellbehörde daran interessiert ist, mit dem Bundeskartellamt zusammenzuarbeiten, und dass man sich bei der Landeskartellbehörde auch die Untersuchungen, die dort stattgefunden haben, mit den ganzen Berichten, die dazu entstanden sind, und den Sachverständigengutachten genauestens angeguckt hat.

Wie schon gesagt, der Strompreis setzt sich aus ganz vielen unterschiedlichen Elementen zusammen, sodass wir am Ende für den Preis, den wir letztendlich bezahlen, nicht nur die Stromkonzerne in Haftung nehmen können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin König. - Das Wort hat nun von der Landesregierung Herr Minister Bode. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den richtigen Ausführungen von Frau König und Herrn Hoppenbrock kann ich es relativ kurz machen.

Der Entschließungsantrag, der vorgelegt worden ist, bezieht sich im Wesentlichen auf Auskünfte, die beim Bundeskartellamt einzuholen sind, weil das Bundeskartellamt, wie gesagt, tatsächlich die Zuständigkeit für die überregional tätigen Konzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall hat. Die Kompetenzverteilung ist nun einmal so. Das kann man vielleicht kritisieren; wir können es aber nicht ändern. Wir können uns nicht einfach diese Kompetenz nehmen und statt des Bundeskartellamts entsprechend tätig werden.

Wir arbeiten aber natürlich mit dem Bundeskartellamt zusammen. Ich kann Ihnen sagen, dass es auch im Bundeskartellamt engagierte Mitarbeiter gibt, die sich dem Wettbewerb verpflichtet fühlen und alle Möglichkeiten anwenden, die sie in ihrem Instrumentenkasten haben.

Ich möchte allerdings noch einen Punkt als neue Information ergänzen. Die Landeskartellbehörde hat in den letzten Wochen für einen Bericht zur Wettbewerbssituation auf dem Gasmarkt eine umfassende Datenerhebung durchgeführt. Wir haben uns bemüht, nach Möglichkeit dem Wunsch von Herrn Wenzel Genüge zu tun und bei der Abfrage der Daten für das Gas auch einen Rückschluss auf die Daten beim Strom zu bekommen. Es sieht so aus, dass uns dies gelungen ist und wir Ihnen in Kürze einen aktualisierten Bericht zur Wettbewerbssituation - aber auch nur zur Wettbewerbssituation - auf dem Strommarkt in Niedersachsen als Update des 2008er-Berichtes zur Verfügung stellen können.

Die ersten Erkenntnisse, die wir bei dieser Abfrage, die wir mit durchgeführt haben, gewonnen haben, sind folgende: Es hat sich im Prinzip der Trend, der 2008 bestand, fortgesetzt. Das heißt, der Wettbewerb hat sich dahin gehend verbessert, dass wir tatsächlich einen Zuwachs bei der Zahl der Anbieter für den Bürger in Niedersachsen haben. Das bedeutet: Obwohl wir auch regionale Teilmärkte haben, kann der Niedersachse im Durchschnitt unter 56 Stromanbietern wählen.

Wir haben aber ebenfalls festgestellt, dass trotz dieses größeren Auswahlangebotes der tatsächliche Wechsel, also die Nutzung der Marktmacht durch den Verbraucher, nicht so stattfindet, wie man es eigentlich bei einer derartigen Anbietervielzahl erwarten würde. Das ist das gleiche Ergebnis, das auch im 2008er-Bericht stand. Das heißt, es gibt eine ganz hohe Kundenbindung zu den Stadtwerken vor Ort - unabhängig von der Frage, ob im Wettbewerb ein anderer Anbieter in der individuellen Situation einen günstigeren Preis hätte oder nicht hätte. - Das sind die Erkenntnisse, die wir daraus gewinnen.

Wir werden den 2008er-Bericht jetzt entsprechend updaten und Ihnen zur Verfügung stellen. Dann müssen wir gemeinsam überlegen, welche Rückschlüsse man aus dieser Situation - eine Verbesserung der Anbietersituation, aber keine Verbesserung der tatsächlich ausgeübten Marktmacht im Wettbewerb durch den Verbraucher - zieht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)