Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, meine Damen und Herren. Dieses Lager ist erst zu einem Viertel gefüllt, das Landesamt errechnet eine Grenzwertüberschreitung, und das für die Atomaufsicht zuständige Ministerium teilt mit, dass es eine denkbare Maßnahme sei, den hochradioaktiven Müll von der amtlichen Messstelle weg in eine andere Ecke des Lagers zu stellen. Das ist schon ein sehr, sehr merkwürdiger Vorgang.
Hierbei handelt es sich um eine kerntechnische Anlage, die nach Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung sehr detaillierten Regelungen unterliegt.
Und es kommt noch schlimmer: Am Abend des 30. August wird abends um 19 Uhr eine kurze Pressemitteilung aus dem Ministerium veröffentlicht. Darin heißt es in einem Nebensatz:
„Ergänzend hat der Betreiber darauf hingewiesen, dass er im Juli 2011 bereits eine Umlagerung von Behältern vorgenommen hat. Dies... wird tendenziell zu einer Reduktion der extrapolierten Strahlendosis führen.“
Mit anderen Worten: Die Maßnahme, die vom Umweltministerium als Möglichkeit für die Zukunft erwähnt wurde, ist bereits durchgeführt worden, und zwar kurz nach Bekanntwerden der hohen Strahlenwerte. Wieder ohne Information der Bevölkerung und ohne Information des Landtags! Und im Nachhinein beruft man sich auf einen Brief vom April und auf Geheimschutz.
Herr McAllister, Sie haben sich neulich in einem bayerischen Bierzelt als Liebhaber der klaren deutschen Aussprache empfohlen. Wenn das der neue Stil sein soll - wir können das auch. Uns stinken diese Manipulationen und Mauscheleien in der Landesregierung.
Herr Kollege Wenzel! Herr Kollege Wenzel, ich unterbreche jetzt einmal. Es ist schon ein erheblicher Unterschied, ob Äußerungen in einem Zelt oder im Niedersächsischen Landtag getätigt werden. Ich bitte, dass Ihre Wortwahl dementsprechend ausfällt.
Die vom Betreiber beantragte maximale Dosis liegt bei 0,3 mSv, und die wird laut Strahlenprognose überschritten. Das hat das NLWKN festgestellt. Das heißt, der Einlagerungsbetrieb und die Verladung der Container in La Hague ist zu unterbrechen.
Wenn Sie das nicht tun, ist das eine Missachtung geltenden Rechts, und das wird auch juristische Konsequenzen haben.
Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie: Schaffen Sie jetzt endlich die Voraussetzungen für einen politischen Prozess. Sagen Sie den kommenden Castortransport ab. Das wäre der erste und entscheidende Schritt für einen Neubeginn bei der Endlagersuche und für die Diskussion des Briefes, den Sie vorgelegt haben. Aber es ist nicht denkbar, dass dieser Transport in diesem Herbst stattfindet und dass damit diesen Gesprächen schon zuvor die Grundlage entzogen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider muss ich meine drei Beiträge zu diesem Thema getrennt halten. Sie gehören aber zusammen.
Teil 1: Am 27. Juni 1998 forderte die CDU-Kreistagsfraktion in Lüchow-Dannenberg rückhaltlose Aufklärung wegen Grenzwertüberschreitungen beim Castortransport. O-Ton CDU damals:
„Die Menschen in der Bundesrepublik lehnten die friedliche Nutzung der Kernenergie nicht ab. Sie müssten sich aber darauf verlassen können, dass alle Sicherheitsvorschriften eingehalten würden. Deshalb sei auch eine bessere Überwachung der Kernkraftbetreiber notwendig.“
Gut gebrüllt, christlich-demokratischer Löwe! Aber jahrelang fuhren Castorbehälter durch die Gegend, bis man an der Oberfläche Grenzwertüberschrei
tungen um bis zum 2000-Fachen fand - das so genannte Weeping-Phänomen -, übrigens mit Wissen von deutschen Behörden, die aber nicht die Öffentlichkeit informierten. Der Tipp kam aus Frankreich.
Danach fuhr der Castor drei Jahre nicht ins Wendland. Zum Weinen war aber, dass die Ursachen nie richtig geklärt wurden, nur besser abgewischt, oder sagen wir mal: verwischt. Mehr Gärtner war ein Bock wohl selten als im Umgang mit Atommüll. Und daneben eine Aufsicht mit nach innen verspiegelter Brille, immer auf der Seite der Betreiber. Das hat die Bevölkerung nicht vergessen: nicht den Transnuklear-Skandal mit plutoniumhaltigen, falsch deklarierten Fässern, nicht die Blähfässer, nicht defekte Druckschalter an den Castorbehältern.
1991 kippte im Wendland die sichere CDUMehrheit, die den ganzen Atommüll nach Gorleben geholt hatte, gut geschmiert durch Akzeptanzgelder, wie der Volksmund heute noch sagt. Davon hat sich die CDU bis heute nicht erholt, im Gegenteil: Letzten Sonntag gab es an der Urne eine Vollklatsche ohnegleichen. Nur noch 30 % blieben übrig, noch einmal 12 % und ein Viertel der Mandate verloren, und das trotz Aufweichungserscheinungen einzelner Parteigänger.
Das, Herr Ministerpräsident, versteht eben kein Wähler: diesen Slogan „Dagegen war gestern“, und dann doch kaltblütig am Endlager weiterbauen.
Seit 1991 gibt es beim Kreistag den Fachausschuss Atomanlagen/Katastrophenschutz: ein öffentliches Gremium - im Gegensatz zum Umweltausschuss des Landtags, wo Sie das ja immer noch verhindern. Dank der klugen Wahlentscheidung der Lüchow-Dannenbergerinnen wird es auch weiter so sein, dass die massiv gestärkte Gruppe X im Kreistag dafür sorgen wird, dass dort kompetente Aufklärung stattfindet.
So wie in Kürze, wenn in einer Sondersitzung die geladenen Vertreter von NMU, NLWKN, PTB und GNS erklären sollen, warum die Betreiberfirma GNS, die Gesellschaft für Nuklear-Service, jahrelang unbehelligt Strahlungswerte hinrechnen konnte, wie es passte, um den in der Betriebsgenehmigung festgelegten Grenzwert einzuhalten.
Meine Damen und Herren, im Wendland gibt es die Fachgruppe Radioaktivität. Darin arbeiten Atomphysiker, Ingenieure und fachkundige Laien seit Jahrzehnten kompetent an den Strahlenproblemen in Gorleben. Letzten Freitag zerpflückten Referenten der Fachgruppe auf einer höchst spannenden Veranstaltung das ganze geschönte Zahlenwerk der GNS nach Strich und Faden. So stelle ich mir Atomaufsicht vor, meine Damen und Herren.
Die Vortragenden erläuterten die unseriöse Beweissicherung in Gorleben, wo versäumt wurde, eindeutige Referenzwerte der natürlichen Strahlung vor Ort zu ermitteln. Die werden von den gemessenen Werten abgezogen, um die zusätzliche Strahlung durch die Castoren aus der offenen Halle zu ermitteln. Die niedersächsische Atomaufsicht, das NMU, nahm das so hin. Der erste Sixpack Castoren war 1997 eingelagert worden, und die Strahlungswerte gingen massiv nach oben. Die Aufsicht akzeptierte auch, dass die GNS 1998 deshalb plötzlich willkürlich die Werte für die natürliche Strahlung heraufsetzte. Bis heute werden viel zu große Werte abgezogen, um damit unter dem Grenzwert der Genehmigung zu bleiben. Seriös, meine Damen und Herren, geht anders.
Auch der ungünstigste Messpunkt am Zaun wurde nie experimentell ermittelt. Es zeigt sich aber durch die Messungen des NLWKN, dass unter Ansatz seriöser Randbedingungen der Grenzwert überschritten ist, und das genau genommen seit 2003. Und vor diesem Hintergrund verweigern Sie dem Landrat des Landkreises Lüchow-Dannenberg die dringend eingeforderte Sofortunterrichtung? Das ist Transparenz und Dialog? - Wissen Sie, wie die Wendländerinnen Dialog konjugieren? - Er log, sie log, es log, Dialog!
(Beifall bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Wie kann man nur mit so einer Kontinuität so schlecht reden?)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem stimme ich mit meinen Vorrednern uneingeschränkt überein: Grenzwerte müssen eingehalten werden. - Man kann sich immer
darüber streiten, welche Höhe für einen Grenzwert richtig ist. Aber das steht hier heute Morgen nicht zur Debatte.
Der Grenzwert von 0,3 mSv Jahr für das Transportbrennelementelager in Gorleben, also den Ort, an dem die Castorbehälter stehen, ist festgelegt worden, und dieser Wert, der am Außenzaun nicht überschritten werden darf, ist einzuhalten - ohne Wenn und Aber.