Protokoll der Sitzung vom 15.09.2011

Die Lehrerstundentafel einer normalen IGS lässt - wenn man etwas tiefer in die Materie einsteigt und gerade vor dem Hintergrund des Vorschlags der Landesregierung - erwarten, dass das pädagogische Konzept der IGS Göttingen-Geismar mit Übungsstunden, mit Tutorenstunden usw. in den Schuljahrgängen 5 bis 10 im Wesentlichen ohne Abstriche umgesetzt werden kann. Dazu hat die Schulleitung meines Wissens ja auch einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt.

Ich habe allerdings die Vermutung, dass es Ihnen - vielleicht nicht Ihnen persönlich, aber anderen - bei Ihren Fragen zur IGS Göttingen-Geismar eigentlich um eine grundsätzliche Frage geht, nämlich die, ob nicht an allen Gesamtschulen wieder eine Rückkehr zu 13 Jahren bis zum Abitur eingerichtet werden soll. Dazu möchte ich Ihnen nur sagen: Ich kann mir nicht erklären, warum das, was in Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren möglich ist, dass nämlich innerhalb von 12 Jahren an Gesamtschu

len das Abitur erreicht werden kann, in Niedersachsen nicht auch möglich sein soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Dr. Andretta stellt die nächste Zusatzfrage. - Vorweg noch ein Hinweis an die weiteren Fragesteller zu der beliebten Methode, mit den Worten „vor dem Hintergrund“ einzuleiten. Das kann man einmal machen, aber als Serienmodell wird das vom Präsidium hier oben nicht akzeptiert.. - Bitte, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Vor dem Hintergrund - einmal! - dass ich es mehr als peinlich finde, dass der Kultusminister versucht, den Schulpreis der IGS kleinzureden,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

weil es ihm offenbar nicht passt, dass es eine Gesamtschule ist, die den Preis gewonnen hat, frage ich die Landesregierung, wie sie die Aussage von Schulleitung und Eltern, auf die sich der Kultusminister eben bezogen hat, bewertet, dass der Schlüssel des Erfolgskonzepts die Zeit für gemeinsames Lernen ist und dass genau diese Zeit nicht bleibt, wenn das Zwangskorsett G8 zum Tragen kommt, weil es natürlich auch die Schuljahrgänge 5 bis 10 betrifft. Wenn man ein Jahr weniger hat, bleibt nun einmal weniger Zeit. Dieser Widerspruch bleibt. Dazu sollte sich die Landesregierung noch einmal erklären.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, bitte!

Frau Abgeordnete Dr. Andretta, ich weise den Vorwurf, ich hätte das pädagogische Konzept der IGS Göttingen-Geismar in irgendeiner Form infrage gestellt oder den Preis schlecht gemacht, mit aller Entschiedenheit zurück. Im Gegenteil: Ich habe der Schule eine entsprechende Gratulation zukommen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Darüber hinaus darf ich erklären, dass die Zeit des gemeinsamen Lernens, auf die es Ihnen ja im Wesentlichen ankommt, durch den Vorschlag der

Landesregierung ausdrücklich gewahrt bleibt. Ich will das einmal anhand der Stundentafel der IGS Göttingen-Geismar etwas detaillierter darstellen:

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Die Schule hat im Sekundar-I-Bereich zurzeit eine Gesamtstundenzahl von 182. Die Arbeitsgemeinschaften, Tutorien usw., die es dort gibt, belaufen sich pro Jahrgang auf insgesamt 38 Wochenstunden.

Nach dem Konzept der Landesregierung, also dem Vorschlag 192 Stunden, müsste im Fach Deutsch im siebten Jahrgang eine Stunde mehr erteilt werden, im Fach Englisch, auch Kernfach, eine Stunde mehr von drei auf vier im achten Jahrgang, im neunten Jahrgang von drei auf vier eine Stunde mehr, in den Naturwissenschaften im fünften, neunten und zehnten Jahrgang eine Kernfachstunde mehr und im Bereich der Mathematik im siebten Jahrgang eine Kernfachstunde mehr. Das sind summa summarum sieben Stunden.

Das Konzept der IGS Göttingen-Geismar umfasst heute schon 182 Wochenstunden. Wir wären dann bei 189 Wochenstunden. Wir haben gesagt, sie muss den Unterrichtsplan und die Fächerkombination so gestalten, dass es in den Klassen 5 bis 10 192 Stunden gibt. Das sind also drei Stunden Unterschied, die gegebenenfalls zulasten von AGs, Tutorien oder und was sonst noch angeboten würde, gehen würden.

Wir kommen bei allem Nachrechnen - wir sind das von vorne bis hinten durchgegangen - zu dem Ergebnis: Das pädagogische Konzept für die Jahrgänge 5 bis 10 - der Verzicht auf die äußere Fachleistungsdifferenzierung, das gemeinsame Lernen und sogar die Entscheidung über die weiterführende Schulform, den Schulgang bis zum Abitur bzw. den Erwerb des Sekundar-I-Abschlusses oder anderer Abschlüsse - kann gewahrt bleiben.

Das KMK-Konzept, das der IGS Göttingen-Geismar zu Recht zugestanden wurde und das sie pädagogisch in hoher Qualität umsetzt, bleibt auch bei Umsetzung des Vorschlags der Landesregierung gewahrt und wird nicht gefährdet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage stellt Herr Humke von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Althusmann, ich möchte eine Nachfrage stellen. Vor dem Hintergrund, dass sich die Landesregierung in jeder bildungspolitischen und schulpolitischen Debatte dafür einsetzt, dass die Schulträger vor Ort mehr Gestaltungsfreiheit bekommen, frage ich die Landesregierung, wie sie mit dem Widerspruch klarkommt, dass der Schulträger, die Stadt Göttingen, zwar einen einstimmigen Ratsbeschluss gefasst hat - auch Herr Güntzler hat seinerzeit mitgestimmt, und wie er gestern gegenüber einer Schülergruppe betont hat, herrscht in der Schulpolitik große Einigkeit über die Fraktionen hinweg -, dass Sie die Gestaltungsräume des Schulträgers - aus meiner Sicht ist das eindeutig so - jetzt aber beschneiden.

Danke schön. - Herr Minister Althusmann, Sie haben das Wort.

Da ich selbst zwölf Jahre in einem Rat - davon fünf Jahre als Fraktionsvorsitzender -, zehn Jahre in einem Kreistag und zwölf Jahre in einem Ortsrat war, habe ich hohen Respekt vor den Beschlüssen unserer kommunalen Gremien. Aber bei allem Respekt: Auch ein kommunales Gremium kann das Niedersächsische Schulgesetz nicht aushebeln.

Auf der anderen Seite war den Abgeordneten im Kreistag von Göttingen, auch den Abgeordneten der CDU-Fraktion, zum Zeitpunkt des Zustandekommens dieses Beschlusses der Kompromissvorschlag der Landesregierung, der ja ein deutliches Auf-sie-Zugehen - auch auf die Eltern und auf die Schulleitung - bedeutet, möglicherweise nicht bekannt.

Ich wiederhole: Wir haben bisher die Situation, dass im neunten Jahrgang die Entscheidung darüber fallen soll, ob man in die Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe geht oder ob man in die zehnte Klasse geht, um dort den Hauptschul-, den oder Realschulabschluss oder gegebenenfalls den erweiterten Sekundar-I-Abschluss zu erzielen. Kernanliegen der Eltern war, dass diese Entscheidung nun vorgezogen werden soll. Darüber haben wir mit ihnen mehrfach gesprochen und nach einer Lösung gesucht, wie wir verhindern können, dass dies nun ein Jahr früher stattfindet. Wir haben gesagt, es kann dann am Ende des Jahrgangs 10

entschieden werden, ob es sich um diesen oder jenen Abschluss handelt.

Von daher, Herr Abgeordneter, glaube ich, dass der Beschluss des kommunalen Gremiums zu einem Zeitpunkt gefallen ist, zu dem dieser Kompromissvorschlag noch nicht auf dem Tisch lag. Sonst hätte die Entscheidung vielleicht anders ausgesehen.

Trotzdem bleibt es dabei: Für eine Veränderung der Schulzeit müsste das Schulgesetz geändert werden. Ich sehe im Moment keine parlamentarische Notwendigkeit, an dieser Stelle etwas zu verändern.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Wir wären dazu bereit!)

- Das habe ich mir gedacht, Frau Andretta.

Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Die nächste Frage stellt die Kollegin Heiligenstadt von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Hintergrund, dass der Minister ausgeführt hat, dass der Integrierten Gesamtschule auf der Basis der Stundentafel von 192 Stunden die entsprechenden Lehrersollstunden zugewiesen werden, d. h. für alle Schülerinnen und Schüler an der Integrierten Gesamtschule der Unterricht nach der Tafel der Gymnasien erteilt werden muss, frage ich die Landesregierung: Ist dieser Kompromissvorschlag mit den zusätzlichen Stundenzuweisungen, den Sie hier vorgetragen haben, teurer, als wenn Sie der Integrierten Gesamtschule in Göttingen das Abitur nach 13 Jahren unter der alten Regelung ermöglichen würden?

Danke schön, Frau Kollegin Heiligenstadt. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Althusmann.

Frau Kollegin Heiligenstadt, für einen vorrübergehenden Zeitraum ist dieses Konzept in der Tat teurer. Das heißt, mit diesem Entgegenkommen

der Landesregierung investieren wir gerade in dieses besondere pädagogische und mit einem Schulpreis ausgezeichnete Konzept.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Sie versuchen das durchzusetzen, indem Sie Geld in die Hand nehmen!)

Wir kommen also genau Ihren Wünschen entgegen.

Vielleicht noch einmal zu diesem Unterschied. Ich habe den Eindruck, dass er noch nicht so ganz angekommen ist. Deswegen will ich noch einmal versuchen, ihn darzustellen. Die 179 Stunden sind die Stunden, die normalerweise am Ende des Sekundar-I-Bereichs absolviert sein müssen. Die 192 Stunden sind die Stunden, die für eine gymnasiale Ausrichtung mit Blick auf die 260 bzw. 265 Stunden bis zum Abitur absolviert sein müssen. Die Kernfrage, die sich an dieser Stelle immer wieder stellt, ist, ob das Konzept durch diesen Vorschlag mit den 192 Stunden beeinträchtigt wird. Dazu ist meine eindeutige Antwort: Nein. Die Schule hat bereits nach eigener Entscheidung eine Schülerpflichtstundenzahl von 30 Stunden pro Woche in den Schuljahrgängen 5 bis 8.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das sind aber andere Fächer, das wissen Sie! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie haben nicht verstanden, worin die Qualität dieser Schule liegt!)

- Noch einmal, Herr Abgeordneter Wenzel, Frau Abgeordnete Heiligenstadt: Ich habe die Schule selbst zweimal besucht. Ich habe inzwischen, ich glaube, drei oder vier Gespräche mit den Eltern sowie ein Gespräch hier im Landtag mit dem Schulleiter geführt; ich meine, an einigen hätten Sie sogar teilgenommen. Im Kern hat hier eine Verschiebung von Unterrichtsstunden stattgefunden - das ist im Rahmen der Eigenverantwortung der Schule möglich - zugunsten von Tutorien, von Arbeits- und Übungsstunden, quasi mit Blick auf lernschwache Schülerinnen und Schüler.

Wenn man die Unterrichtsstundentafel mit den 182 Stunden genau betrachtet, stellt man fest, dass in bestimmten Kernfächern nicht vier Stunden, sondern drei Stunden erteilt worden sind. Ich kann beim besten Willen und bei allem Verständnis für Ihre Argumente keinen Nachteil für die Schülerinnen und Schüler darin erkennen, auch nicht für die vielleicht etwas leistungsstärkeren Schülerinnen und Schüler, wenn wir in den Kernfächern Deutsch, Englisch, Mathematik und Naturwissen

schaften eine Stunde mehr erteilen können aufgrund der neuen Unterrichtsstundentafel, die dann zu erstellen ist.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Dann haben sie nicht mehr die Zeit!)

Entschuldigung, Frau Kollegin Heiligenstadt, der Herr Minister hat das Wort.

Darüber wird am 19. September im Übrigen noch einmal gemeinsam mit der Schulleitung zu sprechen sein. Das Gesamtkonzept wird sich durch diesen von mir vorhin dargestellten Unterschied von etwa drei Stunden im Kern aber nicht ändern; denn wir haben nach wie vor die Möglichkeit der eigenverantwortlichen Schule, im Rahmen ihres Konzepts die Stunden insgesamt so zu verteilen, dass der Erfolg dieses pädagogischen Konzepts - Tutorien, Arbeits- und Übungsstunden usw. - nach wie vor gewährleistet werden kann. Wir werden es allerdings mit der Schulleitung noch einmal ernsthaft besprechen.

Ich sage Ihnen noch einmal: Mir liegt ausgesprochen viel daran, dass das pädagogische Konzept der IGS Göttingen-Geismar nicht gefährdet wird und die Schule ihr Unterrichtskonzept weiterhin umsetzen kann. Dadurch wird sie im Vergleich mit anderen IGSen - ich will gar nicht von anderen Schulformen sprechen - mit Blick auf die Schülerzahl, mit Blick auf das Gesamtkonzept, das wir dort genehmigt haben, nicht schlechter behandelt. Man könnte sogar sagen, dass sie sehr gut behandelt wird, insbesondere was die Stundenzuweisungen betrifft.

(Beifall bei der CDU)