Protokoll der Sitzung vom 16.09.2011

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 39 auf:

Erste Beratung: Klosterkammer braucht moderne Stiftungsstrukturen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/3919

Für die Einbringung hat Frau Rübke das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Eigentlich wollte ich Ihnen heute etwas Neues erzählen. Aber das haben Sie ja bereits aus dem Jahresbericht 2010 der Klosterkammer Hannover erfahren, nämlich dass der erste Impuls zur Entstehung des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds von der welfischen Herzogin Elisabeth von Calenberg-Göttingen bereits im Jahre 1542 kam. Dies hat 1818 der spätere König Georg IV. von Großbritannien, Irland und Hannover aufgegriffen und weiterentwickelt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kamen dann die Vermögen des Stiftes Ilfeld/Thüringen, Hospitalfonds Sankt Benedikt in Lüneburg und der Domstrukturfonds Verden dazu.

Somit kann zu Recht gesagt werden: Seit 193 Jahren unterstützt die Verwaltung der Stiftungen die der Klosterkammer Hannover aus den erwirt

schafteten Erträgen Vorhaben in den Bereichen Kirche, Schule und milde Zwecke aller Art, was auch immer darunter zu verstehen ist.

Die heutigen Einnahmen bestehen in erster Linie aus Erbbauzinsen, Forsten, Landwirtschaft, Mieten und Bodenschätzen. Dass die Klosterkammer auch weitere 193 Jahre oder noch länger Gutes tun soll, werden wir gerne unterstützen, allerdings nicht in den althergebrachten Gutsherrenstrukturen.

(Beifall bei der SPD)

Denn dass im 16. bzw. 19. Jahrhundert undemokratische Strukturen herrschten, will doch wohl niemand hier in diesem Hohen Hause bezweifeln. Oder etwa doch?

Nicht nur die Geldwährungen haben ihren Namen im Laufe der Jahrhunderte gewechselt, sondern auch die Strukturen unserer Landesbehörden und Stiftungsorgane. Aber regt im Jahr 2011 nicht allein die Tatsache auf, dass die Klosterkammer Hannover in eine Behördenstruktur eingebunden ist, die gemäß Artikel 72 der Niedersächsischen Verfassung unter dem besonderen Schutz des Landes steht, nur der Rechtsaufsicht unterworfen ist und ohne jegliche Eigenkontrolle durch innere Organe, ungestört und ohne Achtsamkeit gegenüber dem Rest der Welt, Verzicht übend auf die Anerkennung der Öffentlichkeit und der Politik, existiert? Meinen Sie, meine Damen und Herren, nicht auch, dass da eine kompetente Aufsicht vonnöten ist, um diesen Dornröschenschlaf zu beenden?

(Beifall bei der SPD)

Was die Klosterkammer tut, mag gut sein. Es mag dem Grunde nach auch weitgehend durch die Stiftungsakte vorgegeben sein. Aber wie sie es in einer gemeinnützigen öffentlich-rechtlichen Stiftung tut, ist unangemessen. Nicht einmal aus dem Jahresbericht kann man sich ein detailliertes Bild machen. Intransparenz ist aber ein schwerer Verstoß gegen unsere demokratische Kultur.

(Beifall bei der SPD)

Die Haltung, die Gestaltung in der Sache gehe die Politik nichts an, mag formal korrekt sein. Aber ob die Klosterkammer in Struktur und Ergebnis gut geführt wird, ist von großem politischen Interesse. Denn die von der Klosterkammer verwalteten Stiftungen stehen unter verfassungsrechtlichem Schutz, weil sie einen besonderen Auftrag haben. Wer kontrolliert aber, ob die Sondervermögen dem

heimatlichen Interesse dienstbar sind, wie es Artikel 72 unserer Landesverfassung fordert? Wer stellt fest, dass die Verantwortung für das geschichtliche Gütererbe des Landes wahrgenommen wird, wie es der Staatsgerichtshof bereits 1972 festgestellt hat?

Es ist Rechenschaft abzulegen; denn die Klosterkammer ist allenfalls Treuhänder eines Vermögens, keinesfalls Eigentümer. Und es ist transparent zu machen, wofür und warum die erheblichen Erträge aus dem großen Vermögen verwendet werden.

Kontrolle aber allein reicht nicht. Es ist zu steuern. Man kann dies nicht allein einem Behördenleiter überlassen. Das wäre genau die Gutsherrenart des 19. Jahrhunderts, von der wir uns seit der Weimarer Republik ja wohl befreit haben.

(Beifall bei der SPD)

Der Landtag fordert die Landesregierung daher auf, die Organisationsstruktur der Verwaltung der genannten Stiftungen heutigen Standards anzupassen, um sie zukunftsfähig zu machen. Dabei ist insbesondere Folgendes notwendig: Die üblichen Stiftungsorgane, nämlich Stiftungsvorstand und Stiftungsrat, sind einzurichten, Regelungen für die Stiftungsverwaltung durch die Geschäftsführung sind verpflichtend vorzusehen, transparente Vergabestrukturen durch Stiftungssatzungen, Richtlinien für Vergabe und Vermögensbewirtschaftung und Förderrichtlinien sind zu schaffen und zu veröffentlichen. Ferner wäre die Bestellung eines Präsidenten - oder vielleicht mal wieder einer Präsidentin - als Geschäftsführung im Fünf-JahresRhythmus aus unserer Sicht angemessen.

(Beifall bei der SPD)

Besonders Sie, meine Damen und Herren der CDU, haben bestimmt gedacht: Ach, kaum ist Herr Biallas Präsident der Klosterkammer Hannover, da wollen die Sozis eine alte Rechnung mit ihm begleichen.

(Björn Thümler [CDU]: Richtig!)

Sie täuschen sich gewaltig, Herr Thümler.

(Björn Thümler [CDU]: Sie haben 60 Jahre gebraucht, um das festzustel- len?)

Ja, es stimmt: Der Zeitpunkt für unseren Antrag ist klug gewählt.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Ach ja, 60 Jahre später?)

Denn der jetzige Präsident hat bereits am 31. Juli dieses Jahres in einem Zeitungsbericht zugesagt, diese Behörde weiter zu öffnen und transparenter zu machen. Aber Öffnung und Transparenz sind das eine. In die heutige Zeit passt aber nur eine Klosterkammer, die Stiftungsvorstand und Stiftungsrat hat.

Da der Herr Klosterkammerpräsident einschlägige Erfahrungen in Verwaltungsreformprozessen hat, ist er der Richtige zum richtigen Zeitpunkt, um die Klosterkammer Hannover in eine moderne, zeitgemäße, transparente Stiftungsstruktur zu führen.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Angelika Jahns [CDU])

Lassen Sie es mich angesichts des christlichen Hintergrunds der Klosterkammer Hannover einmal so auf den Punkt bringen:

(Björn Thümler [CDU]: Mein Gott, wie peinlich!)

Wenn sich der Herr seines Knechtes Biallas bedient, die Strukturen der Klosterkammer Hannover ins heutige Jahrhundert zu führen, so wäre es gut.

Danke schön fürs Zuhören.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung von Angelika Jahns [CDU])

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE spricht nun Herr Dr. Sohn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weil es auf das Wochenende zugeht, Herr Hilbers, lese ich Ihnen eine fiktive Geschichte über die Pommesbude in Tempelstadt vor.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Da bin ich aber gespannt, was das wieder ist!)

Nehmen wir an, in Tempelstadt gibt es eine Pommesbude. Sie verursacht pro Monat rund 5 000 Euro Kosten für Öl, Fritten, Miete und das kalkulatorische Gehalt des einzigen Gastronomen. Es handelt sich trotz des fettigen Gewerbes um einen - wie man heute sagt - schlank aufgestellten Betrieb. Er erwirtschaftet pro Monat sagenhafte 30 000 Euro Einnahmen, mithin einen monatlichen

Rohertrag von 25 000 Euro, weil es dort nur die eine Pommesbude gibt und jeder, der Pommes essen will, dort kaufen muss.

Man könnte denken, dies ist eine Goldgrube und bald gibt es - streng nach Marktwirtschaft - mehrere Pommesbudenbesitzer in Tempelstadt. Das ist aber nicht so. Durch ein etwas filigranes Regelwerk, das sich dem Beobachter nur bei genauerem Hinsehen erschließt, weil es tief in der kirchlich geprägten Geschichte von Tempelstadt wurzelt, gibt es dort nämlich nur diese einzige Pommesbude. Pommes gibt es in Tempelstadt nur dort.

Die Kehrseite für den Frittenverkäufer ist: Der gesamte Rohertrag der Pommesbude geht an die Stadt, die sich dafür gegenüber den Wächtern des alten Tempels, der das Stadtbild seit Jahrhunderten prägt, zu dem Erhalt dieses Tempels „für alle Zeiten verpflichtet hat“

(Björn Thümler [CDU]: Sie können das auch mit Bananen machen!)

mit einer Urkunde aus den Zeiten, in denen sie noch mit Wachs besiegelt wurden. Das macht Respekt, trotz der Pommes. In jener Urkunde ist übrigens noch von in Fetten gerösteten Speisen aller Art die Rede.

Das Ergebnis dieser Konstellation ist: Der Rat der Stadt braucht für den Erhalt ihres wichtigsten Touristenmagneten, des Tempels, keinen Cent auszugeben. Seinen Erhalt finanzieren alle, die in Tempelstadt Appetit auf frische Pommes haben.

Nun gibt es Pommeskunden, die sagen: Ich will nur Pommes essen, keinen Tempel erhalten. Ich und meinesgleichen wollen Pommes auch bei anderen, billigeren Anbietern kaufen können. - Die könnten auch zur FDP gehen, wegen Marktwirtschaft.

Das aber, meine Damen und Herren, ist der ökonomische Kern der Konstruktion Klosterkammer. Die 17 000 Pächter finanzieren den Erhalt der 43 evangelischen und katholischen Kirchen, der 19 Klostergüter und der anderen insgesamt ungefähr 200 Liegenschaften. Das ist verdienst- und ehrenvoll. Das wäre aber entweder Aufgabe der Mitglieder einer der beiden Kirchen oder Sache des Steuerzahlers. Die Erbbauberechtigten sind eine Art zwangsverpflichtete niedersächsische Kulturpfleger, ohne sich je darum beworben zu haben, das zu sein. Möglich wird dies, weil die gesetzlichen Konstruktionen es erlauben, dass in vielen Kommunen seitens der Klosterkammer ein faktisches Monopol für Grundstücke besteht, auf de

nen junge Familien Häuser bauen können. Das ist der ökonomische Kern.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Deshalb hat unsere Fraktion als einzige dem Appell vom April nicht zugestimmt. Wir sind der Meinung: Monopole sind Appellen schlecht zugänglich.

Deshalb begrüßen wir, dass die SPD-Fraktion diesem Gedanken grundsätzlich folgt. Sonst hätte ja der Appell gereicht. Nun aber gibt es diesen Antrag. Das finden wir gut.

Wir haben damals - man kann das in der Drs. 16/2444 nachlesen - gesagt: Man müsste eigentlich auf Bundesebene ein Gesetz machen, also eine Bundesratsinitiative, um die monopolartige Stellung der Klosterkammer aufzuheben und wieder die Gesetze des Marktes greifen zu lassen. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, die wir damals vorgeschlagen haben.