Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 118. Sitzung im 39. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode und heiße Sie namens des gesamten Präsidiums zu unserer heutigen Sitzung herzlich willkommen.

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor einem Jahr haben wir hier des 9. Novembers gedacht, der häufig der Schicksalstag der Deutschen genannt wird. Kein Datum beleuchtet so symbolkräftig das Wohl und Wehe unserer deutschen Geschichte. Wir erinnern uns vor allem an den 9. November als Tag des Mauerfalls und damit einen Tages unermesslicher Freude über einen ganz unerwarteten Verlauf der Geschichte, der uns die deutsche Einheit brachte.

Wir legen heute aber auch an vielen Orten Kränze nieder und gedenken der Reichspogromnacht. Sie war das für jeden sichtbare äußere Zeichen, dass mit der Entrechtung, Demütigung und Verfolgung jüdischer Mitbürger der verbrecherische Weg in den Abgrund deutscher Geschichte beschritten war. Dieses Datum steht deshalb ebenso für bitteres Entsetzen und unauslöschliche Scham über die Verbrechen im Namen des deutschen Volkes.

Wir wissen, wo dieser Weg mit seinen unzähligen Kriegstoten, zivilen Opfern, Verfolgten und Ermordeten, vor allem aber auch mit der heute fast unvorstellbaren vorsätzlichen Vernichtung fast eines ganzen Volkes im Herzen Europas endete.

Das von den Alliierten besiegte Deutschland lag 1945 in weiten Bereichen zerstört am Boden. Es folgten Jahre bitteren Elends der Bevölkerung. Vielleicht noch schlimmer als die materielle Not war die Verzweiflung, in das unser Volk mit der vollen Erkenntnis dessen stürzte, was wirklich geschehen war. Man musste sich damals fragen: Ist ein Weiterleben in der Gemeinschaft der Völker nicht für alle Zukunft ausgeschlossen? Mit welchem Recht darf auf Hilfe und Unterstützung gehofft werden? Und erst recht die Frage: Auf welchem sittlichen Fundament kann überhaupt eine neue deutsche Staatlichkeit entstehen?

Heute wissen wir, dass uns die westlichen Besatzungsmächte trotz allem den Weg zu Demokratie, Freiheit und Wohlstand geebnet haben. Dies begann mit der durchaus sehr pragmatischen Erkenntnis, dass Deutschland wieder auf die Beine kommen musste, um sich selbst helfen und entwickeln zu können.

Heute erinnern wir uns deshalb auch mit großer Dankbarkeit, dass die englische Besatzungsmacht mit der Verordnung Nr. 55 vor 65 Jahren, nämlich zum 1. November 1946, das Land Niedersachsen ins Leben rief. Bereits am 23. November tagte zum ersten Mal der noch von den Briten ernannte erste Niedersächsische Landtag.

Mit dieser Verordnung verschmolzen die preußische Provinz Hannover und die alten Länder Schaumburg-Lippe, Braunschweig und Oldenburg zum Bundesland Niedersachsen. Es ist kein Geheimnis, dass die alten Länder damals entschieden für die Beibehaltung ihrer Selbstständigkeit gekämpft haben.

Dennoch hat sich der damalige Optimismus, das Land Niedersachsen werde schnell zusammenwachsen, als berechtigt erwiesen. Das Land Niedersachsen war ja auch kein auf Blaupause gezeichnetes Gebiet, sondern eine regionale Einheit, für die es unter dem Namen Niedersachsen schon seit Langem Ideen und Pläne gab, dieses Gebiet zu einem lebensfähigen, wirtschaftlich starken, eigenständigen Land zu entwickeln. Die Entwicklung einer niedersächsischen Identität schließt ja auch keineswegs eine tiefe regionale Verwurzelung in den Gebieten der alten Länder aus. Wir leben deshalb, wie mein Amtsvorgänger Horst Milde es einmal formuliert hat, in einer gestuften Identität. Wir sind Hannoveraner, Braunschweiger, Oldenburger und Schaumburg-Lipper.

Wir sind zusammen mit den Millionen Flüchtlingen, die in Niedersachsen erfolgreich integriert wurden und sich vor allem auch selbst integriert haben, gleichzeitig Niedersachsen, Deutsche und auch überzeugte Europäer.

Und so hat sich Niedersachsen zu einer stabilen Demokratie und zu einem erfolgreichen und selbstbewussten Bundesland entwickelt. Darauf können wir in dem Wissen stolz sein, dass sich Niedersachsen im Wettbewerb der anderen Bundesländer und der zunehmend sich europäisch orientierenden und grenzüberschreitenden Regionen ständig weiterentwickeln muss und auch ständig weiterentwickeln wird. Wir haben die Kraft für diesen Weg, und wir sollten in diesem Parlament gemein

sam und mit Optimismus alles dafür tun, dass der vor 65 Jahren beschrittene Weg in eine weiterhin gute Zukunft für uns Niedersachsen führt.

(Beifall)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach Mitteilung des Landeswahlleiters vom 24. Oktober 2011 ist für den verstorbenen Abgeordneten Ralf Briese Frau Meta Janssen-Kucz nachgerückt.

Sehr geehrte Frau Janssen-Kucz, ich begrüße Sie als neue Kollegin in unserer Mitte und wünsche Ihnen ein erfolgreiches Wirken zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall)

Ich stelle jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen einschließlich des mit einem Verfahrenshinweis versehenen Nachtrags zur Tagesordnung gedruckt vor. Wie ich gehört habe, haben sich die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen verständigt, wie dort vorgeschlagen zu verfahren. Wenn sich kein Widerspruch zeigt, dann ist dies so beschlossen. - Somit behandeln wir in der heutigen Aktuellen Stunde fünf Anträge und morgen drei Dringliche Anfragen.

Auf der Grundlage der im Ältestenrat für die Beratung einzelner Punkte vereinbarten Redezeiten und des im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssels haben die Fraktionen die ihnen jeweils zustehenden Zeitkontingente so verteilt, wie Sie das aus der Ihnen vorgelegten Übersicht ersehen können. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.05 Uhr enden.

Ich möchte Sie jetzt noch auf einige Veranstaltungen hinweisen.

In der Portikushalle sehen Sie die vom Kirchlichen Entwicklungsdienst der evangelischen Landeskirchen in Braunschweig und Hannover konzipierte Ausstellung „Wegbereiter des Wandels - junge Akademiker aus Afrika, Asien und Lateinamerika in Deutschland“.

In der Wandelhalle präsentiert der Landesbetrieb für Statistik und Kommunikationstechnologie Niedersachsen Informationen zum Thema „Daten für Kommunen und Lösungen für den modernen Arbeitsplatz“.

In der Portikushalle auf der Büstenseite zeigt das Netzwerk Lebenskunst eine Präsentation, mit der das Netzwerk auf Situationen von Kindern in sozialen Brennpunkten aufmerksam machen möchte. Unter dem Motto „Bildungspaket für alle“ werden Zeichnungen und Collagen von Kindern gezeigt. Zudem wird die Arbeit des Netzwerkes für Kinder und mit den Kindern dargestellt.

Alle Aussteller freuen sich über Ihr Interesse. Insofern werden die Kolleginnen und Kollegen gebeten, sich an den einzelnen Ausstellungen zu zeigen.

Die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ wird in den kommenden Tagen wieder mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Es handelt sich um Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums aus Neustadt. Der Abgeordnete Hans-Werner Schwarz hat sich dankensweiterweise bereit erklärt, als Pate die Arbeit der jungen Leute nach Kräften zu unterstützen und erster Ansprechpartner der Nachwuchsjournalisten sein.

Ich weise außerdem darauf hin, dass das Modellprojekt Landtagsfernsehen wieder mit jungen und aufstrebenden Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten im Laufe der kommenden Tage Sendungen erstellen wird. Die einzelnen Sendungen stehen unmittelbar nach ihrer Produktion im Internet auf der Homepage der Multi-Media-Berufsbildenden Schule - www.mmbbs.de - zum Abruf bereit. Sie sollen wie immer auch über den Regionalsender h1 gesendet werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bitte geben Sie Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurück.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Guten Morgen liebe Kolleginnen und Kollegen! Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Kultusminister Herr Dr. Althusmann von 11.45 Uhr bis 13 Uhr und Justizminister Herr Busemann, von der Fraktion der CDU Herr Ehlen und Frau Konrath, von der Fraktion der SPD Herr Brinkmann, Frau Leuschner bis 13 Uhr und Herr Möhle ab 16 Uhr.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Feststellung von Sitzverlusten gemäß Artikel 11 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung i. V. m. § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes - Antrag des Präsidenten des Niedersächsischen Landtages - Drs. 16/4145

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Abgeordneten Matthias Nerlich (CDU), Wittich Schobert (CDU) und André Wiese (CDU) haben mit Schreiben vom 1. November bzw. 4. November 2011 erklärt, dass sie unwiderruflich auf ihren Sitz im Niedersächsischen Landtag der 16. Wahlperiode verzichten.

Nach Artikel 11 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung in Verbindung mit § 8 Abs. 2 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes trifft der Landtag die Feststellung des Sitzverlustes.

Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 des Wahlprüfungsgesetzes beantrage ich, wie Sie der Drs. 16/4145 entnehmen können, diese Feststellung zu treffen.

Im Ältestenrat waren sich die Fraktionen darüber einig, dass über diesen Punkt ohne Besprechung abgestimmt wird. - Ich höre auch jetzt keinen Widerspruch.

Ich lasse von daher sogleich abstimmen.

Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit haben die Abgeordneten Matthias Nerlich, Wittich Schobert und André Wiese ihren Sitz im Niedersächsischen Landtag verloren. Sie sind damit aus dem Landtag ausgeschieden.

Ich danke Ihnen im Namen des Niedersächsischen Landtags für Ihre geleistete Arbeit und wünsche Ihnen für die Zukunft in Ihren neuen Ämtern alles Gute.

(Beifall)

Gemäß § 38 Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 2 des Niedersächsischen Landeswahlgesetzes hat der Landeswahlleiter festgestellt, dass die frei gewordenen Sitze auf Herrn Rainer Beckmann, Herrn Reinhard Hegewald und Herrn Joachim Stünkel übergehen. Die drei Genannten haben ihre Bereitschaft erklärt, das Landtagsmandat als Nachrücker anzunehmen. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass dies hier keine neuen Gesichter sind. Sie waren schon einmal Mitglieder des Niedersächsischen Landtages. Insofern begrüße ich

Sie sehr herzlich in unserer Mitte und wünsche Ihnen als Mitglieder des Landtages ein erfolgreiches Wirken zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger des Landes.

(Beifall)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zu Tagesordnungspunkt 3:

Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir fünf Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung entnehmen können. Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten, auch bei der Landesregierung, als bekannt voraus.

Ich eröffne jetzt die Besprechung zu Tagesordnungspunkt 3 a:

Keine Zukunft ohne Infrastruktur - Ideologische Verweigerung macht Deutschland ärmer - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 16/4162

Dazu erteile ich dem Kollegen Dürr von der FDPFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Berlin sind am Sonntag weitreichende Beschlüsse gefasst worden. Unter anderem sollen für den Ausbau der Infrastruktur 1 Milliarde Euro zusätzlich bereitgestellt werden. Ich will deutlich sagen: Wir freuen uns über diese Entscheidung.