Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

(Vizepräsident Hans-Werner Schwarz übernimmt den Vorsitz)

Im Wesentlichen geht es darum, dass die Kostenabgeltungspauschale, die im Jahr 2004 festgesetzt worden ist, auf den Prüfstand gestellt worden ist. Anhand von klaren Parametern wird vorgeschlagen, die Pauschale von 4 270 Euro auf 4 548 Euro im Jahr 2011 und auf 4 826 Euro ab dem Jahr 2012 anzuheben. Sinnvollerweise haben wir nicht einfach pauschal gesagt, wir müssten hier etwas erhöhen, sondern wir haben uns an einem Preisindex orientiert, damit insgesamt nachvollzogen werden kann, warum wir auf diese Pauschale gekommen sind.

Das, was wir uns im Jahr 2004 vorgestellt haben, mussten wir allerdings korrigieren. Seinerzeit haben wir vier Kommunen exemplarisch ausgewählt, um daraus die Pauschale zu berechnen. Dieses Verfahren hat sich in der Vergangenheit nicht bewährt, weil sich diese vier von uns ausgewählten Kommunen so unterschiedlich entwickelt haben, dass man es nicht begründen konnte. Deshalb haben wir uns jetzt auf der Grundlage eines Preisindex, der Ihnen ja vorliegt, auf die tatsächlichen Ausgaben konzentriert. Es ist aus meiner Sicht sehr sinnvoll, so vorzugehen.

Ich möchte nicht verhehlen, dass sich die kommunalen Spitzenverbände etwas anderes vorgestellt haben. Sie wollten die tatsächlich anfallenden Kosten erstattet bekommen. Dieser Wunsch ist aber nicht nachvollziehbar. Das Land muss die notwendigen Kosten erstatten. Insofern ist der Preisindex, wie wir ihn jetzt gewählt haben, genau der richtige Ansatz. Ich darf Sie bitten, dies so nachzuvollziehen. Nach dem Jahr 2004 war es notwendig, entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Die würden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt. Insofern gibt es wieder eine auskömmliche Pauschale für die Aufgaben, die die Kommunen in diesem Zusammenhang erledigen müssen.

(Zustimmung bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Entsprechend den uns vorliegenden Wortmeldungen hat jetzt Herr Bachmann von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Sie, Herr Minister Schünemann, hier vorgetragen haben, war sehr dünn. In dieser Diskussion ausschließlich die Kostenseite zu betrachten, nicht aber auch die Qualität oder das, was in einem Aufnahmegesetz sonst noch sinn

vollerweise verändert werden müsste, ist wirklich mehr als dünn.

Sie haben hier gesagt, dass die Erwartungen der Kommunen eigentlich ungerechtfertigt seien. Deshalb will ich dem Parlament aus dem mehrseitigen Schriftsatz der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände einmal alle sechs Spiegelstriche zur Kenntnis geben, weil dieses Schreiben aufgrund der vorgezogenen Anhörung durch das Innenministerium nicht alle Kolleginnen und Kollegen bekommen haben. All das werden wir im Ausschuss, in dem wir zu diesem Gesetzentwurf auch noch eine Anhörung durchführen werden, auch noch einmal leibhaftig zu hören bekommen.

Die Kommunen sagen: Es gibt keine Abbildung der tatsächlichen Kosten auf der Grundlage der Asylbewerberleistungsstatistik. Es findet keine Berücksichtigung der steigenden Anzahl analoger Leistungsempfänger nach SGB VII statt. Es gibt keine ausreichende Berücksichtigung der steigenden Kosten für Krankenhilfe und Hilfe zur Pflege sowie Eingliederungshilfe. Es gibt keine Berücksichtigung der neuen Leistungen für Bildung und Teilhabe gemäß § 28 SGB II, auf die seit 2011 ein Rechtsanspruch besteht bzw. die analog gewährt werden sollen. Es gibt keine Anpassungsklausel für den Fall einer gesetzlichen Erhöhung der Regelleistung infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminimum. Es erfolgt mit diesem Gesetzentwurf keine Trennung der Kostenpauschalen und der Erstattungszeiträume für den Personenkreis der Kontingentflüchtlinge. - Das ist die komplette Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände, Herr Minister, und nicht nur eine Auswahl, wie Sie sie eben getroffen haben.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Genau!)

Wir stellen darüber hinaus fest, dass jetzt die Chance vertan wird, mit einer Novellierung des Aufnahmegesetzes auch Fragen der dezentralen Unterbringung anzugehen. Es ist ja ein Gesetzentwurf der Grünen im Verfahren, an den Sie sich jetzt angehängt haben. Den Gesetzentwurf der Grünen halten wir von seinem Duktus her für viel sinnvoller und richtiger. Beide Gesetzentwürfe werden nun im Innenausschuss parallel beraten.

Wir werden in diesen Beratungen eines tun: Wir werden - auch das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten - folgende Formulierung sehr stark unterstützen:

„Asylbewerber werden derzeit in Niedersachsen zentral in ZAABs untergebracht. Nicht selten führt dies zu sozialen und psychischen Extremsituationen, die nur schwer durch den Nutzen der zentralen Unterbringung begründbar sind. Gerade die häufig extrem langen und teilweise mehrjährigen Asylverfahren sind ein Kritikpunkt im Zusammenhang mit der zentralen Unterbringung von Asylbewerbern. In einigen Bundesländern sind zudem sehr positive Erfahrungen mit der dezentralen Unterbringung gemacht worden. Auch in Niedersachsen sind die Erfahrungen mit der Auflösung der ZAAB Blankenburg überaus positiv. Die betreffenden Kommunen berichten sogar über geringere Kosten als für die zentrale Unterbringung. Aus diesem Grund“

- und jetzt kommt es -

„spricht sich die FDP-Fraktion“

- ich zitiere nämlich aus deren Zehn-Punkte-Papier -

„dafür aus, diesen vielversprechenden Weg weiter zu verfolgen, vor allem durch mehr Spielraum der Kommunen bei der Planung der Unterbringung der Asylbewerber. Kommunen müssen die Möglichkeit erhalten, sich für Formen der dezentralen Unterbringung zu entscheiden. Leider sind ZAABs noch nicht immer verzichtbar. Wenn Asylverfahren sich jedoch nicht selten über mehrere Jahre erstrecken, ist es kaum zu rechtfertigen, die Betroffenen bewusst und unnötig in der gesellschaftlichen Isolation zu halten.“

Herzlichen Glückwunsch Herr Kollege Oetjen! Wenn Sie diese Formulierung im Innenausschuss als Änderungsvorschlag einbringen, stehen wir an Ihrer Seite und werden Ihnen zur Mehrheit verhelfen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nicht der Geist des schünemannschen Gesetzentwurfs. Der Geist des schünemannschen Gesetzentwurfs sollte durch die FDP und die drei Oppositionsfraktionen im Sinne dessen, was ich eben aus dem Zehn-Punkte-Programm der FDP zitiert habe, umgewandelt werden, nicht in ein

technokratisches Aufnahmegesetz, sondern in ein Gesetz, das deutlich macht, dass in diesem Land auch eine Willkommenskultur herrscht.

Vielleicht können wir die Kostenerstattung für die Kommunen so liberal gestalten, wie das NordrheinWestfalen mit seiner neuen Landesregierung tut. Dort ist daraus eine Integrationspauschale gemacht worden, die es den Kommunen ermöglicht, mit der Landeshilfe für diejenigen Menschen, die zu einem großen Teil in Niedersachsen bleiben werden, weil es Rückführungs- und Abschiebungshindernisse gibt, die Integration vom ersten Tag an zu gewährleisten.

Das ist der Geist der FDP. Sie haben dies gut bei den Oppositionsfraktionen abgeschrieben und übernommen. Jetzt verhelfen wir Ihnen zur Mehrheit gegen Herrn Schünemann.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Hiebing das Wort. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Aufnahmegesetz regelt zum einen die Aufnahmeverpflichtung von Kommunen für bestimmte ausländische Personen und Personengruppen und zum anderen die Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im übertragenen Wirkungskreis sowie die Ansprüche der Landkreise und kreisfreien Städte und die damit verbundene Kostenabgeltung durch das Land.

Das Land Niedersachsen ist nach dem Asylverfahrensgesetz und dem Aufenthaltsgesetz verpflichtet, einen Teil der im Bundesgebiet um Asyl Nachsuchenden oder unerlaubt eingereisten ausländischen Staatsangehörigen aufzunehmen. Die Aufnahmequote richtet sich nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel. Das Aufnahmegesetz füllt insofern die bundesrechtliche Ermächtigung aus, eine landesinterne Verteilung der auf das Land Niedersachsen verteilten ausländischen Staatsangehörigen vorzunehmen und das Asylbewerberleistungsgesetz insofern anzuwenden.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das ist verfas- sungswidrig!)

Darüber hinaus wird die Aufnahme, Unterbringung und Verteilung der Ausländerinnen und Ausländer innerhalb des Landes geregelt. Zuständig für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes sind in Niedersachsen die Landkreise und kreisfreien Städte, die dies als Aufgabe des sogenannten übertragenen Wirkungskreises wahrnehmen, sofern nicht die Unterbringung und Versorgung in landeseigenen Einrichtungen erfolgt. Es gibt in Niedersachsen durchaus beides. Wir haben in den Kommunen Asylbewerber, die dort dezentral untergebracht sind, und wir haben landeseinheitliche zentrale Einrichtungen. Beides ist in Niedersachsen üblich und inzwischen auch bewährt.

Meine Damen und Herren, die Zuweisung und Verteilung der ausländischen Flüchtlinge kann durchaus auch dezentral auf die Gemeinden erfolgen. Das sagte ich schon. Die grundsätzliche Zuständigkeit der Landkreise und kreisfreien Städte für die Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes bleibt hiervon jedoch auch in Zukunft unberührt. Die Landkreise und kreisfreien Städte erhalten als finanziellen Ausgleich eine nach Personenzahlen ermittelte Jahrespauschale. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf soll dieser Pauschalbetrag gegenüber dem Gesetz aus 2004 angepasst werden. Damit wird einer längerfristigen Forderung der Kommunen entsprochen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Polat?

Ich möchte das hier gerne erst zu Ende bringen, verehrte Frau Kollegin.

(Unruhe)

Einen kleinen Moment! Ich möchte im gleichen Atemzug um Ruhe bitten. - Danke.

Zugleich ist es aufgrund von Änderungen in Bundesgesetzen, im Einzelnen des Aufenthaltsgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches, notwendig und auch sinnvoll, das Aufnahmegesetz hinsichtlich der dort genannten Personen und Personengruppen an die Terminologien, Zuordnungen und Verweisungen anzupassen. Ziel ist mithin auch eine Rechtsvereinheitlichung. Gleichzeitig

sollen die Personengruppen eindeutiger und übersichtlicher dargestellt werden. Damit soll eine ständige Anpassung an Änderungen des Aufenthaltsgesetzes oder des Asylbewerberleistungsgesetzes vermieden werden. Vor allem aber wird damit eine Klarstellung der in der Praxis aufgetretenen Auslegungsfragen erzielt.

Mit der Erhöhung der jährlichen Kostenabgeltungspauschale wird der Kostenentwicklung der vergangenen Jahre Rechnung getragen. Hierauf werde ich aber noch gesondert eingehen.

Meine Damen und Herren, es ist zunächst einmal wichtig, dass der finanzielle Ausgleich für die Kommunen für Aufgaben nach dem Aufnahmegesetz unangetastet bleibt. Es sind weder den Kommunen zusätzliche Aufgaben übertragen worden, noch werden vorhandene Aufgaben in ihrem Umfang erweitert. Das darf man hier einmal feststellen.

Zu den Pauschalen hatte Herr Minister Schünemann schon ausgeführt. Ich kann mir deshalb wohl die Zahlen ersparen und merke nur an, dass im Landeshaushalt insgesamt höhere Zahlen abgebildet werden müssen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Von dem im Haushaltsjahr 2012 vorgesehenen Ansatz in Höhe von 13,9 Millionen Euro entfallen 4,2 Millionen auf die Abrechnung des Jahres 2011. In den Folgejahren ist von einem jährlichen Anstieg auszugehen.

Natürlich wurden die kommunalen Spitzenverbände angehört. Sie begrüßten den Gesetzentwurf grundsätzlich hinsichtlich der Vereinheitlichung von Begriffen sowie hinsichtlich der Erhöhung der an die Kommunen zu zahlenden Pauschale. Natürlich sind sie als zu gering bewertet worden. Gleichwohl gilt es, hier die Abbildung der tatsächlichen Kosten festzustellen.

Allerdings ist anzumerken, meine Damen und Herren, dass das Land die notwendigen Kosten zu tragen hat. Zu deren Ermittlung wurden verschiedene Berechnungsmodelle betrachtet und auch untersucht. Der Minister hat das eben hier ausgeführt. Diese Methode basiert auf der Entwicklung der tatsächlich messbaren Kosten und berücksichtigt auch die Preisentwicklung der vergangenen Jahre. Die Kommunen haben speziell die Forderung erhoben, dass neben der Pauschale zusätzlich auch Krankheitskosten abgerechnet werden sollen. Diese sind allerdings in der Pauschale schon enthalten.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Was ist denn mit der Forderung der Wohlfahrtsver- bände?)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung geht nicht nur in die richtige Richtung, sondern dient auch der Verwaltungsvereinfachung und der Rechtsvereinheitlichung und stellt die Kommunen des Landes darüber hinaus finanziell besser als bisher. Wir begrüßen den Gesetzentwurf ausdrücklich

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das war klar!)

und sehen den weiteren Beratungen im Ausschuss gern entgegen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Filiz Polat [GRÜNE]: Ein bisschen parlamentarische Kritik wäre auch ganz schön gewesen!)