Wissen Sie, Sie sagen die ganze Zeit, das ist ein wichtiges Thema, und dann sabbeln Sie die ganze Zeit da vorne rum.
Frau Korter spricht die ganze Zeit vor sich hin. Ich könnte auch gutgläubig unterstellen, dass sie laut denkt.
Inklusion beginnt in den Köpfen. Deswegen ist es nicht einfach, zu sagen: Wir machen ein Gesetz, und dann kommt es in Niedersachsen zur Inklusion. - Wichtig ist, dass wir an den Schulen dieses Landes jetzt den ersten Schritt machen. Das wollen wir gemeinsam machen. Das wollen wir durchaus auch gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen machen; denn ich glaube, dass es ein falsches Signal für Inklusion wäre, wenn man sich in dieser wichtigen gesellschaftspolitischen Frage im Streit entzweit.
Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass ich als Schüler das erste Mal mit anderen behinderten Kindern zusammengetroffen bin, als ich 15, 16 Jahre alt gewesen bin und wir mit meiner Fußballmannschaft gegen eine Mannschaft der Stiftung Neuerkerode gespielt haben. Genau das ist das Problem, das wir beheben wollen. Wir wollen nämlich die Normalität des Anderssein des jeweils anderen von unten wachsen lassen. Dadurch wird dann Inklusion entstehen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann muss man Rahmenbedingungen schaffen, die dafür geeignet sind!)
- Ich komme jetzt sehr gerne zu den Rahmenbedingungen, die wir mit diesem Gesetzentwurf setzen. Wir wollen nämlich ein Elternwahlrecht einräumen und sagen: Jawohl, die Eltern entscheiden über den Schulort der Kinder. - In der Vergangenheit hat das die Landesschulbehörde aufgrund von organisatorischen und finanziellen Rahmenbedin
gungen gemacht. Zukünftig werden das die Eltern entscheiden. Das ist ein freies Elternwahlrecht, das möglicherweise nur unter sehr, sehr stark eingegrenzten Bedingungen eingeschränkt werden kann. Auch das ist in der Diskussion nicht sachgerecht dargestellt worden.
Natürlich steht in unserem Gesetzentwurf an zwei Stellen, dass es durchaus möglich ist, eine andere Schule zu wählen. So ist beispielsweise in § 59 Abs. 5 unseres Gesetzentwurfs vorgesehen, dass die Landesschulbehörde nach vorhergehendem Beschluss der Schule eine abweichende Entscheidung treffen kann. Das ist übrigens eine Regelung, die in beide Richtungen anwendbar ist.
Das heißt nämlich nicht, dass die Landesschulbehörde automatisch die Förderschule wählt. Vielmehr kann diese Regelung sehr wohl auch derart angewendet werden, dass dann, wenn sich Eltern für die Förderschule entscheiden, aber sowohl die Förderschule als auch die Landesschulbehörde zu der Überzeugung kommen, dass man die Ziele auch in einer Regelschule und mit der sonderpädagogischen Unterstützung erreichen kann, eine Beschulung in der Regelschule vorgenommen wird. Auch in diese Richtung kann ein Elternwahlrecht zukünftig möglicherweise eingeschränkt werden.
Die zweite Stelle ist § 61 des Schulgesetzes. In der Tat muss man sich vor Augen halten, welch schwerer Eingriff das ist. Es ist eben nicht so, dass das ein ganz einfaches, lapidares Schreiben wird, und schon wird die Schule gewechselt. In unserem Gesetzentwurf heißt es:
„Eine Maßnahme nach Absatz 3 Nr. 5 setzt außerdem voraus, dass zu erwarten ist, dass eine Schülerin oder ein Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung aufgrund ihrer oder seiner Behinderung auch in Zukunft durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährden oder den Schulbetrieb nachhaltig und schwer beeinträchtigen wird.“
Das ist schon eine sehr hohe Hürde, die von uns in das Gesetz genommen werden soll, um überhaupt zu einer solchen Maßnahme zu kommen. Da müssen Sie sich dann wirklich mit betroffenen Eltern unterhalten. Hier geht es im Wesentlichen auch um
Ich sage Ihnen eines: Inklusion erreicht man eben nicht, wenn ein Kind andere Kinder und auch Lehrkräfte in der Schule massiv gefährdet. Wir alle, die wir in den Schulen unterwegs sind - das unterstelle ich uns allen -, kennen mittlerweile die zum Teil massiven Probleme, die es dort gibt.
Schüler können gerade im jungen Alter sichtbare und wahrnehmbare Behinderungen sehr leicht erkennen, wahrnehmen, beurteilen und lernen, damit umzugehen. Aber gerade im sozialen und emotionalen Bereich ist es für einen Drittklässler äußerst schwierig zu verstehen, warum er von einem anderen Schüler auf dem Schulhof verprügelt wird und warum noch auf ihn eingetreten wird, wenn er bereits am Boden liegt.
Wenn Sie dann zu einem Drittklässler, der das erlitten hat, gehen und sagen, dass der andere Schüler Probleme im sozialen und emotionalen Bereich hat, dann werden Sie dort auf wenig Verständnis stoßen. Auch damit müssen wir zukünftig umgehen, wenn Inklusion gelingen soll.
Lassen Sie mich zum Abschluss sagen: Am Ende wird nicht das Gesetz entscheidend sein, sondern es wird entscheidend sein, wie wir das draußen vorleben. Deswegen appelliere ich nochmals an die Oppositionsfraktionen, gemeinsam mit uns im Sinne aller Menschen in Niedersachsen zu einem guten Gesetz zu kommen.
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Das Verfahren ist bekannt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Försterling, reden wir genau über den Bereich der sozialen und emotionalen Entwicklung.
Wir haben in Südtirol gelernt, dass es dort tatsächlich die größten Probleme gibt. Aber schwierige Kinder werden durch eine schwierige soziale Situation beeinflusst, und ihre Schwierigkeiten haben etwas mit den schulischen Rahmenbedingungen zu tun. Insofern kann es für mich nicht die Lösung sein, sie auf die Förderschule abzuschieben; denn um nichts anderes geht es. Dafür müssen andere Lösungen gefunden werden. Ich weigere mich, etwas mit einer solchen Definition als Ordnungsmaßnahme zu akzeptieren. Das ist für mich völlig indiskutabel!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Reichwaldt, an dieser Stelle möchte ich an Sie appellieren, sich nochmals die Beispiele sehr genau durchzulesen, die wir in der Anhörung zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gehört haben. Dabei wurde deutlich, dass man insbesondere den Kindern mit sozialem und emotionalem Unterstützungsbedarf in einer geschützteren Umgebung wesentlich besser helfen konnte als in einer Regelschule.
Im Zweifel geht es auch darum, den am besten geeigneten Ort für die Unterstützung des betroffenen Kindes zu finden. Da kann es manchmal sehr sinnvoll sein, wenn das in wesentlich kleineren Gruppen an einem anderen Ort stattfindet. Das heißt ja nicht, dass hier eine Dauermaßnahme vollzogen werden soll. Wenn die Maßnahme Erfolg zeigt, soll vielmehr wieder der Versuch unternommen werden, das Kind in einer Regelschule zu unterrichten. Darum geht es doch! Wir müssen doch auch die Möglichkeit haben, dem einzelnen Kind individuell Unterstützung zu leisten.
Nicht in der Antwort auf die Kurzintervention, Herr Präsident. - Darum geht es hier. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf Rahmenbedingungen schaffen, um jedem Kind gezielt helfen zu können. Wenn Sie im Beratungsverfahren Lösungsvor
schläge einbringen, die uns davon überzeugen, dass diese Maßnahme nie erforderlich sein wird, dann sind wir sicherlich die letzten, die sich gegen eine Streichung wehren würden. Aber in all den Gesprächen in den letzten zweieinhalb Jahren zu diesem Thema konnte mir leider noch niemand eine Lösung präsentieren, die für die Schulen vor Ort handhabbar ist. Der Besuch in Südtirol hat gezeigt, dass auch dort im Zweifelsfall die Schüler tagelang aus dem Unterricht herausgenommen werden.
Ich erteile jetzt dem Kollegen Klare das Wort. Die Restredezeit für die CDU-Fraktion beträgt elf Minuten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf einige Dinge eingehen, zuerst auf den Zeitfaktor.
Es ist wird immer wieder gesagt, wir hätten den Gesetzentwurf schon vor zwei oder drei Jahren einbringen können. Das hätten wir sicherlich machen können. Aber nach meinen Erfahrungen und nach vielen Gesprächen in Förderschulen, Grundschulen und weiterführenden Schulen ist für mich deutlich geworden: Jede überstürzte Einführung eines so weitgehenden Gesetzes, wie es das Inklusionsgesetz ist, würde den ganzen Prozess gefährden. - Das ist die erste Aussage.
Das ist die Erfahrung, die wir in anderen Bundesländern gemacht haben. Meine Damen und Herren, schauen Sie einmal nach Bremen und Hamburg. In beiden Ländern haben die Plätze nicht ausgereicht, oder die Lehrer beschweren sich massiv über die Abläufe und sind nicht mehr bereit, den Prozess so zu begleiten. Diese Inklusionsgesetze stehen fast vor dem Scheitern - was ich nicht hoffen will. Deswegen sage ich es noch einmal. Eine überstürzte Einführung ist in dieser Frage das Falscheste, was man machen kann.
Die Lehrkräfte sind wirklich - das kann man ihnen auch nicht verdenken - verunsichert, zum Teil sogar ängstlich. Sie schauen auf das, was da kommt. Auch Eltern, die keine behinderten Kinder haben, aber auch die Eltern von Kindern mit einem besonderen Förderbedarf schauen darauf und müssen sich erst einmal daran gewöhnen. Das ist ein lan
ger Prozess. Aber auch die Kinder selbst, meine Damen und Herren, brauchen in diesem Prozess eine gewisse Zeit.
Ich kann nur sagen: Alles, was wir überstürzt machen, heißt: Es geht in einen Prozess hinein, der möglicherweise nicht so gelingen kann, wie er gelingen würde, wenn man ihn langsam und behutsam, mit Informationen und Lehrerfortbildung in Gang bringt.
Der zweite Punkt, meine Damen und Herren, auf den ich eingehen möchte, betrifft die Frage, ob das Gesetz weit genug geht. Wir haben jetzt sichergestellt, dass dieser Gesetzentwurf das weitestgehende Gesetz zur Inklusion ist, dass es in diesem Land Niedersachsen je gab.