Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Die Antwort der Landesregierung zeigt, dass man sich in Niedersachsen verantwortungsvoll und gewissenhaft um die minderjährigen bzw. vermeintlich minderjährigen Flüchtlinge kümmert. Die Kinder und Jugendlichen werden untersucht, und das Alter wird nach medizinischen Gutachten und anderen Möglichkeiten festgelegt.

Vielleicht können Sie hier einmal einen Vorschlag machen, wie man das Alter eines jungen Menschen alternativ bestimmen könnte. Dazu habe ich hier bisher aber nichts gehört.

Ferner werden die Minderjährigen in Familien oder in geeigneten Jugendhilfeeinrichtungen wie z. B. im Sozialwerk Nazareth untergebracht. Erwachsene werden in die Erstaufnahmestelle der Landesaufnahmebehörde in Niedersachsen gebracht.

Aufgrund dessen, dass die Kommunen keine einheitlichen Statistiken über die minderjährigen Flüchtlinge führen und nur etwas mehr als die Hälfte der niedersächsischen Jugendhilfe- und Ausländerbehörden ihre Zahlen zurückgemeldet haben, sind konkrete Rückschlüsse schwierig.

Ich verwahre mich aber gegen den Vorwurf von Frau Zimmermann, den sie hier wiederholt hat und der so auch in der Allgemeinen Zeitung des Landkreises Uelzen vom 9. November stand. Dort monieren Sie, dass der Landesregierung zu 43 Jugendlichen keine näheren Informationen darüber übermittelt wurden, wo diese Jugendlichen zurzeit untergebracht sind. Ich zitiere Sie hier:

„Über den Verbleib der Jugendlichen müssten die Zuständigen Bescheid wissen. ‚Sonst haben sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht.’“

So Pia Zimmermann, Fraktion der Linken.

Ich halte diesen Vorwurf gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Landkreisen, die sich darum kümmern, für nicht in Ordnung. Das will ich Ihnen an dieser Stelle einmal deutlich sagen.

Vielmehr versuchen die örtlichen Behörden, eine geeignete Unterbringung zu finden und zu besorgen.

Im Übrigen wird in der Antwort auf die Frage 8 der Großen Anfrage noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass keinem unbegleiteten minderjährigen Ausländer aufgrund von Zweifeln an seiner Minderjährigkeit die Inobhutnahme verweigert wurde. Das zeigt doch das hohe Maß an Verantwortlichkeit, an Fürsorge und an vorsorglichem Handeln der örtlichen Behörden.

Des Weiteren werden alle Anstrengungen unternommen, innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und auch Niedersachsens mögliche Verwandte zu finden. Im Zeitraum von 2008 bis zum 30. Juni 2011 sind insgesamt 102 unbegleitete Minderjährige mit Verwandten zusammengeführt worden. Das ist ein großer Erfolg der Behörden und dient letztendlich dem jungen Menschen, der ganz allein in diesem fremden Land ist und plötzlich wieder mit Familienmitgliedern zusammengeführt wird. Ich finde, das ist eine großartige Leistung der Behörden und nicht immer einfach.

(Beifall bei der CDU)

In dem bereits genannten Zeitraum wurden in Niedersachsen insgesamt 521 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Obhut genommen. Aktuell halten sich 111 bekannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Niedersachsen auf.

In der Tat kann man die von den Landkreisen gemeldeten Zahlen so interpretieren und feststellen, dass die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge angestiegen ist. Umso mehr müssen wir uns die Frage stellen, aus welchen Gründen dies der Fall ist. Blickt man dabei auf die bei den Behörden angegebenen Herkunftsländern, stellt man fest, dass es sich hier insbesondere um Länder und Regionen handelt, in denen Bürgerkriege stattfinden oder bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen. In einigen Fällen kann die Staatsangehörigkeit nicht sofort geklärt werden, sondern muss noch geprüft werden.

Hier müssen wir - auch wenn es sich um Minderjährige handelt - bei der Einzelfallprüfung bleiben, um festzustellen, woher die jungen Menschen kommen, welche Motive sie haben, ob sie unseres Schutzes bedürfen oder ob wir Hilfestellung bei der Rückführung geben können. Die Kinder und Jugendlichen werden aber nicht nur in Obhut genommen, sondern bekommen, falls erforderlich, auch einen Vormund. Auch finanzielle Hilfe in Form

von Jugendhilfeleistungen wurde in 68 Fällen gewährt.

Positiv erwähnen möchte ich auch, dass die jungen Menschen nicht nur versorgt und bei den bürokratischen Prozessen begleitet werden, sondern dass auch ein passendes Bildungsangebot gesucht wird. So besuchen 332 eine Regelschule und 323 einen Sprachkurs. Ich finde, es ist richtig, dass man versucht, sie in der Zeit, die sie hier sind, bereits frühzeitig den Bildungseinrichtungen zuzuführen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die ständige Kritik der linken Seite des Hauses, Niedersachsen würde eine zu restriktive Asyl- und Ausländerpolitik betreiben, kann man mit der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge klar widerlegen.

(Glocke der Präsidentin)

Von den 101 Anträgen aus Niedersachsen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wurden aus humanitären Gründen nur 11 abgelehnt. 61 junge Menschen bekamen eine Aufenthaltserlaubnis, und in 30 Fällen ist noch nicht entschieden.

Auch in den wenigen Fällen der Rückführung junger Menschen wurde dafür Sorge getragen, dass die Kinder und Jugendlichen bei der Rückkehr in ihr Heimatland in die Obhut der Eltern, Verwandten oder Mitarbeiter von Jugendhilfeeinrichtungen gelangen. Es ist doch selbstverständlich, dass wir Kinder nicht einfach in ein Flugzeug setzen, ohne dass geklärt ist, was in dem Heimatland mit den Kindern passiert, sondern klären, dass sie dort entsprechend empfangen und dann entsprechend an Eltern, Verwandte und an Behörden übergeben werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Abschließend möchte ich feststellen - - -

(Glocke der Präsidentin)

Einen letzten Satz!

Abschließend möchte feststellen, dass wir an der Einzelfallprüfung festhalten müssen und dass wir in die Welt nicht das Signal aussenden dürfen, dass eine Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erleichtert wird. Damit schaffen wir nicht nur falsche Hoffnungen und Perspektiven, sondern unter

stützen auch noch die organisierte Kriminalität von Schlepperbanden und wirken mit beim weltweiten Menschenhandel. Dem sollten wir entgegentreten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Focke. - Zwei Wünsche auf Kurzintervention liegen vor. Zunächst hat für anderthalb Minuten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Polat das Wort!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Focke, ich habe Ihnen vorgeworfen, dass Sie keine Ahnung haben. Ich gebe Ihnen recht: Sie müssen nicht wissen, wann ich in den Niedersächsischen Landtag eingezogen bin. Aber Sie sollten, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir die Landesregierung oder die Bundesregierung zu Unrecht kritisieren, zumindest wissen, dass es nicht nur wir sind, die die Landesregierung und die Bundesregierung kritisieren,

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

sondern dies eine Vielzahl von internationalen Organisationen tut. Ich lasse hier mal die Kirchen außen vor und nenne nur die internationalen Organisationen.

Die UN rügt die Bundesrepublik Deutschland - und hier natürlich auch eingeschlossen das Land Niedersachsen - für den Umgang mit Flüchtlingen. Ich zitiere einmal aus der taz vom 22. Mai 2011: Mit großer Besorgnis nehme der UN-Sozialausschuss die Situation der Asylsuchenden zur Kenntnis. - Das ist in dem aktuellen Abschlussbericht nachzulesen, der in diesem Jahr in Genf vorgestellt worden ist.

Ich habe mehrfach den Menschenrechtskommissar des Europarates zitiert. Wir tauchen mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Flüchtlingen alljährlich im Bericht von amnesty international auf. Ich kann diese Kette noch weiter fortsetzen. Nicht nur wir kritisieren das, sondern es ist wirklich eine Bandbreite von Organisationen - auch von Organisationen, die nicht den Anschein haben, dass sie irgendwie anrüchig sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Ebenfalls in Reaktion auf Herrn Focke spricht von der Fraktion DIE LINKE Frau Zimmermann für anderthalb Minuten.

Danke, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Herr Focke, Sie sprechen hier von humanitärer Flüchtlingspolitik. Frau Polat hat es schon angedeutet. Ich will trotzdem noch einmal über die Kirchen sprechen, weil sie wichtig sind. Die Kirchen hatten nämlich vor einiger Zeit eine Aktionswoche und haben für ein humaneres Bleiberecht gekämpft. Vor dem Hintergrund frage ich mich, warum die Kirchen das machen, wenn die Flüchtlingspolitik doch tatsächlich so human ist, wie Sie und auch Herr Schünemann sie hier beschreiben. Das ist nämlich nicht der Fall. Einige von uns hier haben bei dieser Aktion eine Stunde lang im Braunschweiger Dom zu diesem Thema vorgelesen, u. a. auch ich, weil mir diese Sache wichtig ist.

Herr Focke, ich will Ihnen noch etwas anderes sagen, weil Sie offensichtlich die Antwort auf unsere Großen Anfrage überhaupt nicht durchgelesen haben. Auf der Seite 8 steht unter Punkt 5 c: „Über die Unterbringung von 43 Jugendlichen fehlen nähere Informationen.“ - Wenn man aber das Kindeswohl so voranstellt, dann muss man doch wissen, wo diese 43 Kinder und Jugendlichen geblieben sind.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Man kann doch auch bösartig vermuten, dass sie vielleicht in irgendeinem Flieger gelandet sind oder weiß der Kuckuck was mit ihnen passiert ist. Also so geht es nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Focke steht schon auf. Er möchte antworten. Auch Sie haben 90 Sekunden Redezeit.

(Jutta Rübke [SPD]: Aber wirklich nur 90 Sekunden!)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Polat und Frau Zimmermann, auch jetzt haben Sie wieder versucht, die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen als einen Staat darzustellen, der nicht

nach Recht und Gesetz handelt. Das stimmt nicht. Jeder, der hierherkommt, nach den Genfer Flüchtlingskonventionen anerkannt ist,

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

jeder, der in seiner Heimat - nachgewiesen - von Tod und Folter bedroht ist, hat den Schutz in Deutschland rechtlich verbrieft bekommen und wird auch hierbleiben dürfen. Alles andere, was Sie hier darstellen, ist faktisch falsch. Aber es gibt bei Prüfungen nun auch einmal Ergebnisse, wonach diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Dieser Staat wird auch weiterhin daran arbeiten, diese Menschen geordnet in ihre Heimatländer zurückzuführen.