Protokoll der Sitzung vom 07.12.2011

Die sind in der Lage, völlig ohne V-Leute und geheimdienstliche Mittel viel mehr Informationen zu bekommen, als Ihr Verfassungsschutz jemals liefern kann, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die V-Leute achten in Wahrheit häufig sehr genau darauf, nichts Verfängliches über ihre Kameradinnen und Kameraden mitzuteilen. Sie greifen die Honorare ab, aber liefern überwiegend nur Unverfängliches.

Gleichzeitig aber enthalten Sie, Herr Schünemann, der Öffentlichkeit wesentliche Fakten rund um den V-Mann-Einsatz vor. Die Öffentlichkeit weiß nicht,

wie viele V-Leute Sie eigentlich in der NPD haben. Die Öffentlichkeit weiß nicht, wie viel Geld in den letzten Jahren über die V-Leute an die NPD und in andere Nazistrukturen geflossen ist. Das geht eigentlich nicht in einer Demokratie! Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie und mit welchen finanziellen Mitteln die NPD und die Naziszene beobachtet werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Klaus-Peter Bach- mann [SPD]: Die Frage wurde noch nicht mal bei uns im Innenausschuss beantwortet!)

Ich komme jetzt auf Herrn Rolfes zu sprechen. Herr Kollege Rolfes, Sie haben hier gestern gesagt, Sie verstünden die Argumentation der Opposition nicht. Der Verfassungsschutz werde kritisiert, er sei auf dem rechten Auge blind, aber V-Leute dürfe er auch nicht haben. - Nebenbei: Ich habe diesen Satz so nicht gesagt, Herr Rolfes; darauf möchte ich ausdrücklich hinweisen.

Herr Rolfes, ich erkläre Ihnen gerne das Problem: Der Verfassungsschutz hat - das scheint Ihnen nicht bekannt zu sein - zahlreiche Mittel zur Informationsgewinnung. Er hat nicht nur die V-Leute. Dass er nur die V-Leute hat, ist die Mär, die immer wieder verbreitet wird. Aber das ist falsch. Der Verfassungsschutz hat ein ganzes Instrumentarium an Methoden, von der Beobachtung öffentlich zugänglicher Quellen über Observation bis hin zu Abhörmaßnahmen, meine Damen und Herren.

(Fritz Güntzler [CDU]: Alles ist wichtig! - Heinz Rolfes [CDU]: Alles richtig, al- les wichtig!)

All das kann Ihre Superbehörde einsetzen, ganz ohne V-Leute. Darüber hinaus habe ich bereits auf die von Journalistinnen und Journalisten recherchierten Fakten verwiesen. Auch das schaffen wir ganz ohne V-Leute. Die V-Leute in Führungsgremien der NPD - und nur um diese geht es - sind verzichtbar. Wir sollten auf diese staatlich bezahlten Nazis verzichten.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat eine wirklich fürchterliche Geschichte mit Blick auf den Umgang mit V-Leuten. Beim Celler Loch waren staatlich bezahlte Bombenleger am Werk. Es wäre für den Rechtsstaat eine erschütternde Erkenntnis, wenn sich erweisen sollte, dass es im Falle der

Jenaer Terrorzelle auch staatlich bezahlte Mordhelfer gegeben haben sollte.

Um von all dieser Kritik abzulenken, haben Sie, Herr Schünemann, einen eigenen Vorschlag erstellen lassen, wie die NPD wenigstens von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden könnte, und zwar durch eine Grundgesetzänderung und eine dann folgende Kommission beim Bundestagspräsidenten. Bei allem Respekt vor dem Ersteller des Gutachtens, Herrn Professor Epping: Dieser Vorschlag ist aus zwei Gründen fatal.

Zum einen versuchen Sie damit, Herr Innenminister, unter Umgehung des Bundesverfassungsgerichtes einzelne Parteien von der so wichtigen staatlichen Parteienfinanzierung auszuschließen. Ich empfehle Ihnen sehr, dazu die Pressemitteilung Ihres Kabinettskollegen Herrn Busemann vom 18. November 2011 ganz genau zu lesen. Im vorletzten Absatz gibt er wichtige Hinweise. Sie können vom Justizminister noch eine ganze Menge lernen, Herr Schünemann. Eine solche Maßnahme ist in unserer Demokratie rechtlich höchst fragwürdig.

Zum anderen - darum geht es doch in Wahrheit - wollen Sie ein Instrument schaffen, um dann vermutlich als Nächstes die Partei DIE LINKE von der staatlichen Finanzierung abzukoppeln. Das steckt doch in Wahrheit hinter Ihrem Vorschlag, Herr Schünemann. Nein, dieser Weg ist ein Irrweg, und man sollte ihn nicht länger verfolgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Gehen Sie mit den SPD-geführten Ländern und Ihren vernünftigen CDU-Innenministerkollegen den sauberen und eindeutigen Weg des Verbots der Partei der NPD! Geben Sie Ihre sachlich nicht begründbare Blockadehaltung auf, Herr Innenminister!

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei den Grünen und bei der LINKEN)

Herr Oetjen von der FDP-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn meines Beitrags dem Kollegen Bachmann an die

ser Stelle deutlich sagen: Die Art und Weise, wie Sie sich in dieser Frage hier gerade eingelassen haben, trägt nicht dazu bei, dass das, was wir als demokratischen Konsens hier in diesem Hause haben, nämlich mit vereinten Kräften gegen Rechts zu kämpfen, gestärkt wird. Es ist unsäglich, was Sie hier in Richtung Blindheit gesagt haben. Das ist wirklich unter aller Kanone.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich glaube, dass uns die dargestellten erschreckenden Erkenntnisse dazu bringen müssen, eine konsequente Aufklärung auf den Weg zu bringen. Das sind wir insbesondere auch den Opfern der Rechtsterrorzelle schuldig. Die Frage, wie eng die Verbindungen zwischen NPD auf der einen Seite und Rechtsterroristen auf der anderen Seite sind, ist besonders in den Fokus zu nehmen; denn die Frage dieser Verstrickung - das ist hier sehr richtig dargestellt worden - ist für ein mögliches Verbotsverfahren eine ganz elementare Geschichte.

Die Frage, die sich uns dann allerdings stellt, ist - so wie es der Kollege Limburg gerade gesagt -, ob man hier einfach nur den Weg für ein NPDVerbotsverfahren freimachen muss, sodass dann alles andere ganz einfach ist. Nein, das ist natürlich nicht so, und das wissen Sie auch.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)

Wir haben sehr klare Vorgaben in unserem Grundgesetz, was das Verbot von Parteien angeht. Das ist eine Lehre unserer Geschichte. Das Bundesverfassungsgericht hat sehr deutlich gemacht, warum das NPD-Verbotsverfahren beim letzten Mal gescheitert ist. Ich sage hier ganz klar: Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, dass ein weiteres Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert; denn das wäre ein fataler Schlag für die Demokratie in Deutschland.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bin deswegen überzeugt, dass wir das derzeitige V-Leute-System, das es in den verschiedenen Bundesländern gibt, auf den Prüfstand stellen müssen. Wir müssen schauen, ob wir einheitliche Standards in den Bundesländern dafür, in welcher Art und Weise V-Leute genutzt werden, auf den Weg bringen können und ob es sinnvoll ist, so wie das der Kollege Limburg dargestellt hat, die V-Leute in den höheren Ebenen abzuschalten oder sie nicht mehr zu bezahlen, wie immer Sie das nennen möchten.

Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass wir weiterhin Erkenntnisse aus der rechten Szene bekommen und wissen, was dort getrieben wird und was sich beispielsweise in Richtung Waffen - wir haben hier gestern über die Waffenaffinität der Rechtsextremisten gesprochen -, in Richtung Vernetzung mit Terroristen oder in Richtung Vernetzung zwischen Kameradschaften und NPD tut. Deswegen sage ich hier ganz klar: Auch ein Abschalten der V-Leute muss gut überdacht werden; denn wir können es uns nicht leisten, keine weiteren Erkenntnisse mehr aus der rechten Szene zu bekommen.

(Beifall bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Die Frage ist doch, was Sie da bekommen! Da wird doch gelogen und betrogen! - Gegenruf von Heinz Rolfes [CDU]: Damit kennst du dich aus! Du bist vielleicht ein Spezialist!)

- Die Frage ist in der Tat, was wir da bekommen, verehrter Herr Kollege. Aber Sie wissen auch - wir haben gestern beispielsweise über die Waffenfunde gesprochen -, dass wir gerade in Niedersachsen einen höheren Standard hinsichtlich der V-Leute haben als manch andere Bundesländer.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist bestenfalls naiv, was Sie da machen! - Glocke des Präsidenten)

Gerade deswegen ist es wichtig, dass sich die Beteiligten, die ein NPD-Verbotsverfahren auf den Weg bringen können, nämlich Bund und Länder, zusammensetzen und darüber sprechen, inwieweit die Hürden des Bundesverfassungsgerichts in dem jetzigen System tatsächlich genommen werden können. Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Das NPD-Verbotsverfahren darf vor dem Bundesverfassungsgericht nicht noch einmal scheitern. Das wäre wirklich eine dramatische Situation für uns in der Demokratie.

(Beifall bei der FDP)

Ich will zum Schluss noch einmal all denjenigen sagen, die der Auffassung sind oder es hier so darstellen, dass sich mit einem Verbot der NPD die Probleme in Luft auflösen würden, dass das natürlich nicht der Fall ist.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das sagt kein Mensch! - Glocke des Prä- sidenten)

- Es ist gut, dass Sie das nicht sagen. Ich will das trotzdem noch einmal betonen.

Die Redezeit ist um. Bitte kommen Sie zu Ihrem letzten Satz.

Das mache ich gerne.

Sie wissen ganz genau, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass das Problem der Rechtsextremen in Deutschland mit der Frage der inneren Einstellung und der Gesinnung zu tun hat. Insofern ist das natürlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht einfach mit einem NPD-Verbotsverfahren getan.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Rolfes das Wort. Bitte schön, Herr Rolfes!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte kurz Herrn Bachmann ansprechen. Herr Bachmann, ich weiß, dass Sie Ihre Rede sehr emotional vorgetragen haben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass Ihre Rede von Abscheu gegenüber der NPD getragen war.

Ich möchte Sie aber doch darum bitten, das, was Sie zum Innenminister gesagt haben, als Sie den Eindruck erweckt haben, als würde man die rechte Szene nicht mit dem notwendigen Ernst beurteilen und betrachten, noch einmal zu lesen. Dann kommen Sie vielleicht selber auf die Idee, dass Sie sich hier einmal melden und sich dann dafür entschuldigen. Das sollte möglich sein.

Ich sage das mit aller Gelassenheit, weil Ihr Vortrag manchmal schwer erträglich ist. Gleichzeitig kenne ich Ihr Naturell. Man kann sagen: Das war vielleicht nicht böse gemeint, aber böse gesagt. - Von daher sollten Sie das einmal korrigieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich will mit einem Zitat des Bundestagsabgeordneten Wellenreuther beginnen: