Vernunft, Verlässlichkeit und Politik für die Menschen: Das sind die Attribute, die diese Koalition ausmachen. Das wissen die Menschen in Niedersachsen, und das werden sie durch ihren Stimmzettel bei der nächsten Landtagswahl honorieren.
Ein Problem ist nach wie vor die lange Dauer mancher Gerichtsverfahren. Zwar geht Sorgfalt vor Schnelligkeit, aber gutes Recht ist auch schnelles Recht. Deshalb begrüßen wir als FDP-Fraktion ausdrücklich das neue Bundesgesetz, wonach Betroffene bei überlangen Verfahren eine Entschädigung erhalten können. Optimal wäre es natürlich, wenn es gar keine überlangen Prozesse mehr gäbe. Aber schon allein wegen der richterlichen Unabhängigkeit, die unsere Verfassung zu Recht hoch hält, könnte das niemand 100-prozentig garantieren. Also muss das Land Vorsorge für solche Eventualitäten treffen. Wir haben dafür 3,1 Millionen Euro eingestellt.
Mit Erstaunen habe ich im Änderungsantrag der Grünen gelesen, dass Sie diesen Posten um rund 84 % kürzen wollen. Wir sind da lieber etwas zu vorsichtig als zu sorglos.
Interessant ist, wovon in dieser Haushaltsdebatte gar nicht mehr die Rede ist, obwohl sich die Opposition in früheren Jahren geradezu überschlagen hat, die Zukunft schwarzzumalen: Davon, dass unsere Haftanstalten so ausbruchsicher sind wie nie zuvor, redet niemand. Von der ehemals vehement angeprangerten Mehrfachbelegung von Hafträumen redet niemand mehr - einfach, weil es sie nicht mehr gibt. Skurrilerweise bekrittelt die Opposition jetzt - auch in den gerade gehaltenen Reden - Leerstände von Hafträumen, um den Neubau der Justizvollzugsanstalt in Bremervörde miesmachen zu können. Ich komme darauf später noch zurück.
Als wir im Zuge der Föderalismusreform den Justizvollzug in einem eigenen niedersächsischen Gesetz regeln wollten, hagelte es fast unisono Protest von sogenannten Fachleuten, die eine Abwärtsspirale der vollzuglichen Qualität zwischen
den einzelnen Bundesländer prophezeiten, einen Wettbewerb der Schäbigkeit. Nichts davon ist wahr geworden. Unser Chancenvollzug bewährt sich hervorragend. Die Kritiker sind verstummt.
Zur Resozialisierung der Strafgefangenen: Die Justizvollzugsanstalt Oldenburg hat den Sinn von Resozialisierung auf eine sehr einprägsame Formel gebracht: morgen dein Nachbar. - Gerade die niedersächsischen Konzepte zur Resozialisierung genießen hohes Ansehen. Resozialisierung: Das bedeutet für viele Gefangene zunächst einmal das Einüben eines geregelten Tagesablaufes und geregelte Arbeit. In unseren Justizvollzugsanstalten herrscht Vollbeschäftigung. Zu einer gelingenden Resozialisierung gehört aber mehr, gehören auch passgenaue Therapie und Bildungsangebote. Solche Angebote lassen sich in der nötigen Breite nur in größeren, relativ zentralen Einrichtungen zu vertretbaren Kosten realisieren. Deshalb - und nicht aus irgendwelchen neoliberalen Ideen heraus - bauen wir die Anstalt in Bremervörde und schaffen halb leere Kleinanstalten ab.
(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das glaubt Ihnen aber keiner! - Helge Limburg [GRÜNE]: Sie distanzieren sich von Ihren alten Ideen! Das finde ich gut!)
- Nein, ich distanziere mich durchaus nicht. Ich sage nur: Die Errichtung von Bremervörde - egal ob sie in staatlicher Regie oder in teils staatlicher, teils privater Regie erfolgt - ist aus Resozialisierungsgründen sinnvoll. Und das ist das Entscheidende!
Im Übrigen laufen in Bremervörde die Bauarbeiten genau nach Plan. Die Zusammenarbeit mit der privaten Bau- und Betreibergesellschaft ist bisher völlig problemlos.
Vielleicht - und das wäre eine Idee für die Zukunft - könnte man die Wiedereingliederung ehemaliger Strafgefangener auch dadurch erleichtern, dass man im Rahmen von Vollzugslockerungen auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung in das Maßnahmenspektrum des offenen Vollzuges einbezieht.
Das zweite große Bauvorhaben im Justizvollzug ist die Einrichtung einer eigenen Anstalt in Rosdorf für Täter in Sicherungsunterbringung nach den Standards, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat. Ich begrüße ausdrücklich, dass es am Ende zu einer länderübergreifenden, gemeinsamen Lösung für die nördlichen Bundesländer gekommen ist, wie ich sie seinerzeit als einer der Ersten vorgeschlagen hatte.
Als Osnabrücker begrüße ich natürlich sehr den Einstieg in den Neubau des Justizzentrums Osnabrück, immerhin eine Gesamtinvestition von 35 Millionen Euro, die ersten 6 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren. Nebenbei: Auch in Oldenburg wäre ein neues Justizzentrum überfällig, aber die dortigen Pläne - Insider wissen das - sind noch nicht wirklich umsetzungsreif.
Lassen Sie mich mit einem Gedanken abseits des Haushaltes schließen. In seiner Haushaltsrede 2010 hat Kollege Limburg leicht kritisch angemerkt - ich zitiere -:
Das stimmte, und das stimmt auch für den Haushalt 2011, und es ist richtig so. Recht setzt nicht auf Innovationen. Recht muss auf Kontinuität und auf Verlässlichkeit setzen. Der Rechtsstaat gibt den Menschen Halt und Sicherheit, gerade in einer Zeit, die vielen immer schnelllebiger und von kurzfristigen Modeströmungen geprägt scheint.
Die Informationsflut in den Medien und im Internet läuft oft auf Desinformation hinaus. Eine Gesellschaft kann nicht gut im Zustand dauernder Unsicherheit und permanenten Umbruchs funktionieren. Den Hype um Liquid Democracy finde ich deshalb äußerst bedenklich; denn Liquid Democracy mag zur freiwilligen Willensbildung in gesellschaftlichen Gruppen beitragen können, aber es ist kein Ersatz für echte Demokratie. Für mich jedenfalls sind Liquid Lawmaking oder Liquid Justice in einem Rechtsstaat undenkbar.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich für die bisherige Debatte des Justizetats bedanken, weil sie nicht so stereotyp verlief wie sonst gelegentlich: Für die Regierungsfraktionen ist alles toll und richtig, und die Opposition sagt, alles sei verkehrt und sie könnte es besser machen.
Ich denke, es ist durchaus gut, dass wir den Justizetat gemeinsam nach vorne diskutieren. Es ist auch ein Gewinn an Debattenkultur, wenn sich die Oppositionsfraktionen gegenseitig ein bisschen befehden und auf Schwächen im einen oder anderen Antrag hinweist. Das gehört dann dazu. Das Ganze mag uns dann nach vorne bringen.
Ausgangspunkt aller Betrachtungen für die Justiz ist der Anspruch des Bürgers, liebe Kolleginnen und Kollegen. Der Bürger hat Anspruch darauf, dass der Rechtsschutz im Lande funktioniert, dass die Rechtsgewährung funktioniert und dass Rechtssicherheit im Lande funktioniert. Wenn wir das oben anstellen, dürfen wir doch für Niedersachsen sagen: nichts ist perfekt. - Aber unter Einbeziehung Ihrer Wortbeiträge dürfen wir auch sagen: Unsere niedersächsische Justiz funktioniert letztlich gut, in machen Teilen sogar so gut - das sage ich mit einem gewissen Stolz -, dass andere Bundesländer schon mal nachfragen, warum es hier so gut geht und wie wir das miteinander erreichen.
Hier sind in verschiedenen Passagen Fragen wie die Verfahrensdauer und andere Geschichten angesprochen worden. Sicherlich sind wir da und dort nicht froh darüber, dass ein Verfahren so lange gedauert hat. Wir haben jetzt ja auch das Gesetz gegen überlange Verfahrensdauern bekommen. Es wird auch eine Herausforderung für den Justizminister und auch ein kleines Kunststück sein, die unabhängigen Gerichtsbarkeiten - wie soll ich sagen? - dahin gehend zu beeindrucken und zu motivieren, dass sie es einfach nicht dazu kommen lassen, dass eine Akte, dass ein Fall zu lange liegt. Denn so - in manchen Fällen haben wir das erlebt - wollen wir es nicht haben. Aber es gilt die Unabhängigkeit unserer Gerichte. Allerdings ist das eine oder andere auch über organisatorische Maßnahmen, über das Management in der Behörde durchaus in den Griff zu bekommen, sodass man die Zahl der Fälle, die es immer geben wird, doch so minimieren kann, dass es vertretbar ist.
Da Verfahrensdauerverhältnisse da und dort angesprochen wurden, will ich auch ein paar positive Merkmale hierzu kundtun.
Über die Staatsanwaltschaften wird manchmal viel zu wenig gesprochen. Laut einer Statistik aus dem Jahr 2010 dauerte das durchschnittliche Ermittlungsverfahren, wenn wir den Zeitraum vom Eingang bei der Staatsanwaltschaft bis zur Abschlussentscheidung bei der Staatsanwaltschaft nehmen, nur 1,4 Monate. Damit liegen wir auf Platz 2 in der Bundesrepublik.
Nehmen wir die Oberlandesgerichte! Man denkt, dort müsse es unglaublich lange dauern. Aber bei den Berufungsverfahren liegen wir mit 5,7 Monaten im bundesweiten Vergleich auf dem zweiten Platz. Das hört sich doch recht moderat an.
Oder betrachten wir die strafrechtlichen Revisionsverfahren bei den OLGs: im Durchschnitt 0,8 Monate. Das ist im Grunde genommen blitzschnell. Das sollte man bei der Justiz gar nicht vermuten.
Aber auch wenn ich einmal die große Landschaft unserer elf Landgerichte in Berufungssachen betrachte: Dort erhält im Durchschnitt nach 5,2 Monaten das Urteil. Das hört sich so schlecht nicht an, wenn man weiß, mit welchen Fristen und Terminierungstakten man es alleine beim Schriftsatzwechsel zu tun hat. Das ist eigentlich ein sehr guter Wert, der dafür spricht, dass es im Land so schlecht gar nicht läuft.
Die Vollzugslandschaft ist angesprochen worden. Seien Sie einmal ehrlich: Wir Fachleute diskutieren dieses Thema natürlich, auch unter ideologischen Bedingungen. Aber hat denn die Bevölkerung so richtig gemerkt, welch große Reform in den letzten zwei, drei Jahren durchgeführt worden ist? - Das ging fast lautlos vonstatten. Da und dort gab es wenige Fragen dazu, wohin die Stellen gehen. Aber eigentlich hat es die Bevölkerung nicht gemerkt. Das ist ein gutes Zeichen. Das heißt auch, dass wir es im Großen und Ganzen richtig machen.
Herr Kollege Adler, es ist natürlich auch ein Lieblingsthema von Ihnen, aber ich gehe noch einmal auf Bremervörde ein. Nehmen Sie es als ÖPP einfach einmal hin! Die Entwicklung, was den Bau angeht, war ja zunächst etwas verkrampft. Aber der Baufortschritt ist jetzt super. Wenn es so wei
Dennoch wird die These vertreten: Er baut dort 300 Haftplätze für Gefangene, die er gar nicht hat. - Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Ich habe schon in den 90er-Jahren hier im Parlament gesessen. Damals gab es Überbelegungen. Da waren es 9 000 Gefangene auf kaum 6 500 Haftplätzen. Damals mussten wir noch mit Frau Alm-Merk über die Verhältnisse reichlich streiten. Lassen Sie uns froh sein, dass es sich jetzt in moderateren Verhältnissen bewegt!
Es ist richtig: Wir schaffen aus eher qualitativen Gründen 300 neue Haftplätze in Bremervörde. Aber durch die Stilllegung diverser kleinerer Standorte - Sie kennen das Thema und die Standorte - plus Stilllegung beispielsweise des Hauses 2 in Hannover - das alleine sind 139 Haftplätze - plus Verlust an Haftplätzen dadurch, dass wir immer mehr auf Einzelpersonenunterbringung gehen, haben wir in der Gegenrechnung 660 Haftplätze abgebaut. Damit Sie das auch einmal gewichten: Wir bauen nicht auf, sondern, in Haftplätzen gerechnet, geht es sogar eher etwas nach unten. Wir nehmen möglicherweise andere Standorte in Aussicht, wenn es sich demografisch oder sonstwie entsprechend anlässt. Ich will auch in Aussicht stellen: In Langenhagen gibt es noch eine Haftanstalt. Wir trennen das einmal vom Thema Abschiebungshaft. Wenn der Vertrag dort in einigen Jahren ausläuft, brauchen wir - so würde ich heute sagen - diese Haftanstalt nicht mehr.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE] - Hans- Dieter Haase [SPD]: Das ist ein Wort! Das nehmen wir an!)
Die Abschiebungshaft, Herr Kollege Limburg, ist ein spannendes Thema, betrifft aber ein Bundesgesetz. Wer also insoweit etwas abschaffen möchte, muss sich in Berlin strecken.
Nun zum Vollzug - zum Teil ist es angesprochen worden -: Derzeit besteht eine Auslastung von 91 %. Das ist fast ein Idealwert. An diesem sollten wir uns zunächst orientieren. Er beruht nicht darauf, dass unsere Straftäter etwa müde oder faul geworden sind, sondern das hat etwas damit zu tun, dass wir ein gutes Übergangsmanagement
es hat auch mit Straffälligenhilfe und mit vielen Ehrenamtlichen zu tun, die in diesem Bereich tätig sind. Das ist ein Wert, den man bei dieser Gelegenheit ansprechen darf.
85 % der Gefangenen sind - jedenfalls im geschlossenen Männervollzug - einzeln untergebracht. Das ist fast der Idealwert. Viel mehr geht nicht. Sie wissen, dass es in anderen Bundesländern anders aussieht. Ich schaue einmal nach Nordrhein-Westfalen, da Sie Niedersachsen gerne mit diesem Land vergleichen. Dort gibt es noch Drei- und Vierfachunterbringung pro Zelle. So soll es ja nicht sein. Ich denke, da sind wir miteinander längst auf einem anderen Diskussionsstand angekommen.
Ich will das Thema Strafvollzug mit einem kleinen Hinweis beenden. Wir haben dann und wann auch einmal Bedarf an einem neuen Gefangenentransporter.