Das heißt, dass in diesem Falle in Summe die Zielmarge der neu zu schaffenden Studienplätze erreicht wurde. Ob die neuen Kapazitäten aber tatsächlich nachfragegerecht waren, ist damit - da werden auch Sie, Herr Möllring, mir zustimmen; Sie können gut rechnen - noch längst nicht beantwortet.
Denn Fakt ist: Ein großer Teil des doppelten Abiturjahrgangs musste von anderen Bundesländern aufgefangen werden. Die Kollegin Andretta hat eben schon Zahlen genannt. Niedersachsen hat eine Steigerung der Studienanfängerzahlen um 19 %. In Nordrhein-Westfalen, wo es dieses Jahr keinen doppelten Abiturjahrgang gibt, gibt es eine Steigerung um 22,3 %. Bayern, das mit Niedersachsen vergleichbar ist, weil es auch dort dieses Jahr einen doppelten Abiturjahrgang gibt, hat eine Steigerung um 32,4 %.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen machen deutlich: Auch wenn die Umsetzung und die Ausfinanzierung des Hochschulpaktes in Niedersachsen nicht zu beanstanden ist,
krankt Niedersachsens Hochschullandschaft nach wie vor an einer strukturellen Unterversorgung mit Studienplätzen.
Liebe Kollegen von CDU und FDP, dank Ihrer Kürzungen der Hochschuletats um jährlich 50 Millionen Euro wurden bis zum Eintritt in den Hochschulpakt fast 13 % der Studienplatzkapazitäten
erst einmal abgebaut. Die Zahl der Studienanfänger ist in den ersten drei Jahren sogar um 21 % gesunken. Das heißt, wenn wir heute die Ziele des Hochschulpaktes erreichen, hat das im Wesentlichen etwas damit zu tun, dass wir von einem ziemlich niedrigen Niveau gestartet sind.
Niedersachsens Spitzenplatz als Studierendenexportmeister zeigt nämlich, wie es tatsächlich um Angebot und Nachfrage von Studienplätzen bestellt ist. Eine Entspannung ist an dieser Stelle auch nach diesem Wintersemester nicht in Sicht. Im Gegenteil, unaufhaltsam zunehmende Zulassungsbeschränkungen machen deutlich, dass Sie den Zugang zu einer akademischen Ausbildung nicht öffnen, sondern faktisch die Mauern im Zugang zu den Hochschulen mangels ausreichender Kapazitäten immer höher ziehen.
Um ein paar Zahlen zu nennen: Waren noch vor zwei Jahren 55 % aller Studienplätze an unseren Universitäten mit einem lokalen NC belegt, sind es inzwischen 62,4 %. Bei den Fachschulen waren es 2009 88 %, heute sind es schon 90,3 %. Das heißt, drei Viertel aller Studienplatzangebote in Niedersachsen machen wir ausschließlich für Schulabgänger mit Abiturbestnoten. Von offenen Hochschulen sind wir damit doch wohl meilenweit entfernt.
Nicht nur junge Menschen ohne klassischen Hochschulzugang, sondern auch viele Abiturienten scheitern in Niedersachsen an den Zugangshürden. Deshalb brauchen wir auch jenseits des aktuell aufgestockten Platzangebotes für den doppelten Abiturjahrgang einen Ausbau der Studienplatzkapazitäten. Das wird ohne die Unterstützung des Bundes finanziell nicht zu stemmen sein. Das Betreiben des Kooperationsverbotes im Rahmen der Föderalismusreform, werte Kollegen von CDU und FDP, war ein weiterer Kardinalfehler schwarzgelber Bildungspolitik.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen hat inzwischen auch in Sachen Studiengebühren einen bedauerlichen Sonderstatus: Neben Bayern sind wir das einzige Bundesland, das noch Studiengebühren hat.
Sie konterkarieren das Bemühen, junge Menschen unabhängig vom sozialen Status ihrer Eltern an die Hochschulen zu bringen. Es ist doch paradox, dass der Staat einerseits eingesteht, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den familiären Einkommensverhältnissen und der Studierneigung gibt, und deshalb den Studierenden Geld in Form von BAföG auszahlt, und derselbe Staat diesen jungen Menschen an anderer Stelle in Form von Studiengebühren wieder Geld abnimmt.
Weder das kaum in Anspruch genommene Studienbeitragsdarlehen noch die Zinsbefreiung im Rahmen der bescheidenen Geschwisterregelung können echte Chancengleichheit herstellen.
(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: Wenn das alles so schlecht ist, warum kommen dann so viele? Das passt doch nicht zusam- men!)
Auch das vorhandene Stipendienangebot hilft nicht weiter; denn es erreicht wegen der bisher angewendeten Vergabekriterien im Gros die besonders Leistungsstarken, die ohnehin zu den Gewinnern des Bildungssystems zählen.
Die Gebühren wirken aber nicht nur sozial selektiv; sie werden spätestens nach dem Abflauen der Nachfragespitze wegen der doppelten Abiturjahrgänge - das erklärt, warum die Studienplätze im Moment noch trotz Gebühren nachgefragt sind - zu einem echten Wettbewerbsnachteil für unsere Hochschulen.
Bei Beibehaltung der Gebühren wäre nicht nur die Hochschulinfrastruktur gefährdet - wir würden die dringend benötigten Fachkräfte an andere Bundesländer verlieren.
Liebe Kollegen von CDU und FDP, die Studiengebühren sind ein hochschulpolitischer Anachronismus. Lassen Sie nicht zu, dass Niedersachsen an dieser Stelle wieder abgehängt wird!
Im Kulturbereich ist die Ausgangslage ähnlich. Wir begrüßen die Trendwende, wenn es etwa um die Verlässlichkeit der Finanzierungsmodalitäten oder um die Ankündigung eines Kulturentwicklungskon
zeptes geht. Aber trotzdem gilt auch im Kulturbereich: Der Nachholbedarf ist groß; denn sowohl bei den Kulturausgaben pro Kopf als auch bei der Teilhabequote liegt Niedersachsen im Bundesvergleich auf den hinteren Plätzen. Das ist in Teilen sicherlich der stark ländlich geprägten Struktur Niedersachsens geschuldet. Umso dringender brauchen Niedersachsens Kultureinrichtungen das Land als verlässlichen Partner.
Frau Ministerin Wanka, an dieser Stelle sei Ihnen einmal ganz neidlos zugestanden, dass Sie in wenigen Monaten Baustellen abgebaut haben, deren Abbau Ihrem Vorgänger über Jahre hinweg nicht gelungen ist. Sie haben selbst den Bannspruch gegen die Soziokultur aufgehoben, womit in diesem Land unter Schwarz-Gelb niemand mehr gerechnet hat.
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN - Victor Perli [LINKE]: Aber nicht verlässlich!)
Es ist aber schade, dass Sie die Kollegen der Regierungsfraktionen nicht mit Ihrem kulturpolitischen Engagement haben anstecken können.
(Zuruf von der CDU: Das war ein vol- ler Erfolg! - Zuruf von der SPD: Pein- lich! - Jens Nacke [CDU]: Was ist das für ein Nachtreten?)
Außer einem ideenlosen Pflichtprogramm haben wir nichts gesehen. In Erinnerung geblieben ist nur Ihre Goslarer Erklärung - ich glaube, so hieß sie -, in der Sie dem Status quo huldigen.
Umso mehr sind wir deshalb auf das von Ministerin Wanka auf den Weg gebrachte Kulturentwicklungskonzept Niedersachsen, kurz „KEK“ genannt, gespannt. Die Bestandsaufnahme der Istsituation liegt uns bereits vor. Die Qualität des neuen KEK wird sich daran messen lassen müssen, inwieweit es gelingt, die angekündigte Transparenz und Teilhabe der Kulturschaffenden tatsächlich herzustellen. Die Verwertbarkeit der Ergebnisse des KEK wird auch davon abhängen, ob es uns gelingt, einen Abgleich mit kommunalen Interessen hinzubekommen.
So oder so, aufgrund des demografischen Wandels werden wir in Zukunft bisweilen auch kulturpolitische Entscheidungen treffen müssen, die weh
Die grüne Marschroute für die Kulturpolitik der Zukunft heißt Teilhabe. Deshalb haben wir dafür, wie all die Jahre zuvor, zusätzliche Mittel vorgesehen; denn es kann uns nicht zufriedenstellen, dass das Gros der staatlichen Kulturförderung in vielen Bereichen nur eine kleine Minderheit von Bildungsbürgern erreicht. Nur wenn es uns gelingt, alle Menschen mit Kulturangeboten zu erreichen, werden Kulturausgaben langfristig legitimierbar sein. Auch hier ist in Niedersachsen noch viel zu tun.
Der letzte Satz veranlasst mich, darauf zu verweisen, dass die Sitzungsleitung die Reihenfolge der Wortmeldungen festlegt. Aber es hat hier offenbar Abstimmungen gegeben, an die wir uns gerne halten.
Deswegen gehen wir entsprechend der jetzt vorliegenden Liste, so wie sie mir übergeben worden ist, vor. Ich nenne Ihnen jetzt die Reihenfolge: Frau Behrens zur Kultur, Frau Prüssner zur Kultur, Frau Polat zur Kultur, anschließend Frau von BelowNeufeldt zum Gesamtkomplex. Dann habe ich noch die Frau Ministerin. Das ist das, was mir im Moment vorliegt.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich kurz ein paar Worte zum Kulturhaushalt der Landesregierung sagen.
Er wird auch in diesem Jahr auf niedrigem Niveau fortgeführt, auch wenn wir durchaus anerkennen, dass es auf der einen oder anderen Seite leichte Erhöhungen gegeben hat, vor allen Dingen bei den kommunalen Theatern, bei der Soziokultur und bei der regionalen Kulturförderung durch die Landschaften. Das begrüßen und unterstützen wir.
Ich glaube, dass diese Entwicklung einem starken Protest vor allen Dingen aus den kommunalen Theaterhäusern und einer guten Arbeit der Opposition geschuldet ist. Das finden wir gut.