Protokoll der Sitzung vom 19.01.2012

Erst im Dezember 2011 wurde deutlich, dass der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff den

Landtag bereits kurz nach dieser Aussage erneut nicht korrekt und unvollständig informiert hatte. Auf die Frage, ob es geschäftliche Beziehungen - nach der Definition im Geldwäschegesetz, Herr Möllring - zwischen dem Ministerpräsidenten Christian Wulff und dem Unternehmer Egon Geerkens oder irgendeiner Firma, an der Herr Geerkens als Gesellschafter beteiligt war, gab, antwortete die Staatskanzlei:

„Zwischen Ministerpräsident Wulff und den in der Anfrage genannten Personen und Gesellschaften hat es in den letzten zehn Jahren keine geschäftlichen Beziehungen gegeben.“

Zwischenzeitlich wurde bekannt, dass der ehemalige Ministerpräsident von dem Unternehmer Egon Geerkens einen anonymisierten Bundesbankscheck in Höhe von 500 000 Euro in Empfang genommen hat. Offen ist bislang, woher das Geld tatsächlich stammte, aus welchen Geschäften das Geld stammte, welchem Zweck es diente, ob es einen Kredit, eine Schenkung oder ein Dreiecksgeschäft gab, ob es Gegenleistungen gab, ob das Geld in der Schweiz oder in Deutschland versteuert wurde und wer in diesem Zusammenhang als wirtschaftlich Berechtigter zu gelten hat.

„Wir sind beide sehr bekannt in Osnabrück. Und ich wollte nicht, dass irgendein Bank-Azubi sieht, dass so viel Geld von mir an Wulff fließt“

So äußerte sich Egon Geerkens im Spiegel am 16. Dezember 2011.

Egon Geerkens begleitete den Ministerpräsidenten als Teil der Wirtschaftsdelegation bei drei Reisen nach China und Japan, nach Indien und in die USA. Hier firmierte er als Private Investor. Die Presse berichtet von einem zwischenzeitlich aufgegebenen Juweliergeschäft Geerkens.

„Später kamen Häuser hinzu - in Osnabrück und anderswo, allerdings immer als private Vermögensverwaltung, nie gewerblich, betont Geerkens“

So stand es im Focus vom 14. Dezember 2011.

Die Rede ist darüber hinaus von Projekten in Westerkappeln, Berlin, Marbella, Florida und Thailand. Bei seinem Interview in der ARD und im ZDF am 4. Januar 2012 sprach der Bundespräsident mit Bezug auf Geerkens von „seinen Firmen, seinen Unternehmungen“.

Im Zusammenhang mit der Scheckübergabe wurde zudem bekannt, dass der ehemalige Ministerpräsident und heutige Bundespräsident weitere private Vorteile bis in die heutige Zeit in Anspruch genommen hat: einen Geldmarktkredit von der BW-Bank zu „absolut einzigartigen“ Konditionen - Gutachten von „Monitor“ vom 12. Januar 2012 -, kostenlose Ferienaufenthalte in Ferienhäusern von Unternehmern und angeblich anonyme Geldspenden für Buchveröffentlichungen und für Hotelaufenthalte. Spenden, Sponsoringleistungen und Dienstleistungssponsoring für unterschiedliche Adressaten erfolgten zudem im Zusammenhang mit Aktivitäten des „Club 2013“ und des „Nord-SüdDialoges“ zwischen Niedersachsen und BadenWürttemberg.

In einem aktuellen Beitrag der Neuen Zeitung für Verwaltungsrecht kritisiert Professor von Arnim, dass die Staatsanwaltschaft bislang keine Ermittlungen aufgenommen hat.

„Die Begründung für das Unterlassen von Ermittlungen gegen Wulff lässt sich nicht weiter aufrechterhalten. Die Staatsanwaltschaft muss - trotz des Immunitätsschutzes des Bundespräsidenten hinsichtlich der Straftaten - prüfen, ab wann sie für ihr weiteres Vorgehen gegen Wulff die Genehmigung des Bundestages einholen muss, um diese dann auch einzuholen.“

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Gab es geschäftliche Beziehungen zwischen Christian Wulff und Herrn Egon Geerkens oder irgendeiner Firma, an der Herr Geerkens als Gesellschafter beteiligt war, oder irgendeinem Unternehmen oder irgendeiner Institution in Deutschland oder im Ausland, die Herr Geerkens als wirtschaftlich Berechtigter vertrat?

2. Welche Firmen und Unternehmungen - Zitat ARD, 4. Januar 2012 - hat Herr Geerkens oder einer seiner Familienangehörigen als wirtschaftlich Berechtigter in Deutschland und im Ausland vertreten oder als Private Investor betreut?

3. Kann die Landesregierung ausschließen, dass zumindest der Anschein entstehen konnte, dass die dienstliche Stellung des ehemaligen Ministerpräsidenten bzw. des amtierenden Bundespräsidenten im Fall der BW-Bank oder im Fall des Herrn Egon Geerkens oder im Fall des Herrn Carsten

Maschmeyer oder im Fall des Herrn Wolf-Dieter Baumgartl oder im Fall des Herrn Groenewold zumindest mitursächlich für die Vorteilsgewährung bei Kreditkonditionen, Scheckübergabe, anonymer Spende, kostenloser Ferienhausüberlassung oder das Hotel-Upgrade im Bayrischen Hof waren?

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Möllring. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Frage 1: Nein, die gab es nicht. - Die gleiche Antwort kriegen Sie morgen auf die Frage 41.

Zu Frage 2: Zu den Delegationsreisen 2009 nach Japan und in die USA hatte sich Herr Geerkens auf die Ausschreibung der IHK zur Abgabe einer Interessenbekundung gemeldet. Für die Delegationsbroschüren der Reisen nach Indien/China und Japan, die über die Mitglieder der Delegation informierten, hat Herr Geerkens der Staatskanzlei folgenden Text übermittelt:

„Seit 35 Jahren tätig als privater Immobilieninvestor. In dieser Zeit wurden in Deutschland Ladenpassagen, Gewerbeeinheiten und Wohnungen in Osnabrück (Niedersachsen) und der Bundeshauptstadt Berlin errichtet. Das Tätigkeitsfeld umfasste die Planung, die Erstellung sowie die Verwaltung dieser Objekte, also umfassendes Gebäudemanagement.“

Zu Frage 3: Der Fragesteller hat in den letzten Wochen unentwegt versucht, genau diesen Anschein zu erwecken. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass bei dem einen oder anderen Sachunkundigen dieser Anschein auch erweckt worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Heinen-Kljajić stellt die erste Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Frau Heinen-Kljajić!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Herr Minister Möllring für die Landesregierung gestern, aber auch heute noch einmal ausgeführt hat, dass sie keine Kenntnis über die privaten oder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehepaares Geerkens hat und die Beziehungen zwischen dem Ehepaar Geerkens und dem damaligen Ministerpräsidenten Wulff nicht beurteilen kann, drängt sich doch die Frage auf - und die würde ich Sie bitten, zu beantworten -: Auf der Kenntnis welcher Fakten basiert denn Ihre Einschätzung, dass auf keinen Fall ein Verstoß gegen das Ministergesetz vorliegt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es jetzt schon zum wiederholten Mal gesagt: Das Ehepaar Geerkens und das Ehepaar Wulff - früher - sind persönlich miteinander befreundet. Herr Geerkens kennt Herrn Wulff, seitdem Herr Wulff Teenie war, und hat, als der Vater die Familie Wulff verlassen hat, dort, wie inzwischen jeder berichtet hat, sozusagen ein bisschen Vaterersatz gemacht.

Da Herr Geerkens Herrn Wulff den von der Bundesbank ausgestellten Scheck - der übrigens nicht anonym ist; auch diese Behauptung von Herrn Wenzel, das wäre ein anonymisierter Scheck - - - Es gibt keine anonymisierten Schecks. Es war ganz eindeutig, dass dieses Geld von Frau Geerkens kam und das ein reiner Privatkredit war. Deshalb kann überhaupt kein Verstoß gegen das Ministergesetz vorliegen. Wenn ich mir irgendwo Geld leihe und mir dieses Geld nicht geliehen wird, weil jemand von mir erwartet, dass ich ihn in Steuerfragen irgendwie besser behandele als einen anderen oder dass ich als Minister irgendeinen Fehler mache oder irgendeine Tat begehe, dann wäre ein Verstoß gegeben. Aber wenn ich mir als Privatmann irgendwann Geld leihe - was ich im Moment Gott sei Dank nicht nötig habe -, dann ist das überhaupt nichts, was gegen das Ministergesetz verstößt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Helmhold hat zwei Wortmeldungen abgegeben. Möchten Sie die erste - - -

(Zuruf von Ursula Helmhold [GRÜNE])

- Sie möchten das stückeln. Dann kommt jetzt die erste Zusatzfrage von Ihnen, Frau Helmhold. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt viele Menschen, die sich mit mir und auch dem Wulff-Biografen darüber wundern, dass dieser langjährige wichtige väterliche Freund in keinem einzigen Gespräch im Zusammenhang mit der Biografie aufgetaucht ist. - Aber das nur am Rande.

Die Landesregierung hat eben auf unsere Frage, ob es Beziehungen zwischen dem Ehepaar Geerkens und Christian Wulff gab, mit einem klaren Nein geantwortet. Ich frage die Landesregierung, warum sie eine andere Beurteilung der damaligen Antworten des ehemaligen Ministerpräsidenten Wulff zu dieser Frage abgibt; denn der hat ja in seinem TV-Interview vom 4. Januar dieses Jahres selbst festgestellt, dass er dem Landtag die Tatsache des Kredits von Familie Geerkens hätte darstellen sollen. Meint sie eigentlich wirklich, dass das so ist und dass der Ministerpräsident damals, am 18. Februar, uns, Herrn Wenzel und mir, hier im Landtag die Wahrheit gesagt hat?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dazu die Antwort von Herrn Minister Möllring. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Selbstverständlich hat der Ministerpräsident in seiner Antwort die Wahrheit gesagt. Wenn Sie das bezweifeln - Artikel 24! Sie können als Person zum Staatsgerichtshof gehen und feststellen lassen, dass es so ist.

Dass der Ministerpräsident, also der heutige Bundespräsident, inzwischen geäußert hat, dass es vielleicht politisch klüger gewesen wäre, das zu offenbaren - da haben wir einen Dissens, der Herr Bundespräsident und ich. Ich bin nicht der Meinung, dass jeder Minister und jeder Ministerpräsident seine privaten Verhältnisse und seine freundschaftlichen Beziehungen hier jeweils offenlegen muss, wenn nach geschäftlichen Beziehungen ge

fragt ist, wo man ja wusste, dass sie sich privat kannten, weil ja die Frage auf dem Urlaubsaufenthalt in dem Ferienhaus des Ehepaars Geerkens in Florida aufbaute. Es war ja bekannt, dass die miteinander befreundet waren. Deshalb hat man hier ja auch nach geschäftlichen Beziehungen gefragt, um möglicherweise einen Verstoß gegen das Ministergesetz herauszubekommen.

Geschäftliche Beziehungen hat es nicht gegeben. Deshalb ist die Antwort vollkommen korrekt. Dass der Bundespräsident inzwischen sagt, er hätte das lieber anders gesagt, halte ich im Übrigen für falsch. Das habe ich ihm auch gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Frau Helmhold, Sie haben jetzt erneut das Wort für eine Zusatzfrage. Bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der jetzige Bundespräsident 1999 im Deutschlandfunk gesagt hat - ich zitiere -, es fehle eine Grundsensibilität, dass man Dienstliches und Privates strikt trennt, dass man fließende Übergänge mit äußerster Vorsicht behandelt, es muss jeder Eindruck von Korrumpierbarkeit schon im Ansatz verhindert werden, und dass Minister Busemann, Mitglied des Kabinetts Wulff, 1999 im Zusammenhang mit der sogenannten Glogowski-Affäre die wunderbaren kurzen Leitsätze formuliert hat, - erster Leitsatz - „Trenne Dienstliches und Privates!“ und - zweiter Leitsatz - „Meide jeden bösen Schein!“ - denen man wirklich nur beitreten kann -, frage ich die Landesregierung: Wie beurteilt sie die Tatsache, dass Ministerpräsident Wulff - das hat die Landesregierung hier eben ausgeführt - der Versicherungswirtschaft in Niedersachsen sehr umfänglich und mit großem Einsatz geholfen hat? Hätte der Ministerpräsident dann nicht auf den Urlaubsaufenthalt bei seinem Freund Baumgartl verzichten müssen, um eben jeden bösen Schein zu vermeiden?

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Patrick-Marc Humke [LINKE])

Herr Minister Möllring antwortet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nein. Ich habe vorhin auf die Frage des Abgeordneten Sohn ja schon gesagt, wie es dazu gekommen ist, dass der Ministerpräsident sich sehr intensiv für die Versicherungswirtschaft in Hannover eingesetzt hat und erheblichen Erfolg hatte.

(Beifall bei der CDU - Ursula Helm- hold [GRÜNE]: Das sollte er ja auch! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)