Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

Aktuelle Stunde

Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir fünf Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung entnehmen können.

Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geltenden Regelungen setze ich bei allen Beteiligten, auch bei der Landesregierung, als bekannt voraus.

Ich eröffne jetzt die Besprechung zu a

In guten Händen: Pflegeberufe in Niedersachsen attraktiv gestalten! - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 16/4486

Dazu erteile ich der Kollegin Mundlos von der CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt in der Natur des Menschen, dass er in hohem Alter zunehmend auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Jeder will, dass er sich dabei in guten Händen befindet. Deshalb ist es nur allzu selbstverständlich, dass wir angesichts der demografischen Entwicklung eine transparente, intensive und aufrichtige Debatte über das Thema Pflege führen. Wir wissen, dass die Zahl der Pflegebedürftigen seit 1999 um über 22 % gestiegen ist. Wir wissen, dass knapp 1 Million Menschen in der Pflegebranche arbeiten. Wir wissen aber auch, dass wir bis 2020 - und das ist in nur acht Jahren -

ambulant und stationär ca. 170 000 weitere Beschäftigte in ganz Deutschland benötigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen damit vor großen Herausforderungen; denn Pflegekräfte und Pflegebedürftige haben gleichermaßen ein Recht auf gute Rahmenbedingungen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb war und ist es nur folgerichtig, dass die Niedersächsische Landesregierung hier seit 2003 einen besonderen Schwerpunkt ihrer sozialen Arbeit setzt. Als aktuelle erfolgreiche Maßnahme nenne ich beispielhaft den Pflegepakt. Es ist gelungen, trotz sehr unterschiedlicher Interessenlagen einen von einer breiten Basis getragenen Pakt zu schließen. Dies beinhaltet die Begleitung von möglichen Pflegesatzverhandlungen durch das Ministerium, Aktivitäten zur Verbesserung des Images und der Attraktivität der Pflege, Maßnahmen zur Fachkräftegewinnung und -sicherung, eine Vereinheitlichung der Pflegeausbildung sowie die Erhöhung der freiwilligen Schulgeldförderung auf monatlich 160 Euro, sodass mittlerweile 80 % aller Schülerinnen und Schüler in der Altenpflege schulgeldfrei lernen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist, finde ich, eine ganz besondere Leistung. Das hat es in Niedersachsen in der Form nämlich noch nicht gegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Selbstverständlich gehören auch die Förderung kultursensibler Pflege sowie die Verbesserung in der betrieblichen Gesundheitsförderung zugunsten der in der Pflege Tätigen dazu. Hier darf ich einmal die AOK loben, weil sie ein Modellprojekt mit einem Bonusprogramm fahren wird. Immer wieder gehört auch das Stichwort „Entbürokratisierung“ dazu, weil dies ein Dauerthema ist und wir ständig daran arbeiten müssen; denn die, die in der Pflege tätig sind, wollen nicht am PC sitzen, sondern sie wollen am Menschen, für den Menschen und mit den Menschen arbeiten. Das sollen sie tun, und dazu brauchen sie auch Zeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ganz aktuell nenne ich die Gründung der „Stiftung Zukunft der Altenpflegeausbildung“. In diese Stiftung werden rund 10 Millionen Euro fließen, um Projekte zur Nachwuchsgewinnung und -förderung zu unterstützen. Die Kontinuität und die Stringenz der Altenpflegepolitik der Landesregierung seit 2003 tragen Früchte. Das kann man allein schon

an den Schülerzahlen erkennen. Während im Jahr 2000 unter einer roten Landesregierung 4 048 Schülerinnen und Schüler in der Ausbildung waren, gab es 2011 6 200 Auszubildende. Das entspricht einer Steigerung um mehr als 50 %.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dies ist ein gutes Signal und macht vor allem deutlich, dass zunehmend auch unsere Jugendlichen begreifen, dass es in der Altenpflege einen sicheren zukunftsfesten Arbeitsplatz gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben kontinuierlich und konsequent gute Weichen gestellt: Heimgesetz, Pflegepaket, Nachwuchsinitiativen, Pflegepakt und Stiftungsgesetz. Wir haben die Herausforderungen erkannt und frühzeitig angenommen. Wir kümmern uns und setzen Akzente. Der Dialog und die aktive Partnerschaft mit allen an Pflege Beteiligten haben sich bewährt. Hier geht mein Dank vor allem an die Ministerin, an die Verbände und Organisationen. Ich danke auch allen Pflegekräften, die tagtäglich eine wertvolle und wichtige Arbeit leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gemeinsam mit den Pflegekräften, gemeinsam mit den Verbänden und Organisationen wollen wir auch künftig die Rahmenbedingungen in der Pflege weiterentwickeln und Pflegeberufe attraktiv gestalten. Dann sind beide - Pflegebedürftige und Pflegekräfte - auch künftig in guten Händen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt der Kollegin Helmhold das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht umsonst haben in diesem Monat Gewerkschaften und Verbände das Bündnis „Perspektiven für eine bessere Pflege in Deutschland“ geschlossen. Sie wollen die Situation für Pflegebedürftige, deren Angehörige und die beruflich Pflegenden verbessern; denn die Pflege in Niedersachsen und in ganz Deutschland ist seit Jahren selbst zum Pflegefall geworden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich nenne jetzt nur einige Stichworte: Personalabbau, steigende Fallzahlen, sinkende Verweildauern

und steigende Multimorbidität führen zu einer kaum noch zu ertragenden Belastung des Pflegepersonals. In der Folge steigen die Krankenstände, sinken die Verweildauern im Beruf und steigt die Unzufriedenheit. Kaum jemand arbeitet hier noch bis zur Rente. Viele arbeiten Teilzeit, um die Belastungen überhaupt zu ertragen. Schlechte Bezahlung und mangelnde Anerkennung tun ein Übriges. Dabei ist es angesichts des demografischen Wandels schon weit nach zwölf.

Bereits heute haben Einrichtungen große Schwierigkeiten, ausreichend Fachkräfte zu gewinnen. Zukünftig aber wird die Situation dramatisch werden. Vor diesem Hintergrund blockiert die Mehrheit aus CDU und FDP in diesem Hause wider besseres Wissen und mit fadenscheinigen Argumenten die Wiedereinführung der Ausbildungsumlage, die an dieser Stelle für Gerechtigkeit und mehr Ausbildungsplätze sorgen würde.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Dass die Pflege in Deutschland schon so lange auf der Intensivstation liegt, hat vor allem die jetzige schwarz-gelbe Bundesregierung zu verantworten; denn dort geht seit langer Zeit in der Pflegepolitik überhaupt nichts vorwärts.

(Zuruf von Roland Riese [FDP])

Das von Herrn Rösler vollmundig versprochene Jahr der Pflege rauschte ergebnislos an uns vorbei, und sein Nachfolger hat die Sache jetzt endgültig in den Sand gesetzt. Mit dem Reförmchen, das er vorgelegt hat, wird es keine substanziellen Verbesserungen geben. Aber er will tatsächlich eine Kommission zur Erarbeitung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs einsetzen. Ja, hallo! - Dazu gab es schon längst eine Expertengruppe, und die Ergebnisse liegen seit dem Jahr 2009 vor. Der Minister aber will weiter Zeit schinden - und das auf dem Rücken der Betroffenen.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Kein Wunder, dass der bisherige Chef des Expertenbeirats, der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe, Jürgen Gohde, scharfe Kritik an der Regierung geübt und den Bettel hingeschmissen hat. Er stehe nicht mehr zur Verfügung, hat er erklärt; denn er habe den Eindruck gewonnen, dass es - ich zitiere - der Koalition für dieses Ziel an der nötigen Entschlossenheit und Ernsthaftigkeit fehlt. Deshalb wolle er diesem Beratergremium künftig weder angehören noch es leiten. Kein Wunder also, dass es angesichts dieses Total

versagens schon erste Rücktrittsforderungen gegen den FDP-Minister gab.

Nun verweigern auch noch die eigenen Kabinettskollegen von der Leyen und Schäuble ihre Zustimmung. Herr Bahr steht vollkommen allein im Regen und ist isoliert. Es steht schlecht um die Pflege bei Schwarz-Gelb.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bei dem Ziel der Zusammenführung der verschiedenen Ausbildungsgänge bewegt sich seit Jahren überhaupt nichts. Frau von der Leyen bleibt bei der Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres für die Umschülerinnen weiter stur. Hier ist das Land eingesprungen. Aber das darf nur eine Notlösung sein, es ist in Wirklichkeit nicht unsere Aufgabe. In beiden Fällen muss die Sozialministerin energisch in Berlin intervenieren; aber davon hören wir nichts.

Der niedersächsische Pflegepakt wird keine substanziellen Verbesserungen bringen. Ungelöst bleibt das Problem, dass die Pflegesätze in Niedersachsen weit unter dem Bundesdurchschnitt liegen. Hätten wir, meine Damen und Herren, hier in Niedersachsen den Pflegesatz von NordrheinWestfalen, dann hätten die Pflegenden am Tag im Schnitt 70 Minuten mehr Zeit für die Pflegebedürftigen. Das wäre eine wirkliche Verbesserung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Bahr dagegen will die Regelung der ortsüblichen Vergütung als Voraussetzung für einen Versorgungsvertrag jetzt mindestens schwächen, wenn nicht aushebeln.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das hat nichts mit Herrn Bahr zu tun!)

Künftig soll der Pflegemindestlohn an diese Stelle treten. Der kann aber nicht als Lohnuntergrenze für Pflegefachkräfte gelten. Was passiert hier also? - Die FDP öffnet klammheimlich ein Einfallstor für Lohndumping bei Pflegefachkräften. Ärzte jedoch sollen mehr Geld bekommen, wenn sie Menschen in Pflegeheimen betreuen. Immer ein weites Herz für Ärzte! Aber bei Pflegenden zieht Herr Bahr die Spendierhosen schnell wieder aus. So sieht es aus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In Niedersachsen verweigert sich die Koalition wieder besseren Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten der Pflegenden. Unser Gesetzentwurf für

eine Pflegekammer liegt seit zwei Jahren vor. So lange sitzen Sie das schon aus und beschwichtigen.

Mehr Nachwuchs bekommen Sie nicht durch Imagekampagnen, sondern durch attraktive Arbeitsbedingungen und eine umlagefinanzierte Ausbildung. Acht von zehn Verbänden haben dies jüngst in der Anhörung im Sozialausschuss eingefordert, und Sie halten sich die Ohren zu.

Das Geld aus der Umlage, das eigentlich den Pflegebedürftigen gehört, will die Ministerin jetzt über eine Stiftung für noch mehr Broschüren, bunte Bilder und Filmchen ausgeben.