Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

Das Geld aus der Umlage, das eigentlich den Pflegebedürftigen gehört, will die Ministerin jetzt über eine Stiftung für noch mehr Broschüren, bunte Bilder und Filmchen ausgeben.

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss!

Das dient vielleicht der Selbstdarstellung, aber nicht der Förderung der Pflege.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Riese das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt nichts Neues im Westen. Wir haben Frau Helmhold hier schon einige Male zu diesem Thema hören dürfen. Sie hat immer genau dasselbe vorgetragen; es fällt ihr nichts Neues ein. Vor allen Dingen hört und sieht sie nicht zu, wenn unsere Landesregierung handelt. Und unsere Landesregierung handelt gut.

(Beifall bei der FDP)

Meine verehrten Damen und Herren, ich nehme an, dass die Antragsteller bei dem Titel „In guten Händen“ nicht an die britische Filmkomödie aus dem Jahr 2011, sondern vielmehr an das von Frau Professor Uta Oelke herausgegebene Fachbuch zum Thema Pflege gedacht haben, das auch diesen Titel „In guten Händen“ hat. Darin wird die Fachlichkeit beschrieben; aber die Fachlichkeit muss natürlich in der Ausbildung erarbeitet werden, und sie muss in der praktischen Pflege ausgeübt werden.

Das, was die Landesregierung in den letzten Jahren getan hat, hat die Kollegin Frau Mundlos schon im Wesentlichen ausgeführt. Frau Helmhold hat

sich aber am Bundesgesundheitsminister abgearbeitet und viel Unzutreffendes vorgetragen. Dazu möchte ich doch noch auf das eine oder andere eingehen. Sie hat u. a. die endlos vorgetragene Forderung nach der Ausbildungsumlage wiederholt. Sie kennen doch auch das Altenpflegegesetz des Bundes, nämlich den § 25 Abs. 1 Satz 2 dieses Gesetzes, in dem genau zu lesen ist, dass eine solche Ausbildungsumlage nur dann erhoben werden kann - das steht im Bundesgesetz, verehrte Frau Helmhold -, wenn man einen Mangel an Ausbildungsplätzen feststellen kann.

Nun schauen Sie sich doch bitte einmal bei der Bundesagentur für Arbeit um, wie das Angebot an Ausbildungsplätzen in Niedersachsen ist! Dann sehen Sie: Sie können morgen anfangen. Morgen! Zu Beginn des Ausbildungsjahres sind Hunderte von Ausbildungsplätzen im Angebot. Von einem Mangel an Ausbildungsplätzen kann also in diesem Feld beileibe nicht die Rede sein.

(Beifall bei der FDP)

Sie betreiben hier Legendenbildung, wenn Sie behaupten, dass das Gesetzesvorhaben des Bundes nur kritisiert wird. Ganz im Gegenteil, in der Anhörung sind viele positive Punkte hervorgehoben worden. Ich nenne die AOK, die die geplanten Leistungsverbesserungen für Pflegebedürftige - allen voran für Demenzkranke - begrüßt hat. Weiter nenne ich den Sozialverband Deutschland, der in seiner Stellungnahme ebenfalls die verbesserten Leistungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz begrüßt hat.

Die AOK hat übrigens ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die im Gesetzentwurf enthaltene Finanzierung ausreicht, um die zusätzlichen Leistungen zu finanzieren. Also so, wie Sie es hier dargestellt haben, ist es nicht.

Zur jüngsten Kampagne der Landesregierung ist den Werbetextern ein Textfluss gelungen, von dem ich zuversichtlich hoffe, dass er bei den jungen Menschen auch ankommt: „Mensch Alter - Du bist meine Zukunft“. Das ist freche Sprache, das ist engagierte Sprache. Dahinter aber verbirgt sich doch, dass der, der heute einen Pflegeberuf ergreift, angesichts des demografischen Wandels eine berufliche Sicherung bis zum Ende seiner Tage hat. Pflegepersonen werden in der Gegenwart gebraucht, sie werden in Zukunft gebraucht. In Pflegeberufen gibt es viele Möglichkeiten zur Qualifizierung. Es bleibt also durchaus nicht dabei, dass man als Pflegeperson im einfachen Pflegedienst bleiben muss, wenn man sich weiterqualifi

ziert. Bis hin zum universitären Niveau sind da die Wege weit geöffnet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Genau auf diesen Umstand weist die Kampagne hin. Sie wird an die jungen Menschen herangebracht. Es ist auch richtig so, dass man entschlossen in den Wettbewerb um die jungen Menschen eintritt. Wir haben hier ja schon mehrere Male den sich abzeichnenden Fachkräftemangel in vielen anderen beruflichen Disziplinen besprochen. Da befindet sich die Pflege natürlich im Wettbewerb. Sie muss entsprechend unterstrichen werden. Genau das geschieht im Lande Niedersachsen. Die Zahlen belegen, dass dies erfolgreich geschieht, und das wird auch erfolgreich in die Zukunft geführt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Humke für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der CDU für die Aktuelle Stunde „In guten Händen: Pflegeberufe in Niedersachsen attraktiv gestalten!“ belegt, wie klein mittlerweile die Strohhalme sind, an die sich die Regierungsfraktionen klammern, um uns vermeintliche Glanzpunkte zu verkaufen. 250 000 Euro in eine PR-Kampagne für die Pflegeberufe zu stecken, ist jedenfalls kein Akt der Gestaltung.

(Beifall bei der LINKEN)

Was heißt es denn, wenn Sie davon sprechen, dass das Image des Berufes aufgewertet werden soll? - Es geht um weitaus mehr als nur um das Image oder um den Respekt vor dem Beruf bzw. dieser Arbeit. Es ist so schwer, sich für diesen Beruf zu entscheiden, weil zu der hohen Verantwortung für die Menschen eine extreme Belastung durch viel zu niedrige Personalschlüssel und, gemessen daran, auch eine miserable Entlohnung kommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbst jene, die diesen Beruf aus voller Überzeugung ergriffen haben, haben eine im Vergleich sehr kurze Verweildauer in diesem Beruf. Je nachdem, in welchem Pflegebereich wir uns umsehen, ist eine durchschnittliche Verweildauer von vier bis acht Jahren zu verzeichnen. Genau dort liegt ein

zentraler Bereich, in dem gestaltet werden müsste. Hinzu kommt, dass das Gros der Pflegekräfte in Teilzeit arbeitet. Doch von dem Verdienst in Teilzeit kann man kaum überleben oder gar eine Familie ernähren. Das ist entwürdigend.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer aber in Vollzeit arbeiten kann, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund der großen Belastung früh krank oder erleidet einen Burn-out, wie auch Statistiken belegen. Auch hier liegt ein politischer Gestaltungsbereich fast unberührt. An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, dass viele Pflegefachkräfte, wenn sie noch flexibel sind, auch Angebote aus dem Ausland annehmen und vor dem Hintergrund einer besseren Bezahlung oder einer Zusatzversorgung für die Rente abwandern. Das gilt es zu verhindern.

Bei uns in Deutschland hat man sich lange gegen einen Pflegemindestlohn gestemmt, insbesondere vonseiten der privaten Anbieter.

(Jens Nacke [CDU]: Also, Herr Kollege!)

Es ist keine Frage: Private Anbieter stehen immer für Lohndumping.

Nun wird von mancher klammen Kommune versucht, aus diesem Mindestlohn - derzeit 8,75 Euro im Westen - einen Grundmaßstab zu machen, sprich: das gesamte Gehaltsgefüge in der Pflege noch einmal nach unten zu ziehen. Ich will mich jetzt nicht lange damit aufhalten, warum Kommunen als Teilfinanziers oder Auftraggeber der Pflege dieses Lohndumping forcieren, sondern komme gleich zu den zwei zentralen Kernproblemen der Pflegefinanzierung.

Erstens sind die Pflegesätze viel zu niedrig.

(Jens Nacke [CDU]: Ich dachte, über diese Sprüche sei man seit 30 Jahren hinweg!)

- Herr Nacke, Sie sollten einfach mal zuhören, anstatt unqualifizierte Zwischenbemerkungen zu machen. Sie haben es heute zum wiederholten Male bewiesen, dass Ihr Niveau weit unterhalb der Gürtellinie liegt.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)

Bei den viel zu niedrigen Pflegesätzen müssen wir Frau Ministerin Özkan sicherlich den Mut attestieren, mit der Idee des Pflegepaktes nicht zuletzt auch Pflegeträger und Pflegekassen an einen Tisch zu holen. Das ist ohne jede Ironie gemeint:

Respekt, das war ein wichtiger Ansatz! Aber leider lassen die Pflegekassen die Ernsthaftigkeit ihrer Zusagen vermissen. Das ist ein Kernpunkt.

Das zweite Kernproblem ist die chronische Unterfinanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung. Hier kommen wir zu einem Knotenpunkt aller bestehenden Probleme des Gesundheitssystems. Auch an dieser Stelle möchte ich Sie zum wiederholten Male darauf hinweisen, dass wir auf der Bundesebene eine radikale Reform des gesetzlichen Krankenversicherungswesens benötigen. Wir brauchen eine solidarische Bürgerversicherung, in der alle Einkommensarten beitragspflichtig sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund muten Ihre Betitelung der Aktuellen Stunde und Ihre Lobpreisungen der im Ergebnis wirkungslosen Politik der Landesregierung im Bereich der Pflege als das sprichwörtlich letzte Gefecht vor Ihrer Abwahl im Januar nächsten Jahres an. Sie vertun wieder einmal eine Chance, im Sinne der betroffenen zu Pflegenden und der Pflegenden zu Fortschritten zu kommen. Nicht nur wir Linke können Ihre Politik nur als eine Politik der schönen Worte kennzeichnen. Ich erinnere auch an die Kritik der Gewerkschaften.

Man kann Ihre Politik aber leider nicht als eine Politik kennzeichnen, die eine der größten Herausforderungen der Landespolitik für die Zukunft annimmt. Das ist schlimm. Das ist eigentlich verwerflich und unverantwortlich.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Watermann von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist gut, dass wir gemeinsam in einer Gesellschaft sind, die älter wird, und es ist auch gut, dass wir lange gesund sind. Es ist auch richtig, dass der Anteil der Pflegebedürftigen im höheren Alter größer wird und aufwächst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man dann aber von der Kampagne für die Menschen redet, die hoch qualifiziert bei einem geringen Lohn in diesem schweren Beruf arbeiten, kann es nicht sein, dass wir hier immer nur sonntags und samstags wohlpreisend reden, aber über den

Rest der Woche nichts tun. Wer diese Situation nicht vernünftig nach vorne bringt, der muss ganz deutlich sehen, dass er mit Bildchenkampagnen eben nicht dafür sorgt, dass mehr Menschen bereit sind, in diesen schweren Beruf zu gehen.

Meine Damen und Herren, wenn wir über die Anerkennung dieses Berufes reden, dann müssen wir über eine anständige Bezahlung reden, dann müssen wir auch darüber reden, dass es dringend notwendig ist, dass wir Maßnahmen entwickeln, die dazu führen, dass Menschen, die diesen Beruf ausüben, einen Lohn bekommen, der dieser hoch qualifizierten Arbeit gerecht wird.

(Beifall bei der SPD)