Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich möchte Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt geben. Abgestimmt haben insgesamt 143 Mitglieder des Landtages, davon 10 mit Ja, 80 mit Nein, und 53 Mitglieder des Landtages haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich möchte Ihnen noch bekannt geben, dass der Tagesordnungspunkt 21 vorgezogen und noch vor der Mittagspause nach der Beratung des Tagesordnungspunktes 19 behandelt werden soll. Ich bitte die Rednerinnen und Redner, sich darauf einzustellen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie sehr herzlich darum bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle wissen, dass heute - genau seit 10.30 Uhr - in Berlin die nationale Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt stattfindet. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund rufen
anlässlich dieses Staatsaktes für 12 Uhr zu einer Gedenkminute auf. Zahlreiche Organisationen - das haben Sie gehört und gelesen - wollen sich daran beteiligen. Auch im Ältestenrat dieses Hauses waren sich die Fraktionen einig, zu diesem Zeitpunkt im Sitzungsverlauf innezuhalten und sich der Gedenkminute anzuschließen. Ich möchte Sie daher um einen Moment des stillen Gedenkens bitten - zur Erinnerung an die Opfer, zum Zeichen des Mitgefühls mit deren Familien und Angehörigen und auch als Ausdruck des Zusammenhalts und Einstehens gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt.
Abschließende Beratung: Gute Arbeit auch in der Wissenschaft - Karrierewege für den wissenschaftlichen Nachwuchs ausbauen und verlässliche berufliche Perspektiven bieten - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/3521 - Gute Wissenschaft braucht gute Arbeit - Die Berufs- und Karrieremöglichkeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses sind dringend zu reformieren - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4219 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Kultur - Drs. 16/4468
Ich eröffne die Beratung. Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Dr. Andretta zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute vor neun Tagen, am 14. Februar, haben Verfassungsrichter entschieden, dass Professoren und Professorinnen ein Gehalt bekommen müssen, das ihrer Qualifikation und Verantwortung entspricht. „Ein angemessener Lebensunterhalt“ - so die Richter - müsse sichergestellt sein.
Von einem „angemessenen Lebensunterhalt“ kann der wissenschaftliche Nachwuchs leider nur träumen. Er kann froh sein, wenn der Lebensunterhalt überhaupt einmal für zwei, drei Jahre gesichert ist.
Immer mehr befristete Arbeitsverträge mit immer kürzerer Dauer - oft in Teilzeit - und höchst unsicheren Karriereperspektiven: So sieht heute die Arbeitswelt junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus. Das wollen wir ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nur einige wenige Zahlen: 83 % der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten heute in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Über die Hälfte davon haben einen Arbeitsvertrag mit der Laufzeit von unter einem Jahr. Hinzu kommt, dass die Stellen dann oft auch noch realiter geteilt werden. Das heißt, auf eine Stelle für wissenschaftliche Mitarbeiter setzt man vier Doktoranden, die dann mit einem Viertel des Gehaltes zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel haben.
Befristung ist auch an niedersächsischen Hochschulen Alltag. So hat sich an der Universität Hannover die Zahl der befristet eingestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten 20 Jahren nahezu verdoppelt, während sich die Zahl der unbefristet Beschäftigten deutlich reduziert hat. An der Universität Göttingen stehen 1 600 befristeten Arbeitsverhältnissen nur noch 116 unbefristete gegenüber.
Ich sage hier ausdrücklich: Befristungen wird es in Qualifikationsphasen immer geben. Befristung als solche ist genuiner Bestandteil von Qualifizierungsgängen, vor allen Dingen in der ersten Qualifizierungsphase, der Promotion. Uns geht es hier um die Befristungspraxis; und hier gibt es Änderungsbedarf.
Probleme gibt es vor allen Dingen - das hat eine HIS-Studie vor Kurzem gezeigt - im PostdocBereich, also dann, wenn Familiengründung ansteht und man sich nach einer gewissen Planbarkeit sehnt. Probleme gibt es auch bei der Befristung von dauerhaft anfallenden Aufgaben in Forschung und Lehre und hier insbesondere im nicht wissenschaftlichen Bereich. Kurzum, der Handlungsbedarf ist unbestritten. Darin sind sich Hochschulen, die Allianz der Wissenschaftsorganisationen und -verbände einig. Über 8 000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben inzwischen das Templiner Manifest unterschrieben, in dem die Unterzeichner bessere Karriereperspektiven in der Wissenschaft fordern. Im Bundestag
Auch wir in Niedersachsen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätten dazu gerne öffentlich im Ausschuss mit Experten diskutiert. Doch dies wurde uns von den Regierungsfraktionen wieder einmal verweigert. Kein Handlungsbedarf, so war die Devise. Alles klasse und bestens in Niedersachsen. Ein größeres Armutszeugnis, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Rechten, hätten Sie sich nicht ausstellen können.
Nein, es ist nicht alles bestens in Niedersachsen. Wie kritisch inzwischen von vielen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihre eigene Berufsperspektive in der Wissenschaft gesehen wird, zeigte die Anhörung meiner Fraktion, aber auch die im November veröffentlichte HIS-Studie, die erstmals empirische Befunde zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses präsentierte. Anteil daran hat - das zeigte die Studie - die derzeitige Handhabung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das 2007 die Befristungsbestimmungen neu regelte und seitdem der befristeten Beschäftigung im Wissenschaftsbereich weiter Vorschub geleistet hat.
Wir beobachten mit Sorge, dass Fortschritte, die in den letzten Jahren bei der Nachwuchsförderung erreicht wurden - wie die Einführung der Juniorprofessur, der Tenure Track, die größere Selbstständigkeit durch die strukturierte Doktorandenausbildung oder das tolle Emmy-Noether-Programm - allmählich wieder aufgefressen werden. Von einer damals vom Gesetzgeber angestrebten Balance zwischen befristeten und unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen kann nicht die Rede sein. Befristete Arbeitsverhältnisse unterhalb der Professur sind längst die Regel. Nach wie vor fehlt in Deutschland eine etablierte Postdoc-Kultur. Unterhalb der klassischen Professuren gibt es kaum wissenschaftliche Positionen zu besetzen. Nur wenige erhalten eine Juniorprofessur, ein Forschungsstipendium oder eine Nachwuchsgruppenleitung.
Ursache für die hohe Unsicherheit wissenschaftlicher Karrieren ist jedoch - das wissen wir auch - nicht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, sondern die Finanzsituation an den Hochschulen. Darauf weist die Hochschulrektorenkonferenz zu Recht hin. Das Verhältnis von Grundfinanzierung zu Drittmittelfinanzierung verschiebt sich seit Jah
ren zuungunsten der Grundfinanzierung. Der Anteil der Grundmittel an der Finanzierung der Hochschulen liegt mittlerweile nur noch bei 50 bis 60 %. Es waren einmal weit über 80 %. Das hat natürlich Konsequenzen. Es muss Konsequenzen haben.
Aufgrund der hohen Drittmittelabhängigkeit wächst die Unsicherheit und sinkt die Bereitschaft der Hochschulen, Personalentwicklung zu betreiben, d. h. langfristig zu planen und unbefristet einzustellen.
Nun, was ist zu tun? - Unser Antrag enthält dazu konkrete Forderungen. Die wichtigsten möchte ich kurz nennen.
Erstens. Die Juniorprofessur als wissenschaftlicher Karriereweg ist zu stärken. Für uns ist die Juniorprofessur ein Erfolgsmodell. Sie wird viel zu zögerlich ausgebaut. In Niedersachsen gab es 2005 gerade einmal 140 Juniorprofessuren, fünf Jahre später nur 148, also faktisch Stagnation. Hier bräuchten wir dringend ein Signal auch aus Berlin. Warum wird nicht ein neues Bundesprogramm aufgelegt - gerne auch als DFG-Programm -, z. B. 2 000 Juniorprofessuren für fünf Jahre? Das würde für unseren wissenschaftlichen Nachwuchs eine echte Perspektive darstellen.
Zweitens. Der Tenure Track wird kaum genutzt. Das muss sich ändern, notfalls auch mit Regelungen im Hochschulgesetz.
Drittens. Wir brauchen dringend eine Reform der Personalstruktur. Dazu nenne ich eine aktuelle Zahl aus den Personaldaten der Hochschulstatistik: Der Professoren- und Professorinnenanteil liegt jetzt bei 8,9 %. In den letzten 15 Jahren ist der Anteil der Professoren und Professorinnen um 3 % gestiegen, der der Studienanfänger allerdings um 67 %. Hier kann etwas nicht stimmen. Um den Anforderungen der Lehre gerecht zu werden, schlagen wir deshalb die Einführung einer neuen Personalkategorie vor, nämlich den Lecturer. Über die genaue Ausgestaltung wäre dann zu diskutieren.
Fünftens. Wir setzen uns für eine Überarbeitung des Sonderbefristungsrechts ein. Das betrifft sowohl die einzubeziehenden Mitarbeitergruppen als auch die Dauer der Befristung. Wir erleben zurzeit, dass ein Projekt drei Jahre dauert und die Hochschule dafür sechs Halbjahresverträge vergibt.
Damit muss Schluss sein! Generell sollte gelten, dass die Mindestdauer der Drittmittelstellenbefristungen durch die Laufzeit der Drittmittelbewilligung festgelegt sein soll.
Meine Damen und Herren, all dies wird nicht viel helfen, wenn wir nichts an den Ursachen für den Befristungstrend in der Wissenschaft ändern. Uns muss es gelingen, durch eine Erhöhung der Grundfinanzierung die Spielräume für unbefristete Beschäftigung an den Hochschulen wieder zu erhöhen.
Meine Fraktion hat dazu einen Vorschlag unterbreitet. Durch eine Aufhebung des Kooperationsverbots in der Verfassung muss der Weg für direkte Finanzhilfen des Bundes freigemacht werden. Auf dieser Grundlage könnten Bund und Länder gemeinsam eine nachhaltige Verbesserung der Beschäftigungssituation in der Wissenschaft bewirken. Wir jedenfalls sind dazu bereit. Wir sind das auch unserem wissenschaftlichen Nachwuchs schuldig.
Herzlichen Dank, Frau Dr. Andretta. - Für die CDUFraktion hat sich Herr Dr. Noack zu Wort gemeldet. Herr Dr. Noack, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab: Ich spüre eine nicht nur klammheimliche Freude darüber, dass wir zu Sachthemen zurückkehren.
„Gemeinsames Ziel muss es sein, Niedersachsen für den wissenschaftlichen Nachwuchs attraktiv, forschungsfreundlich und international wettbewerbsfähig zu machen.“
Diese Zielsetzung ist vom Grundgedanken her richtig und unterstützenswert, würde die Formulierung nicht die Unterstellung enthalten, Niedersachsen müsse für den wissenschaftlichen Nachwuchs erst einmal attraktiv, forschungsfreundlich und international wettbewerbsfähig gemacht werden. Nein, die Universitäten, Hochschulen, Fachhochschulen und weiteren wissenschaftlichen Ein
Dies gilt nicht nur für die Exzellenzuniversität Göttingen - übrigens die einzige Exzellenzuniversität nördlich des Mains und ganz nebenbei meine Alma Mater -,